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 Film- und Fernsehklassiker national
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Georg Offline




Beiträge: 3.263

14.08.2012 18:39
#421 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #419
Schlechter hätte ein erster Eindruck nicht ausfallen können. Was Zbynek Brynych in seiner wilden Zeit für die Serie „Der Kommissar“ zusammendrehte, ist nur für eingefleischte Fans auszuhalten.

Schön, dass sich hier auch mal Brynych-Kritiker finden. Ich bin ja - das habe ich auch schon oft genug erwähnt - bei weitem kein Fan dieses Regisseurs, der in meinen Augen viel zu viele Ringelmann-Folgen verhunzt hat und der die Qualität des Kommissars in den vier Jahren sicherte, in denen er nicht in die BRD ausreisen durfte (sonst hätten wir wohl noch mehr Folgen à la "Tod einer Zeugin" gehabt). Die Überdrehtheit gibt es aber nicht überall, wie Gubanov richtig erwähnt, ich nenne als Paradebeispiel die drei sauspannenden 1987er-Derrick Folgen "Auf eigene Faust", "Da läuft eine Riesensache" und vor allem "Das Pyräus-Abenteuer". Hier hat Reinecker schon drei super spannende Bücher vorgelegt, bei denen Brynychs Extravaganz nicht ganz gepasst hätte. Auch zahllose "Polizeiinspektion 1"-Folgen sind gelungen, ich denke da spontan an "Die Herrenkommode", "Der Huchen" oder "Rosenmontag". Demgegenüber stehen aber leider zahllose Psychofolgen, die vor allem beim "Alten" in der finalen Köster-Phase und in den ersten acht Kress-Jahren für "unschaubare" Episoden sorgten, vor allem dann, wenn auch noch Volker Vogeler das Buch schrieb. Die 150. "Der Alte"-Folge "Tod eines Beerdigungsunternehmers" avanciert somit zur absolut absurden Episode, an der ein Eugène Ionesco wahrscheinlich seine helle Freude gehabt hätte.
Nächste Woche treffe ich mich übrigens zum Interview für einen DVD-Bonus mit einem Darsteller, der auch unter Brynychs Regie "Derrick" gedreht hat. Ich werde mit ihm auch darüber reden - sofern er sich erinnert - und seine Eindrücke über diesen Regisseur dann hier im Forum schildern.

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

14.08.2012 19:44
#422 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Georg im Beitrag #421
die drei sauspannenden 1987er-Derrick Folgen "Auf eigene Faust"

"Auf Motivsuche" meinst du wohl.
Zitat von Georg im Beitrag #421
Demgegenüber stehen aber leider zahllose Psychofolgen, die vor allem beim "Alten" in der finalen Köster-Phase ... für "unschaubare" Episoden sorgten, vor allem dann, wenn auch noch Volker Vogeler das Buch schrieb.

"Psychofolgen" - Das habe ich nun schon häufiger in deinen "Anti-Brynych-Tiraden" gelesen. Es wäre wünschenswert, wenn du diesen sehr verallgemeinernden (und eigentlich auch nicht grundsätzlich negativen) Begriff einmal genauer erläutern würdest.

In der, wie du schreibst, "finalen Köster-Phase" hat Brynych mit "Der Sohn" (Folge 97) doch nur eine einzige Episode inszeniert. Sein letzter Einsatz davor lag mit "Tod am Sonntag" (Folge 65) beinahe drei Jahre zurück. Bei Köster hat er sich mit "Sportpalastwalzer" und "Tod am Sonntag" nur zwei laute "Verrücktheiten" geleistet; ansonsten ist festzustellen, dass er dort bevorzugt leisere, melancholische Töne anschlug, etwa in "Der Spieler", "Pensionstod" und ganz besonders gut gelungen in "Der Freund". Episoden wie "Morddrohung" und "Magdalena" kommen überaus seriös daher.

Brynychs "Kommissar"-Debüt "Die Schrecklichen" ist wohl die bizarrste Ringelmann-Produktion überhaupt, dicht gefolgt von "Tod einer Zeugin". Es sind dies Meilensteine des deutschen TV-Krimis, wie Dominik Graf anlässlich seiner "Carte Blanche" anschaulich erläutert.


Aber generell gebe ich dir recht, Georg. Die schrille "Kommissar"-Masche Brynychs hätte sich schnell abgenutzt; die geringe Dosierung von vier Folgen ist gut vertretbar.

Giacco Offline



Beiträge: 2.517

14.08.2012 19:44
#423 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Georg im Beitrag #421
Demgegenüber stehen aber leider zahllose Psychofolgen, die vor allem beim "Alten" in der finalen Köster-Phase und in den ersten acht Kress-Jahren für "unschaubare" Episoden sorgten, vor allem dann, wenn auch noch Volker Vogeler das Buch schrieb.

Du hast es auf den Punkt gebracht. Bei der Kombination Vogeler / Brynych hab ich oft nur ein paar Minuten durchgehalten.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

14.08.2012 23:27
#424 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Marmstorfer im Beitrag #422
Brynychs "Kommissar"-Debüt "Die Schrecklichen" ist wohl die bizarrste Ringelmann-Produktion überhaupt, dicht gefolgt von "Tod einer Zeugin". Es sind dies Meilensteine des deutschen TV-Krimis, wie Dominik Graf anlässlich seiner "Carte Blanche" anschaulich erläutert.

Interessanter Videobeitrag, danke! Dominik Graf sieht seinem Vater Robert wirklich sehr ähnlich. Vorweg: der Name 'Zbyněk Brynych' spricht sich korrekt etwa nach deutscher Rechtschreibung "Sbinjek Brinich" und nicht "Brinitsch", wie es Graf ausspricht. Aber das nur so nebenbei. Meilensteine des deutschen TV-Krimis sind für mich allerdings ganz andere Produktionen und nicht die Psychofolge (ich gehe darauf gleich ein) "Tod einer Zeugin".
Mit Psychofolgen bezeichne ich solche Episoden, die ein bißchen "psychopathisch" (d. h. skurril, absurd, seltsam, ja unsympathisch) inszeniert sind und die ebensolche Charaktere aufweisen. Das trifft leider auf sehr viele Vogeler/Brynych-Folgen zu. Vogeler schuf häufig unsympathische (und leider immer wieder die gleichen) Charaktere, die besonders "gut" (bzw. eben seltsam...) in Szene gesetzt wurden, wenn der Tscheche auf dem Regiestuhl saß. Ich kann es nicht genau beschreiben, solche Sachen muss man sehen, um zu kapieren, was gemeint ist. Dazu zählt eben auch "Der Sohn" aus der finalen Köster-Phase (so muss es richtig formuliert lauten) und ganz ganz viele Geschichten aus der Kress-Zeit.
Zitat von Marmstorfer im Beitrag #422
"Auf Motivsuche" meinst du wohl.

Ja, natürlich, das war die Episode Auf Motivsuche. Auf eigene Faust war aber auch von Brynych ;-).
Zitat von Marmstorfer im Beitrag #422
Anti-Brynych-Tiraden

Wenn Du genau liest, dann schreibe ich auch, dass es auch Episoden gab, bei denen mir seine Inszenierung durchaus lag und dazu zählt auch z. B. die von Dir genannte Magdalena (hier allerdings kam das Buch von Detlef Müller zu Gute) oder Pensionstod (tolles Buch von Bruno Hampel). Brynych konnte sich schon auch zurück halten und gegen diese Folgen habe ich nichts einzuwenden. Er schien sich immer dann auszutoben, wenn er ein schwächeres Buch hatte (bei Vogeler wohl sehr häufig, bei Müller/ Hampel/ Reinecker seltener). Man könnte mal überprüfen, ob er in den Filmen, wo er übertreibt, durch diese Exzesse von Schwächen in der Geschichte ablenken will.

Schließlich: ich will ja niemanden die Freude an den Brynych-Episoden nehmen, ist ja schön, wenn Geschmäcker unterschiedlich sind. Ringelmann z.B. muss seine Art auch gefallen haben, sonst hätte er ihn nicht so oft geholt. Es ist nur mal interessant zu lesen, das mit Gubanov und Percy Lister hier auch mal zwei Vertreter der Gegenseite sind, die das nicht so toll fanden.

Chinesische Nelke Offline



Beiträge: 136

14.08.2012 23:55
#425 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Ich hätte diesen Beitrag auf im Kommissar-Thread posten können, es geht aber eigentlich um Zbyněk Brynych:

Als der Kommissar 1969 startete war ich gerade 4 Jahre alt, ab etwa 1974 habe ich die eine oder andere Folge gesehen und war total fasziniert. Leider war bis 1975 noch jeden Samstag Schule, das waren es sicherlich nur wenige Folgen in den Ferien. Ab 1978 wurden die Folgen dann im ZDF nach dem aktuellen Sportstudio wiederholt, ich glaube aber nicht komplett, denn an keine der 4 Zbyněk-Brynych-Folgen kann ich mich erinnern.
Diese Wiederholungen liefen bis 1983, dann gab es eine Pause bis 1988, ab Januar 1988 brachte 3-Sat die Folgen, allerdings nur 80 der 97. Nach welchen Gesichtspunkten diese 80 Folgen ausgewählt wurden, weiß ich nicht, sicher bin ich mir aber dass die 4 Brynychs ab 1988 nicht komplett vertreten waren, "Die Schrecklichen" habe ich jedenfalls das erste Mal 1992 gesehen und war irritiert.

Heute sehe ich die 4 Folgen als Farbtupfer in der Serie, die man gerne wieder anschaut und die sich besonders einprägen.

Beim Alten ist das anders, "Der Spieler" von 1978 ist noch sehenswert (vor allem wegen Bernd Herzsprung der genauso gut ist wie in "Der Kanal"), die Kombination Kress / Brynych habe ich aber noch nie ein zweites Mal angeschaut.

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

15.08.2012 00:32
#426 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Danke dir, @Georg, für deine Erläuterungen. Das mit den unterschiedlichen Geschmäckern sehe ich genauso. Auch als jemand, der Brynych generell schätzt, haut mich dennoch nicht jeder von ihm inszenierte Krimi vom sprichwörtlichen Hocker. Ich habe nochmal nachgeschaut: Es gibt sogar Brynych-Derricks, die Gubanov, bzw. Percy Lister besser bewertet haben als ich.

Gut, dass du auch nochmal auf die korrekte Aussprache des Namens "Brynych" hingewiesen hast. Ich war ob der Artikulation Dominik Grafs schon leicht verunsichert.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

15.08.2012 20:12
#427 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Eine ganz alte Geschichte" (Folge 82)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Mathieu Carriere, Herbert Fleischmann, Elisabeth Wiedemann, Sascha Hehn, Verena Peter, Gisela Fischer, Hans Dieter Asner, Willy Schäfer - Regie: Zbynek Brynych

Der Berliner Juwelier Arne Reuter entschloss sich im August 1946 mit einem Vertrauensmann von der russischen Besatzungszone in den amerikanischen Sektor zu fliehen. Er nutzte dabei die sogenannte grüne Grenze und wurde in einem Waldstück bei Bebra von Wegelagerern erschlagen und ausgeraubt. Dabei sollen auch Brillanten von unschätzbarem Wert verschwunden sein. Alfred Answald, der mit dem Schrecken davonkam, brachte es später zu großem Wohlstand und verdrängte die Erinnerung an dieses Ereignis. Vierunddreißig Jahre danach steht plötzlich Arne Reuters Neffe Arne vor Answalds Tür und beschuldigt ihn, der Mörder seines Onkels zu sein....

Der ungewöhnliche Auftakt dieser Folge spricht für die Fähigkeit Reineckers, das Publikum immer wieder von neuem zu überraschen. Hatte man ab und zu das Gefühl, nun seien bereits alle Themen mehrmals und in mannigfaltiger Weise abgehandelt worden, so zeigt "Eine ganz alte Geschichte", dass der Autor noch einige Trümpfe im Ärmel hat und er sich genauso verhält wie seine Figur Arne Reuter: er betreibt eine Verzögerungstaktik, indem er sie erst nach und nach ausspielt.
Was Oberinsepktor Derrick in Rage bringt, sorgt beim Zuseher für frischen Wind. Der Rückgriff auf die Zeit kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs sorgt eigentlich immer für ein gutes Drehbuch. So geschehen in "Stahlnetz: Das Haus an der Stör" oder "Das Kriminalmuseum: Der Füllfederhalter".
Mathieu Carriere, für forderndes und rücksichtsloses Auftreten bekannt, kniet sich in die Rolle des Rächers. Wir wissen sofort, dass er nicht locker lassen und den Anweisungen des Kriminalbeamten nicht nachkommen wird. Er hat sich in die Aufgabe verbissen, den Teppich zu heben, unter den der Dreck der Vergangenheit gekehrt wurde. Er will den Schmutz darunter ans Licht zerren und ihn den Schuldigen ins Gesicht blasen. Herbert Fleischmann, der innerhalb seiner Familie als Wegbereiter des materiellen Wohlstands geschätzt und geachtet wird -für die schönen Künste ist die zweite Generation zuständig- verliert nach und nach zuerst seine Selbstsicherheit und dann seine Selbstachtung. Am Ende fleht er eine ihm unbekannte Frau am Telefon an, für ihn zu lügen.
Stephan Derrick wird in dieser Folge umständehalber gezwungen, immer einen Schritt hinter dem Ankläger Reuter zu gehen und dies gefällt ihm ganz und gar nicht. Allerdings hat er so viel menschliche Größe, um sich nicht persönlich gekränkt zu fühlen, sondern nur den Verstoß gegen geltende Vorschriften anzuprangern. Die Polizei muss dafür sorgen, dass die Ordnung eingehalten wird, das Unrecht aus der Welt schaffen kann sie nicht.
Abgesehen von Carriere (dem die Lockenfrisur wohl ein verwegenes Äußeres verleihen sollte) begegnen wir einem für Brynych-Verhältnisse konservativen, ja seriösen Cast. Ein Wiedersehen gibt es mit Gisela Fischer, die in "Der zerrissene Vorhang" (1965/66, Regie: Alfred Hitchcock) als Dr. Koska mit Paul Newman tanzte und in "Der Papierblumenmörder" (1969, Regie: Zbynek Brynych) als Diplom-Psychologin Seifert Kommissar Keller Paroli bot.
Die letzten Minuten warten dann doch noch mit einer Überraschung auf und schließen den Kreis zu einer nach dem Krieg beliebten Methode, sich Anschuldigungen zu entziehen: im Vordergrund des Schreibtischs sieht man deutlich den Glasbehälter mit den Zyankalikapseln.
Eine starke Folge, die zeigt, dass die Reihe noch lange nicht am Ende ist und sich auch ein extrovertierter Regisseur wie Brynych auf die leisen Zwischentöne versteht.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.08.2012 15:50
#428 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Die Schwester

Episode 83 der TV-Kriminalserie, BRD 1981. Regie: Helmuth Ashley. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Jutta Speidel (Doris Menke), Mathias Ponnier (Bruno Kieler), Ruth Drexel (Frau Kieler), Peter von Strombeck (Alex Stomann), Rudolf Wessely (der alte Lehrer), Anita Höfer (Tochter von Doris Menke), Anton Feichtner, Willy Röbke u.a. Erstsendung: 1. Mai 1981, ZDF.

Zitat von Derrick: Die Schwester
Nächtlicher Einbruch in die Hüttenrauch AG. Ein Wachmann ist tot. Derrick und Harry werden an den Tatort gerufen. Weil sie gerade in der Nähe waren, befinden sich die Einbrecher noch im Haus. Drei Mann sind es, von denen Harry einen in der Tiefgarage der Firma aus Notwehr erschießt. Die anderen flüchten – es entwickelt sich eine rasante Verfolgungsjagd. Das Ende der Hatz ist ein Haus am Bahndamm. Dort wohnt Doris Menke. Harry, von einem der Täter verletzt, lässt sich von ihr verarzten, ohne zu wissen, dass es sich um die Schwester des Toten handelt.


Die Action, die die ersten Minuten von „Die Schwester“ vorlegen, ist man von Helmuth Ashley in der Serie gar nicht gewohnt. Typischer für ihn geraten die sich an die Verfolgungsjagd anschließenden Szenen, die gegenüber dem hochspannenden Auftakt allerdings deutlich abfallen.

Firmensitze im Halbdunkel. Einbrecher, Verbrecher, Mörder, die sich hinter jeder Tür verstecken könnten. Der Wachmann in Lebensgefahr. Dieses Szenario verfehlt nie einen gewissen Reiz, der bereits die Folgen „Kein schöner Sonntag“ und „Zeuge Yurowski“ merklich zu ihren Gunsten bestimmte. Auch „Die Schwester“ profitiert von dem düsteren Setting und dem Suspense, den die Aufnahmen auf den Fernsehschirm zaubern. Derrick und Harry sind dieses Mal ungewöhnlich schnell zur Stelle und damit persönlich in die verzwickte Situation verwickelt. Es scheint sich diesbezüglich langsam als running gag zu etablieren, die beiden auf dem Heimweg zu zeigen und ihnen den Feierabend durch einen neuen Fall zu verhageln. Derrick und Klein sind immer bereit, für Recht und Ordnung zu sorgen, sagen die einen. Derrick hat kein Privatleben, behaupten die anderen.

Für Harry Klein gilt das nicht. Wann immer er im Mittelpunkt einer Folge steht, taucht auch eine hübsche junge Frau auf, die ihn spielend leicht um den Finger wickelt. „Kaffee mit Beate“ sah ihn in einer Beinahe-Beziehung mit der in Lebensgefahr schwebenden Nymphomanin, und „Die Schwester“ ersetzt Helga Anders einfach durch Jutta Speidel. Speidels Doris Menke ist dabei zwar ein ganz anderer Typ als Beate Schill, erfüllt aber für die Handlung eine ebenfalls nur unselbstständige Aufgabe. Während Beate als lebender macguffin durch die Szenerie marschiert, begnügt sich Doris mit einer passiven Bindegliedfunktion, die die eigentlichen Verbrecher entgegen des eigenen Gefühlslebens mit polizeilichen Informationen versorgen soll. Entsprechend hölzern gerät Speidel, einer eigentlich selbst zugreifenden und patenten Frau, das abverlangte Porträt.

Überhaupt scheint Harry der einzige zu sein, der emotional angemessen involviert ist. Ruth Drexel als Mutter weint zwar auch bittere Tränen um ihren toten Sohn, bleibt aber eine zu vernachlässigende Randerscheinung. Die beiden anderen Beteiligten (eher trocken: Mathias Ponnier und Peter von Strombeck) nehmen den Todesfall gar nicht recht zur Kenntnis und Derrick hat natürlich gleich die richtigen Worte für seinen Junior-Kollegen parat.

Der gefühlvolle Tiefgang, der „Die Schwester“ zu einem Highlight hätte machen können, geht den Darstellern Speidel, Ponnier und Strombeck – letzterer erinnert immerhin optisch an Benedict Cumberbatch – fast vollständig ab. So bleibt es bei einem Drama mit Längen, das nicht nur durch den starken Abfall zwischen Anfang und Mittelteil enttäuscht, sondern auch durch eine unglaubwürdige Ermittlungsarbeit der Polizei. 3 von 5 Punkten.

Blap Offline




Beiträge: 1.128

19.08.2012 12:43
#429 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 9 (Folgen 121-135)

Folge 131 - Lange Nacht für Derrick (Deutschland 1985)

Nervenkrieg

Rechtsanwalt Dr. Bomann (Klaus Schwarzkopf) hat die Verteidigung des eiskalten Raubmörders Rotter (Wilfried Baasner) übernommen, der bisherige Verhandlungsverlauf und die eindeutige Beweislage deuten auf eine lange Haftstrafe hin. Bomann bereitet der Fall arge Bauchschmerzen, die Kaltblütigkeit seines Mandaten verstört den Advokat. Irgendwann ruft Frau Bomann (Annemarie Düringer) besorgt die Kanzlei ihres Mannes an, Tochter Roberta (Marion Kracht) ist ohne eine Nachricht zu hinterlassen aus dem Haus verschwunden. Zunächst hält der Anwalt die Ängst seiner Gattin für unbegründet, wenig später geht jedoch der erste Anruf eines Entführers ein. Auch Rechtsanwalt Strobel (Christian Kohlund) ist entsetzt, Bomanns Kollege ist mit Roberta liiert. Noch zögert Dr. Bomann damit die Polizei zu informieren, zu massiv haben die einschüchternden Worte des unbekannten Anrufes ihre Spuren hinterlassen. Elvira Bomann setzt sich durch, endlich informieren die Eheleute den ihnen persönlich bekannten Oberinspektor Derrick. Weitere Anrufe verschaffen Klarheit über die Absichten des Entführers, Bomann soll eine geladene Pistole ins Gericht schmuggeln und Rotter übergeben! Eine lange Nacht akribischer Ermittlungen nimmt ihren Lauf, jede kleine Spur muss verfolgt und ausgewertet werden...

Klaus Schwarzkopf steht als Anwalt Bomann bereits vor der Entführung seiner Tochter unter Druck, droht unter der Sorge um seinen Nachwuchs zu zerbrechen. Eine starke Leistung, Schwarkopf bringt die "Menschlichkeit" des Juristen überzeugend rüber. Annemarie Düringer mutet zunächst wie die stärkere Hälfte des Ehepaares an, Elvira Bomann verfällt allerdings unter dem Terror aus Angst und Ungewissheit zunehmend. Christian Kohlund verstärkt die Sorge um das Entführungsopfer, hier sind nur die Eltern in Panik, hier ringt auch der Liebhaber um Fassung. Marika Adam und Marika Adam kommen als treue Buröhelferlein der Anwälte ins Spiel, doch sind die Mitarbeiter tatsächlich zuverlässig und loyal? Marion Kracht kann zu Beginn der Folge ein braves und fröhliches Töchterlein zeichnen, Wilfried Baasner genügen wenige Momente zum Entwurf des absolut bösartigen Ganoven. Eva-Maria Bayerwaltes poltert als Ex-Frau des Angeklagten durch das Szenario, ihr rheinischer Dialekt bohrt sich schmerzhaft in die Ohren des Zuschauers. In diesem überwiegend ernsthaften Rahmen eine fast grotesk anmutende Vorstellung, die Intention des Autors und/oder Regisseurs ist mir nicht klar. Auflockerung? Zufall?

"Lange Nacht für Derrick" macht es dem Betrachter leicht Zuneigung zu verteilen. Anwalt Bomann ist das Gegenstück zum Klischee vom abgebrühten Rechtsverdreher, führt offensichtlich seine sehr harmonische Ehe und versteht sich prächtig mit seiner Tochter. Eine Vorzeigefamilie in den Krallen teuflischer Bestien. Da kann nur noch Derrick helfen, der umgehend alle nötigen Mitarbeiter für den nächtlichen Einsatz mobilisiert und auf Kurs bringt. Sogar der Kriminaldirektor schaut kurz rein, verabschiedet sich dann aber wieder in die Federn. Klar, wäre er ein fähiger Ermittler, hätte man ihn nicht zum Chef gemacht, grins. Regisseur Dietrich Haugk kann auf ein starkes Ensemble und ein nicht minder packendes Drehbuch bauen. Geschickt wird an der Schraube gedreht, alle Beteiligten haben zunehmend Mühe die Kontrolle nicht zu verlieren. Horst Tappert zeigt uns einen Derrick unter Druck, sogar am Ermittler aller Ermittler geht der Druck nicht spurlos vorbei. Freilich lässt sich Fritz Wepper nicht lumpen, auf Harry Klein ist Verlass. Hermann Thieme unterfüttert mit seiner simplen aber effektiven Musik sehr gut die vorherrschende Stimmung, legt lockere Töne über den Abspann, lässt damit den Zuschauer wieder zur Ruhe kommen. Vielleicht ist die heile der Welt der Anwaltsfamilie eine Spur zu dick aufgetragen. Bedenkt man die überschaubare Spieldauer des TV-Krimis, scheint mir diese Überhöhung fraglos sinnvoll und angemessen. Eine starker und kurzweiliger Beitrag zum Derrick-Kosmos!

7,5/10 (gut bis sehr gut)

***

Vom Ursprung her verdorben

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

19.08.2012 13:48
#430 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Die Schwester" (Folge 83)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Jutta Speidel, Peter von Strombeck, Mathias Ponnier, Ruth Drexel, Rudolf Wessely, Willy Schäfer u.a. - Regie: Helmuth Ashley

Beim nächtlichen Einbruch in die Büroräume einer Firma wird der Pförtner erschossen. Oberinspektor Derrick und sein Kollege Harry Klein sind gerade in der Nähe und deshalb gleich am Tatort, wo sie die Verfolgung der drei Flüchtenden aufnehmen. Als einer der maskierten Gangster auf Derrick zielt, schießt Klein auf ihn - der junge Mann erliegt kurze Zeit später seinen Verletzungen. Den einzigen Trost in dieser Situation stellt Doris Menke dar, eine Frau, die Harrys Wunde erstversorgt. Leider weiß der Kriminalbeamte nicht, dass sie die Schwester des Erschossenen ist und ihr zweiter Bruder das Todesurteil über ihn fällt....

In dieser Episode steht Harry Klein im Mittelpunkt, ist er doch ein Augenzeuge und kann Angaben zu einem der Verbrecher machen - und natürlich belastet ihn, dass er seine Waffe im Dienst gebrauchen musste, um damit eine bedrohliche Situation zu entschärfen und dabei einen Unbekannten zu töten.

Horst Tappert schreibt in seinem Buch "Derrick und ich - Meine zwei Leben" (Wilhelm Heyne Verlag) folgendes über seinen jüngeren Kollegen:
"Es konnte nicht ausbleiben, das Fritz nach einer Weile mit seiner Rolle unzufrieden wurde. Wäre mir an seiner Stelle auch so gegangen. Sein Aufgabenbereich erstreckte sich allen Gerüchten zum Trotz zwar weit über das Wagenvorfahren hinaus, doch nur selten gestattete ihm das Drehbuch, wenigstens auf den ersten Blick, aus dem Schatten in den Vordergrund zu treten. [...] Wenn Fritz wieder einmal schlechter Stimmung war, weil er im Drehbuch zu wenig zu sagen hatte oder die Rolle ihm aus anderen Gründen nicht passte, habe ich manchmal versucht auf ihn einzuwirken: "Schau doch nicht darauf, wieviel du zu sprechen hast. Nimm innerlich Stellung, dann rückst du nach vorn." (S.191-194)

Wie Gubanov bereits ausführte, werden Fälle, die Harry Klein trägt, immer am weiblichen Geschlecht aufgemacht. Zunächst sind es meistens Sympathie, Dankbarkeit oder ein Beschützerinstinkt, die den Kriminalbeamten für die Frau einnehmen, dann gesellt sich berufliches Interesse dazu und am Ende steht nicht selten Enttäuschung oder Verzweiflung. So war es bereits innerhalb der Reihe "Der Kommissar", wo Harry Mitleid mit jungen Fixerinnen oder Mädchen am Rande der Gesellschaft hatte.
Jutta Speidel spielt eine Frau, die mit beiden Beinen auf der Erde steht, geschieden, alleinerziehend und in einer Großküche am Flughafen Riem tätig. Allüren und Kokettieren sind ihr fremd und der Ausflug, den sie mit Klein und ihrer Tochter unternimmt, geschieht nicht aus Berechnung, sondern weil es sich so ergibt. Sie bleibt passiv, während Klein sich in eine heile Scheinwelt flüchtet, während er seinen Büroalltag ausklammert, bei Verhören nicht dabei ist und in Gesprächen mit seinem Vorgesetzten Bestätigung sucht. Wieder einmal staunt man über das gute Verhältnis der beiden Männer. Harry ruft Derrick mitten in der Nacht an und Derrick wiederum besucht Klein um 2 Uhr nachts. Wer wünschte sich nicht so einen Freund; einen Menschen, der immer ansprechbar ist? Es ist diese Komponente der Figur Derrick, die dem Publikum nachhaltig in Erinnerung bleibt: sein aufrichtiger Einsatz für die Belange von Menschen, die Hilfe brauchen.

"Derricks Blick ist der eines in sich ruhenden Menschen, und er sagt: Meine Aufmerksamkeit gehört ganz Ihnen, bitte schenken Sie mir auch die Ihre. Es ist auch ein offener, ehrlicher Blick, der signalisiert: Ich bin unvoreingenommen, ohne Vorurteile, ich möchte einfach nur sehen, wer Sie sind." (siehe oben, S. 170)

Der Einstieg in die Folge ist zwar temporeich, kommt aber nicht an andere Episoden nach gleichem Strickmuster heran. Vielleicht liegt dies an den beiden männlichen Darstellern Ponnier und von Strombeck, vielleicht an der Beiläufigkeit, mit der uns die beiden Leichen präsentiert werden. Der Fall bleibt fade und der Kern der Geschichte schwächt die Episode, anstatt sie zu stärken. Sicher, Harry bekommt endlich eine größere Plattform, aber da sehe ich ihn zehnmal lieber in "Kaffee mit Beate" an der Seite der empfindsamen Helga Anders. Jutta Speidel ist in mehrfacher Hinsicht "die Schwester": sie pflegt den Verletzten wie eine Krankenschwester, trauert als leibliche Schwester um Harald Kieler und steht ihrem Bruder Bruno skeptisch gegenüber. Für Harry ist sie wie eine große Schwester, weshalb auch keine Liebesromanze angedeutet wird. Ein Knistern darf es zwar zwischen Beate Schill und ihm geben, niemals jedoch zwischen ihm und Doris Menke. Das Schlussbild steht symbolisch für die Bekanntschaft: kein Anschluss mehr, die Verbindung ist blockiert und Harry kann Doris nicht mehr erreichen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

19.08.2012 15:01
#431 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

BEWERTET: "Tod eines Italieners" (Folge 84)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Karin Baal, Gerlinde Doeberl, Klaus Herm, Edwin Marian, Peter Bertram, Sigfrit Steiner, Werner Asam, Karl Walter Diess u.a. - Regie: Helmuth Ashley

Derrick und Klein nehmen sich endlich Zeit für ein gemeinsames Abendessen und lassen sich im italienischen Restaurant der Familie Forlani Spaghetti und Rotwein munden. Sie ahnen allerdings nicht, dass der Wirt des Lokals von der Mafia um Schutzgelder erpresst wird und bei einem Treffen tödlich verletzt wird. Die Schwägerin des Mannes setzt sich über die Bitte ihrer Schwester um Stillschweigen hinweg und vertraut sich der Kriminalpolizei an. Es dauert nicht lange, bis neue Drohungen gegen die Familie und deren Angestellte ausgesprochen werden....

"Die italienische Mafia ist auch in Deutschland sehr aktiv. Die Mafiosi investieren in Restaurants und Immobilien, organisieren den Handel mit Waffen und Drogen, und sie mischen sogar im Baugewerbe mit, wo sie Staat und Sozialkassen um Millionen betrügen. [...] Die Mafia hat sich ein scheinbares legales Umfeld geschaffen - und ein perfektes System, um die kriminellen Gewinne aus der Heimat in Deutschland reinzuwaschen. [...] Die deutsche Polizei hat kaum die Mittel, den verschworenen Clans mit ihrem Schweigegelübde Straftaten nachzuweisen." (aus: "PM Perspektive" Geheimbünde Heft 2/2008, Die Mafia als Exportartikel, S. 90-97)

Es ist bezeichnend, wenn Folge 84 als erste innerhalb der "Derrick"-Serie mit dem Nachsatz "Die Handlung und sämtliche Personen des Films sind frei erfunden etc." versehen wird, um sich ähnliche Unannehmlichkeiten zu ersparen wie im Jahr 1974, als "Das goldene Pflaster" aus der Reihe "Der Kommissar" nach Protesten der türkischen Botschaft gesperrt wurde. Als ob es einem Land zur Ehre gereichen würde, wenn vorhandene Missstände unter den Teppich gekehrt und verschwiegen werden. Menschenhandel ist nun einmal genauso eine Variante der organisierten Kriminalität wie es das Erpressen von Schutzgeldern ist.
Harry Klein hat sich von den Nebenwirkungen seines letzten Falls offenbar gut erholt und ein Auge auf die aparte Ursula geworfen, die abends im Lokal ihrer Schwester aushilft. Mit Gerlinde Doeberl und Karin Baal begegnen wir zwei starken Frauen, deren Handeln jeweils von ihrer persönlichen Situation bestimmt wird. Gerlinde Doeberl hat als Sekretärin den nötigen Abstand zum Restaurantbetrieb, während Karin Baal als Witwe mit zwei minderjährigen Kindern vor allem Angst um die Gesundheit ihrer Familie hat. Derrick, der richtig erkennt, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, benötigt deshalb vor allem die Hinweise der Kellner, wobei sich Klaus Herm als mutig und unbeugsam erweist; seine Aussage führt letztendlich zum Hintermann, der von Karl Walter Diess mit südländischer Barttracht routiniert gegeben wird.
Dem Kriminalermittler ist allerdings klar, dass er weder die Schläger, noch deren Auftraggeber fassen kann und die Profiteure der Organisation schon erst gar nicht.
So zeichnet "Tod eines Italieners" vor allem ein Porträt der Angst, der Einschüchterung und der Art, wie Menschen damit umgehen. Seien es nun der aufgesetzt agierende Peter Bertram als Kellner Luigi oder der verzweifelte Edwin Marian, dessen Sorge aus Erfahrung spricht.
Der Einblick in die Parallelwelten unserer Gesellschaft verunsichert das Publikum, tut sich da doch eine Welt auf, die ihm fremd ist und in der selbst ein zuverlässiger Kriminalbeamter wie Oberinspektor Derrick nichts ausrichten kann.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

19.08.2012 15:44
#432 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister im Beitrag #431
Es ist bezeichnend, wenn Folge 84 als erste innerhalb der "Derrick"-Serie mit dem Nachsatz "Die Handlung und sämtliche Personen des Films sind frei erfunden etc." versehen wird, um sich ähnliche Unannehmlichkeiten zu ersparen wie im Jahr 1974, als "Das goldene Pflaster" aus der Reihe "Der Kommissar" nach Protesten der türkischen Botschaft gesperrt wurde.

Stimmt nicht ganz, in der frühen Phase stand dieser Satz auch schon einige Male, z. B. bei Zeichen der Gewalt. Dennoch bin ich ganz bei Dir, er wurde nicht umsonst eingeblendet, zumal die Ereignisse sicherlich auch in Realität so oder so ähnlich vorkamen. Eine nicht uninteressante Folge.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

21.08.2012 21:59
#433 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Derrick
Folge 163: Auf Motivsuche
Buch: Herbert Reinecker | Regie: Zbyněk Brynych | Erstsendung ZDF: 22. April 1988

Inhalt: Erich Karau ist Szenenbildner bei einer Münchner Filmproduktion. Für einen Kriminalfilm sucht er ein geeignetes Motiv in der Nähe des Münchner Ostbahnhofes und wird auch fündig. Voller Freude ruft er die Produktionssekretärin an und teilt ihr mit, dass das Motiv gefunden sei. Dann fehlt jede Spur von ihm. Erst am nächsten Tag taucht er im Produktionsbüro auf, total verstört, und streitet ab, ein Motiv gefunden zu haben. Daraufhin meldet er sich krank. Da man recht bald einen geeigneten Drehort benötigt, macht sich Aufnahmeleiter Willy Laufen auf die Suche nach Karaus Motiv. Er wird tatsächlich fündig. Wenig später findet man ihn erschossen auf Bahngleisen auf. Oberinspektor Derrick weiß: Tatort ist nicht Fundort. Er verhört Karau, der ihm nach und nach eine unglaubliche Geschichte erzählt. Die Spur führt ins Geldfälschermilieu...

Darsteller: Horst Tappert (Stephan Derrick), Fritz Wepper (Harry Klein), Willy Schäfer (Berger), Will Danin (Erich Karau), Beate Finckh (Karla Wege), Rudolf Wessely (Herr Wege), Pierre Franckh (Willy Laufen), Ute Christensen (Arlene Kessler), Peter von Strombeck (Rausch), Nicolas Lansky (Heine), Julio Pinheiro (Martinez), Peter Rotter (Ganove), Werner Schulenberg (Pensionsinhaber), Eva Röder (Produktionssekretärin), Erich Schleyer (Regisseur), Woldemar Bock

Ich habe den Regisseur Zbyněk Brynych hier im Forum oft genug ob seiner verrückten Inszenierungen gescholten, wenngleich ich auch immer wieder hervorgehoben habe, dass dieser Mann durchaus in der Lage war, wirklich gelungene und spannende Folgen der Ringelmannschen Produktionen abzuliefern. Eine derartige Episode ist Auf Motivsuche, die - man wird sich wundern - mit den beiden anderen Brynych-Episoden aus dem Produktionsjahr 1987 - unter den Top 10 meiner Lieblings-Derrick-Folgen kursiert. Warum? Weil sich der tschechische Regisseur hier (ausnahmsweise?) darauf konzentriert hat, einen Krimi zu drehen, Spannung zu erzeugen, die Geschichte rundum flott zu inszenieren und auf skurrile Kameraschwenks, Personen, die plötzlich in sinnloses Gelächter ausbrechen oder einen Non-Stop-Radiohit bis zum Erbrechen verzichtet hat. Brynych konzentriert sich ganz darauf, die Schauspieler zu führen und eine tolle Krimiatmosphäre zu schaffen.
Wer gute Krimis mag, bekommt in dieser Folge alles geboten, was man will: einen unheimlich spannenden Auftakt, mysteriöse Begleitumstände, einen Mord und Rückblenden, die erst später das erzählen, was bereits am Anfang erzählt für Langeweile gesorgt hätte. Und es gibt sogar eine kleine Liebesgeschichte. Dank der handwerklich perfekten Kameraarbeit von Franz-Xaver Lederle ist auch die düstere, dem Geschehen entgegenkommende Bildgestaltung gelungen (es gibt auch nur zwei langsame, sinnvolle Zooms!).
Stephan Derrick erleben wir hier mal ganz anders. Nicht nur, dass er sich auch im Geldfälschermilieu auszukennen scheint und sofort falsche von echten Dollarnoten unterscheiden kann, nein, er begibt sich selbst mehrfach ins Schussfeld und schießt sogar mehrfach den Bösewichten hinterher. Harrys Mantel wird gar von einer Kugel gestreift. Beide Ermittler scheuen sich nicht, sich mit ihrer lahmen Dienstpistole drei perfiden Gangstern entgegenzustellen, die aus einer Maschinenpistole einfach darauf los feuern. Action, wilde Verfolgungsjagden und Schießereien bei Derrick! Das funktionierte auch - und Brynych setzt das tadellos um.
Bemerkenswert ist auch die Musik von Frank Duval, der für die Episode wieder mal einen eigenen Song komponiert hat, hier aber auch den umso bemerkenswerteren Ohrwurm "Face to the Wind" einsetzt, den er als Titelmusik für den Reinecker/Weidenmann/Ringelmann-Dreiteiler Wer erschoß Boro? ablieferte.
Die Besetzung ist ebenso gut ausgewählt: Will Danin als zerrissener Filmausstatter ist eine gute Wahl ebenso wie Beate Finckh. Rudolf Wessely (er sieht aber auch immer gleich alt aus!) gibt den wirklichkeitsfernen alten Mann, dessen Kunst für Geldfälscherzwecke skrupellos ausgenutzt wird und Pierre Franckh ist in einer seiner zahllosen Rollen bei Ringelmann zu sehen. Auch die Nebenrollen sind ideal besetzt, Werner Schulenberg taucht als tuntiger Absteigenbetreiber auf und Erich Schleyer spielt einen exzentrischen, philosophisch angehauchten Regisseur.
Fazit: Auf Motivsuche ist eindeutig eine Derrick-Folge aus der Oberliga, die temporeich inszeniert ist und an der selbst der härteste Zbyněk-Brynych-Kritiker nichts zu bemängeln finden wird.

Chinesische Nelke Offline



Beiträge: 136

21.08.2012 22:47
#434 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Ich habe die Folge nur einmal gesehen, das war bei der Erstausstrahlung im April 1988 und habe sie immer noch in guter Erinnerung, insbesondere den Anfang und die Darstellung von Will Danin.

Schade, dass man Werner Schulenburg und Ute Christiansen nach 1988 nur ganz selten besetzt hat, weiß jemand was aus den beiden geworden ist?

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

24.08.2012 10:41
#435 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Marmstorfer im Beitrag #411
Sehr schön. Aber dieser Sketch aus RTL Samstag Nacht bleibt mein Favorit unter den Derrick-Parodien: [...]

Für Freunde der Derrick-Parodien empfehle ich die Neuvertonungen der ZDF-lachbar. Die ersten Folgen hatten noch ein relativ mieses Echo, weil Stephan und Harry als schwules Paar dargestellt wurden, aber danach ging man dazu über, aktuelle Ereignisse aus dem Tagesgeschehen auf die Schippe zu nehmen, was teilweise sehr amüsant war.

Die gesamte Playlist: http://www.youtube.com/playlist?list=PL681184AA960F9459

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