Ein wenig wundert es mich, dass es zu diesem Film noch keinen Thread gibt:
„An einem Freitag um halb zwölf ...“ (BRD / FR / IT 1961)
Diese Verfilmung eines James-Hadley-Chase-Romans, die kürzlich im Nachtprogramm der ARD zu sehen war, hat nun auch den Weg auf meinen Bildschirm geschafft. Der Film, der sich rund um Vorbereitung, Ausführung und - wie sollte es anders sein - Überführung eines Überfalls auf einen gepanzerten Geldwagen dreht, beginnt mit einer klug geschnittenen Doppelszene, in welcher der Ablauf des Gangstercoups einfach, aber effektiv geschildert wird. Die fünf Gangster sind jeweils eigenständige Personen, ohne gänzlich im Rollenklischee des typischen Ganoven aufzugehen. Ladies first: Da wäre zunächst Nadja Tiller, die über ihre Herkunft traurige Kriegsgeschichten und die ihres Planes ein vielsagendes Schweigen zum Besten gibt. Sie ist zwar intelligent und willensstark, jedoch auch gefühlvoll und kann so innerhalb des Films sowohl weibliche Verletzbarkeit als auch Sturheit präsentieren.
Peter van Eyck gibt einen arroganten Gauner, der sich gern selbst überschätzt (besonders in seiner Wirkung auf Frauen), gegenüber Unbeteiligten jedoch einen äußerst freundlichen Eindruck macht – man denke nur an die Szenen mit der nervigen italienischen Familie. Umso größer war mein Entsetzen, als er in einer darauffolgenden Szene versucht, Nadja Tiller gefügig zu machen. Rod Steiger als eine Art Chef der Truppe gibt einen knallharten, ziel- und leistungsorientierten Verbrecher, dem man einen Coup dieser Größe noch am ehesten zutrauen würde und der sich auch von einem Steckschuss in der Schulter nicht von weiteren Tätig- und Grausamkeiten abbringen lässt (wobei man ihm auch eine gewisse Vernunft nicht absprechen kann).
Die übrigen beiden „Bandenmitglieder“ gehören eher zum Typus „Gelegenheit macht Diebe, aber eigentlich muss das nicht sein“, jedoch beide auf eine recht unterschiedliche Art und Weise.
Viele Landschaftsaufnahmen und einige spannende Szenen, bei denen man wirklich die Luft anhalten musste (Geldtransportfahrer erkennt Rod Steiger im Seitenspiegel oder die Schlangenszene in den Bergen), machen diesen Film für mich besonders beim ersten Mal sehenswert. Sicher gehört er zu der Kategorie Streifen, die beim ersten Sehen am meisten fesseln können. Amüsant fand ich die Darstellung des Panzerwagens und die Vorstellung, dass man ihn platzmäßig da verstauen kann, wo man ihn letztenendes verstaute ...
Ergänzend kann noch hinzugefügt werden, dass der Film von Alvin Rakoff inszeniert und von Artur Brauner co-produziert wurde, was mich dereinst überhaupt erst auf den ihn aufmerksam werden ließ. Die Handlung spielt in Südfrankreich und erhält durch das heiße Klima eine gewisse Schwüle, die dem Gangsterfilm sehr gut zu Gesicht steht. Den Spannungsbogen habe ich als überaus gelungen in Erinnerung, ebenso den Soundtrack, der mir bis heute unverwechselbar im Ohr blieb. Definitiv eine Empfehlung wert!
Habe die Ausstrahlung leider verpasst und habe deshalb auch den Film noch nie gesehen. Hat zufällig jemand auf DVD aufgezeichnet und könnte mit weiterhelfen?
Zitat von Edgar007Habe die Ausstrahlung leider verpasst und habe deshalb auch den Film noch nie gesehen. Hat zufällig jemand auf DVD aufgezeichnet und könnte mit weiterhelfen?
Der Film ist eigentlich eine Corona-Produktion des Produzenten Dr. Alexander Grüter. Laut Aussage von Herrn Hummel, der für Constantin für diese Produktion verantwortlich war, überzog Alvin Rakoff das Budget dermaßen, dass man den Film fast abschrieb. Daraufhin stellte Artur Brauner seine CCC-Studios für die Innenaufnahmen zur Verfügung und erhielt daher den "Rang" eines Co-Produzenten. Dass mit Rakoff (fast) unmöglich zu arbeiten war, bewahrheitete sich später auch im Falle von "Das Geheimnis der weißen Nonne". Dort "übertrieb" er es dermaßen, dass er geschasst wurde.
"An einem Freitag um halb zwölf" ist ein solider Gangsterfilm.
Eine sehr interessante Aussage. Sind dir noch mehr Hintergrundinfos über "An einem Freitag um halb zwölf..." bekannt? In welcher Höhe lag das Budget etwa?
Zu der damaligen Zeit - versuchte man bei rein deutschen Produktionen immer unter einer Million zu bleiben. Dadurch, dass es eine F/It-Coproduktion war dürfte das Budget zwischen 1,5 und 1,8 Millionen gelegen habe. Das Problem war, dass Constantin im voraus für die Filme eine Garantie bezahlte - hier ca. 750.000 DM - und wenn dann ein Film abgebrochen bzw. die Kosten stiegen war es immer ein finanzielles Roulette-Spiel. Die Dreharbeiten für diesen Film waren von August bis November 1960 - was für die Herstellung eines "Krimis" sehr viel ist. (Selbst bei den engl. und it. Wallace-Filmen war eine Drehzeit von maximal sechs Wochen vorgesehen.) Ich versuche bei Gelegenheit mal Unterlagen inkl. Drehbuch auszugraben. Vielleicht werde ich noch einige Aktenotizen finden.
Zwei unterschiedliche Fälle sind mir in diesem Zusammenhang eingefallen: Einmal ging Arca in Hongkong bei den Dreharbeiten zu "Das Geheimnis der drei Dschunken" da Geld aus. Granger weigerte sich weiterzudrehen. Daraufhin bat Constantin-Chef Waldfried Barthel Wolf C. Hartwig nach Hongkong zu reisen, damit der Film zu Ende gedreht werden konnte. Viel Zeit hatte man nicht da Granger in Jugoslawien für den nächsten Karl May-Film "Der Ölprinz" erwartet wurde. Hartwig rettete den Film und er konnte gestartet werden. Genau umgekehrt ging es mit der Rialto-Produktion "Deutschland, deine Wunder". Der Film wurde im Gloria-Verleih 1961 angekündigt. Bis 1963 hatte man einen Rohschnitt ohne der Rahmenhandlung mit Gert Fröbe. Hier sollte das Budget überzogen werden und Frau Kubaschewski hatte - nach den Reinfällen des Jahre 1961/62 - nicht noch groß Lust weiter Geld in die Produktion zu stecken - und stoppte sie nach Sicht der Rohfassung. Was aus der Rohfassung wurde - wissen nur die Götter....
Also - es war auch damals nicht alles Gold was glänzte. Derzeit beschäftige ich mich intensiv mit den Jahren 1960 - 1965 und stelle immer wieder fest - welche "Untergangsstimmung" damals in der Filmbranche herrschte. Aber das ist ein andere Thema.
Zitat von Joachim KrampÜbrigens ist das indirekte Remake "An einem Freitag in Las Vegas" nicht weniger beeindruckend!
Joachim.
Stimmt, alleine durch den groovenden Soundtrack von Georges Garverantz ein klasse Film ... wie eigentlich alle Streifen, die Regisseur Isasi-Isasimendi (ich kann mir den Namen nie richtig merken ) zu verantworten hat.
Zitat von Gubanov„An einem Freitag um halb zwölf...“ (BRD / FR / IT 1961)
Peter van Eyck gibt einen arroganten Gauner, der sich gern selbst überschätzt (besonders in seiner Wirkung auf Frauen), gegenüber Unbeteiligten jedoch einen äußerst freundlichen Eindruck macht – man denke nur an die Szenen mit der nervigen italienischen Familie. Umso größer war mein Entsetzen, als er in einer darauffolgenden Szene versucht, Nadja Tiller gefügig zu machen.
Da gebe ich dir recht, ich war auch leicht entsetzt. Damit war nicht zu rechnen.
Zitat von GubanovViele Landschaftsaufnahmen und einige spannende Szenen, bei denen man wirklich die Luft anhalten musste (Geldtransportfahrer erkennt Rod Steiger im Seitenspiegel oder die Schlangenszene in den Bergen), machen diesen Film für mich besonders beim ersten Mal sehenswert. Sicher gehört er zu der Kategorie Streifen, die beim ersten Sehen am meisten fesseln können.
Mich hat der Film auch von Anfang bis Ende gefesselt; eine "Störung" hätte ich gar nicht zugelassen. Ein hoher Spannungsbogen mit nicht vorhersehbaren Wicklungen, erwartet den Zuschauer.
Zitat von GubanovAmüsant fand ich die Darstellung des Panzerwagens und die Vorstellung, dass man ihn platzmäßig da verstauen kann, wo man ihn letztenendes verstaute...
Amüsant war diese Darstellung schon , allerdings eine Film-Sequenz, die wirklich unglaubwürdig war.
Beste Unterhaltung und endlich mal wieder ein Krimi, dessen Windungen und Ende nicht sofort durchschaubar sind. Nadja Tiller und Peter van Eyck auf höchstem Niveau.
Danke, Nina, für diese Darlegung. Ich frage mich nur immer bei "solchen" Auflösungen: Warum muss es ausgerechnet ein Kind sein, das das Verbrechen aufklärt? So etwas halte ich weder für "nett" noch für einen "glücklichen Umstand" oder einen Intelligenzbeweis. Für den Zuschauer, der mit den Gangstern mitgefiebert hat, ist es eher ärgerlich.
Mit diesen Auflösungen, vor allem wenn Kinder Im Spiel sind, will man verdeutlichen, dass man im Leben alles kalkulieren kann nur den Zufall nicht. Am deutlichsten und bekanntsten steht hierfür der Film "Die Herren Einbrecher geben sich die Ehre".
Angeregt durch diesen Thread habe ich mir den Film eben mal wieder angesehen. Mir war gar nicht mehr bewusst, dass es sich um eine James-Hadley-Chase-Verfilmung handelt.
Der Film bezieht seine enorme Spannung aus der situationsabhängigen Frage: Klappt's oder klappt's nicht? Schießt der Wachmann nun oder schießt er nicht? Kann Nadja Tiller den Geldwagen nun überholen oder kann sie nicht? Wird Rod Steiger vom Wachmann im Rückspiegel gesehen oder wird er nicht?
Hitchcock hat viele seiner Filme nach dem gleichen Muster inszeniert. Die Resultate sind bekannt. Durch dieses Prinzip wird z.B. jedes Whodunit völlig überflüssig. Hitchcock hat gegenüber Truffaut dazu seitenlang Stellung genommen.
Wer den Film also noch nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen. Selbst nach dem nun bestimmt fünften oder sechsten Ansehen hat er mich voll gepackt!
Hat jemand eine Ahnung, warum der in Anbetracht der Besetzung und bisher hier verfassten Bewertungen hochinteressante Film noch nicht auf DVD erschienen ist?
Wenn man bedenkt, was für Filme des Genres in den letzten Jahren so veröffentlicht wurden, ist das doch sehr verwunderlich! Ungeklärte Rechtslage?