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Dieses Thema hat 977 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.12.2011 20:51
#226 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Bewertet: "Hals in der Schlinge" (Folge 31)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Helga Anders, Herbert Fleischmann, Günter Strack, Willi Kowalj, Carola Höhn, Christine Kaufmann, Ulrich Beiger, Benno Hoffmann, Günther Stoll, Hans Baur u.a. - Regie: Alfred Vohrer

Die Geschwister Heli und Ingo kommen spätabends nach Hause und wundern sich, dass ihr Vater nicht in seinem Zimmer ist, obwohl sein Aktenkoffer im Flur steht und die Haustür nicht verschlossen ist. Nachdem sie im ganzen Haus gesucht haben, finden sie ihn erhängt auf dem Dachboden. Heli glaubt nicht an Selbstmord und bittet Oberinspektor Derrick, die Ermittlungen aufzunehmen. Der Prokurist ihres Vaters macht sich durch eine Falschaussage verdächtig und da gibt es auch noch einen Geschäftspartner, der es plötzlich sehr eilig hat, ein Grundstück der Firma zu erwerben....
Alfred Vohrer zeigt einmal mehr, was bereits seinen Edgar-Wallace-Filmen Spannung verliehen hat: unheimliche Schauplätze, ausdrucksvolle Charaktergesichter und eine sich zuspitzende Handlung. Helga Anders ist die treibende Kraft bei Derricks Untersuchungen. Ihre kraftvolle Präsenz zeigt sich in all ihren Szenen und sie zeichnet das Porträt einer starken Frau, die fest an ihre Überzeugung glaubt und deren Gespür weitaus ausgeprägter ist als das ihres leicht zu blendenden Bruders. Sie ist die Lichtgestalt der Folge, ohne dies durch "soft skills" betonen zu müssen und lässt die dicken Männer ganz schön alt aussehen.
Helga Anders ist die unbequeme Frau, die Sachverhalte in Frage stellt, während ihr Bruder zwar keineswegs qualifizierter für die Firmennachfolge ist, aber aufgrund seiner Anpassungsfähigkeit (ich schreibe hier absichtlich nicht: aufgrund seines Geschlechts!) wie selbstverständlich als neuer Leiter des Werks eingesetzt wird.
Herbert Fleischmann obliegt die Aufgabe, Tatsachen zu verschleiern, zu verschweigen und zu vertuschen. Die schöne Christine Kaufmann ist nur Beiwerk an seiner Seite, eine (Tisch)dekoration beim abendlichen Schlemmen im Nobelrestaurant, in dem Derrick und Schröder (der hier mit kurzem Haar und dunklem Anzug ein letztes Mal aufblitzt, bevor sein Stern für immer erlischt) nicht willkommen sind - die pikierte Miene von Kellner-Snob Ulrich Beiger lässt hier keinen Zweifel offen.
Die Spannung wird die ganze Folge über gehalten und liegt vor allem in den Reaktionen der betroffenen Personen. Derrick reizt die Tatverdächtigen durch seine nonchalante Art bis aufs Blut und erzielt damit den gewünschten Effekt. Er lotet den rechtlichen Rahmen aus, prüft seelenruhig mögliche Hintergründe für den Mord und kann dabei auf Zeit spielen - was dem hochverschuldeten Bauunternehmer (Günter Strack mit Wohlstandswanst und dicker Zigarre) nicht möglich ist.
Fazit: Eine 1A-Episode, in der alles passt. Das talentierte Ensemble und das raffiniert ausgeklügelte Drehbuch werden von Alfred Vohrer mit leichter Hand in Szene gesetzt.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

01.01.2012 13:52
#227 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Bewertet: "Eine Nacht im Oktober" (Folge 32)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Bernhard Wicki, Traugott Buhre, Brigitte Horney, Ella Büchi, Sabine von Maydell, Iris Berben, Gertrud Kückelmann, Malte Thorsten, Thomas Astan, Karl Lange, Günther Stoll u.a. - Regie: Wolfgang Becker

Der Handelsvertreter Steinbrink fährt nach einem langen Arbeitstag bei einer Diskothek vorbei, in der Absicht, eine junge Frau anzusprechen. Er sucht Entspannung nach der Anspannung seiner Verkaufstour und tatsächlich steigt eine Besucherin des Lokals in seinen Wagen ein. Allerdings nur, um einen aufdringlichen Verehrer abzuschütteln. Eine Stunde später ist Rosy Kramer, Hausangestellte bei Rechtsanwalt Dr. Lechner, tot. Mit mehreren Messerstichen auf offener Straße ermordet.
Hat der Vertreter den Kopf verloren? Ist Rosys junger Freund ihr nachgegangen? Oder gibt es noch eine dritte Möglichkeit?
Der Schweizer Schauspieler und Regisseur Bernhard Wicki ist Derricks Helfer und Gegenspieler zugleich in dieser spannungsintensiven Folge unter der gewohnt erstklassigen Regie von Wolfgang Becker. Mit Brigitte Horney konnte eine weitere dominante Persönlichkeit gewonnen werden; eine Frau, deren unterkühlte Aura alten Adel, Würde und Disziplin symbolisiert. Wir bewegen uns in der Sphäre gelebter Traditionen, obwohl der knorrige Familienstammbaum schon längst erstarrt ist. Frische Triebe sucht man vergeblich, die blutarme Herrin des Hauses wird von der Schweizerin Ella Büchi mental erschöpft und emotional resigniert gezeichnet. Die einzige Frau im Haus, die Dr. Lechner Paroli bieten kann, ist seine Mutter. Resultiert der Seitensprung mit der Hausangestellten aus dieser Ausgangssituation? Oder beruht er auf ebenso prosaischen Motiven wie sie der Vertreter Steinbrink ins Feld führen kann? Ist Dr. Lechner nur ein Verwandter im Geiste auf höherem Niveau?
Der Zuseher wird durch Streuung mehrerer Verdachtsmomente in die Irre geführt, obwohl der Tathergang eigentlich nur auf einen Täter schließen lässt.
Greift ein gieriger Grapscher zum Messer oder drückt er seinem Opfer nicht vielmehr die Kehle zu, damit es nicht schreien kann? Holt sich der Liebhaber aus der besseren Gesellschaft ein Messer aus der Küche oder gebraucht er nicht vielmehr die Pistole, die üblicherweise in seinem Handschuhfach liegt?
Das Fingerspitzengefühl, das Derrick abverlangt wird, hindert ihn nicht daran, seinem Verdacht unbeirrt nachzugehen. Er lässt den forschen Anwalt auflaufen, indem er ihn zunächst gewähren lässt, ihm aber abschließend seine Grenzen aufzeigt. Die Handhabe gegen den Juristen liegt in dem Bereich, den dieser vertritt: die Vorgaben des Gesetzbuches. Traugott Buhre überzeugt als redselige Verkaufskanone, Sabine von Maydell ist Rosys loyale Freundin und Thomas Astan, der den Schauspielerberuf an den Nagel hängte, um Pfarrer zu werden, beruft sich in seiner Aussage auf Gott als Zeugen.
Und wieder einmal versucht jemand, einen Mord damit zu rechtfertigen, dass es das Opfer eben nicht besser verdient habe. Eine gefährliche Weltanschauung, die zwar nur beiläufig erwähnt wird, einem schwachen Charakter jedoch den Freibrief für impulsives Handeln und rachsüchtiges Verhalten liefert.
Derrick bleibt auch hier das ausgleichende Element und behält deshalb die Übersicht in diesem Wirrwarr der Gefühle. Seltsamerweise bleibt das Opfer -obwohl es von der jungen Iris Berben gespielt wird- dem Zuseher fremd und löst keine Empathie in ihm aus. Hält Derrick die Tatortfotos also nicht nur dem Vertreter, sondern vor allem uns unter die Nase? Wie passend erscheinen hier die Textzeilen, die Donald Spoto in seiner Kritik des Alfred-Hitchcock-Films "Marnie" zitiert:

"Was aber, Kind, gilt hier der Name;
Leides Ursprung ist immer der gleiche.
Kein Mund fand, nein, kein Geist je Worte
für das, was Herz vernommen, Seele sah:
Es ist Welknis, für die wir geboren,
es ist Margaret, um die du trauerst."


(Gerard Manley Hopkins: Frühling und Herbst. An ein Kind)

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.01.2012 23:38
#228 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

DERRICK Collector’s Box 3 (Folgen 31 bis 45, 1977-78)





Derrick: Hals in der Schlinge

Episode 31 der TV-Kriminalserie, BRD 1977. Regie: Alfred Vohrer. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Helga Anders (Heli), Willi Kowalj (Ingo), Herbert Fleischmann (Herr Ludemann), Günter Strack (Herr Kless), Carola Höhn (Frau Becker), Christine Kaufmann (Marion Kless), Günther Tabor u.a. Erstsendung: 6. Februar 1977, ZDF.

Zitat von Derrick: Hals in der Schlinge
Seinen Hals in der Schlinge hat Herr Geserke, ein erfolgreicher Unternehmer mit Geschäftsniederlassungen in München, Paris und Zürich. Seine Kinder finden ihn eines Abends erhängt auf dem Dachboden, dabei gibt es für Selbstmord kein stichhaltiges Motiv. Waren hier die Interessen einer weiteren Partei im Spiel?


Nach einer beinah unendlich langen „Derrick“-Pause melde ich mich mit frischen Eindrücken aus der Collectors Box 3 zurück, die äußerlich ebenso ansprechend gestaltet ist wie ihre beiden Vorgänger, in der Bildqualität aber leider deutlich nachzulassen scheint. Die Farben sind etwas blass, aber noch in Ordnung, doch die Bildkonturen wirken pixelig – so, als sei das Material von einer zu kleinen Auflösung hochskaliert worden. Dem Spaß an „Hals in der Schlinge“ tat das allerdings keinen Abbruch.

Derrick, der offenbar ein Geheimleben führt, in dem er täglich im Fußballstadion Austern schlürft, beweist wieder einmal seinen einmaligen Spürsinn für unbewusste Verbrechenswahrnehmung. Der Fall beginnt mit einer nach und nach an Spannung zulegenden Sequenz, in der die Kinder Geserkes ihren Vater suchen. Kleinigkeiten, die nicht zum sonstigen, klar geregelten Tagesablauf des Mannes passen, machen Heli und Ingo darauf aufmerksam, dass etwas nicht stimmt. Und in der Tat verbreitet das mondäne Anwesen, nachdem der anfängliche Sirtaki verklungen ist, stellenweise echten Edgar-Wallace-Grusel nach Vohrer-Art (nur auf Ratten und Skelette wurde verzichtet): Ausflüge in den wenig repräsentativen Keller, panische Schreie, ein Erhängter. Das Gelingen dieser Minuten darf aber vor allem auch Helga Anders zugeschrieben werden. Sonst als enfant terrible besetzt und bereits in Episode 2, „Johanna“, als eine der wenigen weiblichen Mordkomplizinnen zu sehen, mimt sie hier eine nach wie vor rechthaberische, aber zugleich wohl überlegte und demnach Recht behaltende Tochter aus gutem Hause.

Nicht ganz so überzeugend fällt der Auftritt von Willi Kowalj aus. Der eher unbekannte Schauspieler findet nicht vollständig in die Rolle und seine Sätze wirken ein wenig zu gestellt für jemanden, der eigentlich nur automatisch auf anderer Leute Anweisungen handelt. Er ist allerdings nicht der einzige Duckmäuser der Story: Herbert Fleischmann wandelt als augenscheinlicher Biedermann, der sich für seine illegalen Leistungen jedoch mit „Frischfleisch“ bezahlen lässt, ebenfalls auf ungewohnten Pfaden, war er unter Vohrers Regie zum Beispiel bei Simmel schließlich in ausgesprochen starken Parts zu sehen. Dennoch bleibt er immer glaubhaft und dem Finale gelingt es durch ihn – sowie durch den Musikeinsatz und die übliche Vohrer-Dynamik – an die Qualität der Einleitung anzuschließen.

Als besonderes architektonisches Schmankerl wird ein Panoramablick ins Olympia-Stadion geworfen, das für die 1972er-Spiele, die von Blacky Fuchsberger kommentiert wurden, gebaut wurde. In ihm wirkt sogar der Korpus von Günter Strack regelrecht verloren. Dass ich das ständige, ausdrückliche Lob für alle seine Leistungen nach meinen wenigen Begegnungen mit seinen Rollen noch nicht ganz nachvollziehen kann, steht auf einem anderen Blatt.

Die Handlung entfaltet sich nach und nach sauber und ohne logische Lücken. Leider ersparte sich Herbert Reinecker einen überraschenden Schlusstwist, der die Folge noch einmal ganz eindeutig auf ein überdurchschnittliches Niveau gehoben hätte. Die Action überzeugt, aber die Verhaftung des Täters ist nur mehr Routinearbeit. Schröder hätte das in seinem Fünf-vor-Zwölf-Hoch auch erledigen können.

Immerhin entstand ein nahtloser Anschluss an das gute obere Mittelfeld der bisherigen Frühfolgen, was bei der Qualität der ersten beiden Boxen ein guter Verdienst ist. Mit einer leichtfüßigeren Besetzung des Ingo und etwas mehr Esprit bei der Auflösung hätte es eine volle Hand werden können, so bleiben 4,5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

04.01.2012 19:35
#229 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Eine Nacht im Oktober

Episode 32 der TV-Kriminalserie, BRD 1977. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Bernhard Wicki (Dr. Lechner), Traugott Buhre (Steinbrink), Brigitte Horney (Frau Lechner), Ella Büchi (Agnes Lechner), Gertrud Kückelmann (Frau Schweik), Sabine von Maydell (Hilde Weiss), Malte Thorsten (Werner Schranz) u.a. Erstsendung: 6. März 1977, ZDF.

Zitat von Derrick: Eine Nacht im Oktober
Wenige Stunden nachdem sie abends nach der Disco zu einem fremden Mann ins Auto gestiegen ist, wird Rosy Kramer erstochen vor der Villa, in der sie wohnte und arbeitete, aufgefunden. Die Zusammenhänge scheinen klar: ein Lustmord. Doch Derrick ist die Theorie zu simpel. Zumal Rosys Arbeitgeber, der Anwalt Dr. Lechner, ein wenig zu sehr darauf aus ist, die Schuld des angeblichen Triebtäters zu beweisen.


Die Besprechung enthält leichte Spoiler.

Ein Mann, ein Generalverdacht. Ein wenig verwunderte es mich schon, dass Herbert Reinecker, der moralisch fragwürdig agierenden Männern wie dem Vertreter Steinbrink, welcher vor der Diskothek in eindeutiger Absicht Mädchen anspricht, die seine Töchter sein könnten, gern zusätzlich zum Testosteronspiegel noch eine weitere Leiche in den Keller legte, hier ein Antibeispiel seiner Vorlieben für Plädoyers für herkömmliche Werte statuiert. Nicht der schwitzende, etwas minderbemittelte und immer nach einem Rock suchende Mann mit der zerrütteten Ehe und dem unauffälligen Außerhausberuf, der alle Kriterien für eine Vorverurteilung erfüllt, wird als Täter kredenzt, sondern ... – Na, wir wollen nicht zu vorschnell sein!

Horst Tappert bekommt es in dieser Folge mit einigen Gastdarstellern zu tun, die seinen Scheffel fast schon in den Schatten stellen. Traugott Buhre spielt Steinbrinck als eigenwillige Kombination aus ekliger Aufdringlichkeit und offener Kumpelhaftigkeit. Schnell wird dem Zuschauer klar, dass die Verstrickungen im Mordfall Rosy Kramer tiefer reichen, als durch den einfältigen Mann erklärbar wäre. Naheliegendere Optionen stellen da Bernhard Wickis undurchsichtig agierender Anwalt und dessen Mutter dar, die in der Gestalt von Brigitte Horney jede ihrer Szenen voll und ganz dominiert. Als Überbleibsel althergebrachter Verhaltens- und Klassenstrukturen erinnert sie – auch durch ihren einmalig präzisen Duktus – sehr stark an Lady Aston aus „Neues vom Hexer“. In ihrer 1965er-Rolle sagt sie „Ich bin aus einer anderen Generation. Ich habe gelernt, Rücksichten zu nehmen“. – Ähnlich, aber widerum auch sehr entschlossen und selbstbestimmt agiert sie als antiquierte, prinzipientreue und für die Lösung essenzielle „Frau Sanitätsrat“.

Musikalisch überzeugt „Eine Nacht im Oktober“, die fast ausschließlich in Grünwald sowie um das und in dem Haus, das bereits aus „Tod der Kolibris“ bekannt ist, spielt, durch die Disco-Szenen zu Beginn, deren Untermalung im weiteren Verlauf noch mehrmals, oft innerhalb der stilbildenden Rückblenden, aufgegriffen wird. Normalerweise bin ich zwar kein Fan, wenn zu Anfang (oder in anderen Fällen Ende) das Derrick-Thema nicht ertönt, doch diesmal kann man gegen den Einsatz zweier kontemporärer Songs nichts sagen. Ins Ohr bohren sich sowohl „Serenade“ von der Steve Miller Band als auch „Jeans on“ von David Dundas. Das letztgenannte Lied war ursprünglich Bestandteil einer Werbung für die Marke Brutus Jeans, schaffte es 1976 und 77 aber auch in Großbritannien, Australien, Kanada, den USA und natürlich Deutschland in die Charts. Am Ende merkt man, dass man die Präsenz des Liedes auch gern als Hinweis auf den Täter hätte interpretieren können, wobei ich mich frage, warum dieser an einem Tanzabend überhaupt ein Messer bei sich trug.

Die mehrschichtige Story rollt Reinecker nach und nach auf, wobei es ihm gelingt, den Zuschauer geschickt auf die falsche Fährte zu führen. Wolfgang Beckers wie immer engagierte Regie und die erstklassigen Darstellerleistungen sichern meisterliche 5 von 5 Punkten.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.01.2012 13:10
#230 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Offene Rechnung

Episode 33 der TV-Kriminalserie, BRD 1977. Regie: Alfred Vohrer. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Rudolf Platte (Robert Berger), Edith Heerdegen (Josefa Schönhals), Rudolf Fernau (Alfred Engel), Rudolf Schündler (Willi Nell), Konrad Georg (Josef Toppe), Alf Marholm (Direktor), Johanna Elbauer u.a. Erstsendung: 20. März 1977, ZDF.

Zitat von Derrick: Eine Nacht im Oktober
Vier Rentner halten mit aller Kraft ihren Freund Toppe aufrecht, als sie in die U-Bahn steigen. Passanten halten den Mann für betrunken. In Wahrheit steckt in seiner Brust eine Kugel. Die alten Leute schaffen es noch bis zur Auffahrt zum Altenheim, bevor Toppe tot umfällt. Als Derrick ankommt, möchte nur der Hausmeister einen Schuss gehört haben ...


Beinah wie eine Urlaubsreise durch München wirkt die Folge „Offene Rechnung“: Fahrten mit der U-Bahn und dem Bus, angekündigte Theaterbesuche und ein Spaziergang durch den Tierpark Hellabrunn sorgen neben dem Altenheim, das sich natürlich in idyllischer Lage im Münchner Norden befindet, für die optischen Reize der Folge. Für U-Bahn-Liebhaber sind die Einblicke, die Alfred Vohrer und die Stammkameramänner Rolf Kästel und Michael Georg (in ihrer 17. „Derrick“-Episode) dem Zuschauer in die Stationen Marienplatz und Freimann auf der Linie U6 bieten, Gold wert, denn nicht nur freue ich mich in dieser Hinsicht über jedes Schnipsel Lokalkolorit, auch wurden beide Stationen unterdessen größeren Umbauaktionen zur Erweiterung oder zum Erreichen der Barrierefreiheit unterzogen und haben entsprechend mehr oder weniger ihr Gesicht verändert.

Altbekannte Gesichter trifft man dagegen bei den Darstellern vor. Marmstorfer hat sich die Mühe gemacht, nachzuzählen, und fand nicht weniger als neun ehemalige Wallace-Mimen in der Besetzungsliste – könnte das vielleicht sogar ein Serienrekord sein? Auch wird durch den Cast vermieden, während des Sehens zu große Assoziationen zum thematisch sehr ähnlich gelagerten, aber anders besetzten „Tod eines Ladenbesitzers“ aus der „Kommissar“-Reihe zu provozieren. Rudolf Platte brilliert als redegewandter Geheimnisträger der Folge, der die Verhöre durch den intelligenten Derrick, hinter dem er einen Kriminalrat vermutet, als Herausforderung und Schulung der persönlichen Schlagfertigkeit interpretiert. Diese Haltung eines Antagonisten war im Rahmen der Serie bislang so noch nicht anzutreffen, obwohl Selbstüberschätzung und unbeteiligte Kälte den Reaktionen des Rentners schon relativ nahe kommen. Das ist auch der Punkt, der mich an der Umsetzung der Geschichte gestört hat: Zu wenig rücken Erschütterung und Wut über den Tod des Kameraden und guten Freundes Topper in den Blickpunkt. Lediglich eine einzige Szene macht die Ergriffenheit der alten Leute, die zwar relativ abgeklärt sind, aber in einer sehr engen Beziehung mit dem Toten standen, wirklich sichtbar. Bei allen anderen Auftritten bleibt ihr Verhalten geradezu routiniert und abgestumpft, was mir trotz der Auflösung nicht zu den Charakteren zu passen scheint und Reineckers Drehbuch eines naheliegenden Twists beraubt: Derrick fällt der Lösungsansatz in „Offene Rechnung“ wieder wie aus heiterem Himmel und glücklicher Vorahnung zu, weil versäumt wurde, ihm durch die zwei latent nervösen Herren (Rudolf Fernau und Rudolf Schündler) explizit, zum Beispiel bei einem geheimen Treffen, einen entsprechenden Hinweis zu geben ...

Schöne Außenaufnahmen veredeln eine Folge, die für Vohrer-Verhältnisse erstaunlich ruhig und sachlich ausgefallen ist. Ruhig und sachlich, d.h. fern jeder Jubelstürme, bleibt deshalb auch die Punktevergabe mit soliden 4 von 5 Punkten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

07.01.2012 15:29
#231 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Bewertet: "Offene Rechnung" (Folge 33)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Rudolf Platte, Edith Heerdegen, Rudolf Fernau, Rudolf Schündler, Alf Marholm, Konrad Georg, Nino Korda, Johanna Elbauer, Otto Stern, Günther Stoll u.a. - Regie: Alfred Vohrer

Eine vierköpfige Rentnergruppe zieht einen Mann durch eine Münchner U-Bahn-Station und fährt mit ihm durch die Nacht. Der Mann blutet und bei der Verletzung handelt es sich offensichtlich um eine Wunde, die durch ein Verbrechen entstanden ist, sonst würde der Mann nicht ins Altersheim, sondern zum Arzt gebracht werden. So aber stehlen die Alten zunächst ein Auto und lassen ihren Freund dann im Park der Seniorenresidenz liegen. Der Pförtner soll aussagen, er habe einen Schuss gehört und die Vier seien den ganzen Abend auf ihrem Zimmer gewesen.....
Auf den ersten Blick mutet die Episode durchaus wie eine Neuinterpretation der "Kommissar"-Folge "Tod eines Ladenbesitzers" (1971) an, wobei mich das Altersheim optisch sofort an die erste "Derrick"-Folge ("Waldweg") erinnerte. Handelt es sich bei dem Gebäude um jenes Haus, in welchem die Mädchenschule untergebracht war?
Rudolf Platte fällt die Rolle des Rädelsführers zu; er nimmt jenen Part ein, den Jahre zuvor Curt Bois innehatte. Er ist aufsässig, frech und verbittert und er legt sich nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit dem Direktor des Altenheims an, der von Alf Marholm mit pathetischer Würde gespielt wird.
Derrick durchschaut die listigen Alten natürlich sofort und misstraut vor allem Berger, der von Geld träumt - Geld, das den Rentnern "Flügel verleihen soll"; Flügel, die sie brauchen, um dem Käfig des Heims zu entfliegen. Zu diesem Zweck ist ihnen jedes Mittel recht, denn Rücksicht auf Verluste muss man in ihrem Alter ja keine mehr nehmen. Das weiß auch der Oberinspektor, weshalb er zwischen der Schussverletzung des Toten und den heimlichen Treffen Bergers mit einem vorbestraften Einbrecher logische Schlussfolgerungen zieht, die dafür sorgen, dass die Alten am Ende doch noch das Heim verlassen (müssen). Allerdings dürfte die Ausstattung in ihrem neuen Zuhause noch spartanischer sein. Die Komplizen Plattes werden von altbekannten Mimen wie Rudolf Fernau und Rudolf Schündler gespielt, wobei Letzterer kaum drei Sätze zu sprechen hat. Der Drang nach Abenteuern macht die Gruppe zu Helfern eines Berufsverbrechers, wobei der infantile Eindruck, den man von den Vieren gewinnt, noch verstärkt wird. Der Schluss vermag nicht zu überraschen, denn wo gehobelt wird, da fallen Späne. Berufsrisiko, würde Nino Korda sagen und deshalb sitzt am Ende nicht er beim Verhör in Derricks Büro, sondern die Alten, die sich nun in bunten Farben ihre letzten Lebensjahre im Gefängnis ausmalen dürfen.
Fazit: Alter schützt vor Torheit nicht. Trotzdem hätte man sich gewünscht, dass die Alten in ihrer immensen freien Zeit einen klügeren Plan ausbaldowert hätten. So wirkt das Ergebnis ein wenig naiv, ein wenig mau und lässt die Alten nicht nur ganz schön alt, sondern vor allem wenig pfiffig aussehen.
Ein eingängiges musikalisches Leitmotiv (wie es in schrulliger Weise in "Tod eines Ladenbesitzers" verwendet wird) hätte die Auftritte der Rentner zusätzlich gestärkt. Hervorheben möchte ich die schönen Herbstaufnahmen, die dem Park des Heims ein besonderes Flair verleihen. Hier zeigt sich wieder einmal Alfred Vohrers Gespür für Atmosphäre. Das welke Laub symbolisiert den Lebensabschnitt, in dem sich die Darsteller befinden. Es zieht sie nach unten, und wie die Blätter taumeln sie in die Tiefe, unaufhaltsam dem Verfall entgegen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

07.01.2012 16:12
#232 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Bewertet: "Tod des Wucherers" (Folge 34)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Gerd Baltus, Agnes Dünneisen, Ida Krottendorf, Ursula Grabley, Peter Kuiper, Peter Neusser, Dieter Prochnow, Günther Stoll u.a. - Regie: Zbynek Brynych

Enthält leichte Spoiler!

Herr Minsch ist Geldverleiher und tut dies auf eine aggressive Art und Weise, die jedem Kreditnehmer das Blut in Wallung bringt. Seine Wucherzinsen haben schon für manche gerichtliche Auseinandersetzung gesorgt und so ist kaum jemand überrascht, als man Minsch eines Morgens tot in seinem Büro auffindet. Erschlagen und ausgeraubt.
Peter Kuiper, der Mann mit der Glatze und dem süffisanten Lächeln, sorgt bereits in den ersten Filmminuten für einschüchternde Angst unter seinen beiden Angestellten Gerd Baltus und Agnes Dünneisen. Besonders Baltus überzeugt in furchtsamer, devoter und fürsorglicher Weise, wobei ihm Brynych viel Raum für exzentrische Momente lässt, so zum Beispiel während seiner Augenzeugen-Beobachtung, in der er sich windet wie ein verletztes Tier und der Szene in Derricks Büro, als er mit starrem Blick die Aktenordner fixiert, die Aufschluss auf Mordmotive geben sollen. Agnes Dünneisen ist dem geneigten Krimifreund aus "Die Kusine" ("Der Kommissar" Folge 88) bekannt. Ihr passives Spiel schwankt zwischen überschäumendem Optimismus und teilnahmsloser Duldsamkeit. Wie erfrischend erscheint in diesem Zusammenhang die Szene, in der sie den bulligen Dieter Prochnow ohrfeigt. Ein Befreiungsschlag, den sie allerdings wenig später böse bezahlen muss. Dennoch haben wir es dem böhmischen Regisseur zu verdanken, dass erstmals innerhalb der Serie eine Frau zum finalen Hieb ausholt; ein kraftvolles Zeugnis für den Mut und die Entschlossenheit des weiblichen Geschlechts, das in dieser Folge seine Unabhängigkeit in Gestalt der Ursula Grabley nachhaltig betont.
Was man der Episode allerdings vorwerfen muss, ist die Tatsache, dass Brynych gar einige Drehbuchstellen verwässert, indem er sich auf die Wirkung von Effekten konzentriert und weniger auf das Vorantreiben einer schlüssigen Ermittlungsarbeit. So bleiben die Mordmotive im Dunkeln und Peter Neussers Rolle als "Toyboy" im Zusammenhang mit der Tat nicht mehr als ein roter Hering. Neben dem spanischen Liebeslied, das in der Wohnung der Witwe für tropisches Flair sorgt, nutzt Brynych diesmal das Ticken der Uhr als Aufhänger seiner Geschichte. Nach einer Prügelei, bei der Derrick einen Schläger mit einem Fausthieb niederstreckt, endet die Folge auf traditionelle Weise, indem das Tatwerkzeug den Mörder verrät.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

07.01.2012 20:45
#233 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Tod des Wucherers

Episode 34 der TV-Kriminalserie, BRD 1977. Regie: Zbynek Brynych. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Gerd Baltus (Erich Winterhammer), Agnes Dünneisen (Hilde Hensch), Ida Krottendorf (Frau Minsch), Peter Kuiper (Herr Minsch), Ursula Grabley (Frau Hecker), Peter Neusser (Ralf Ziemann), Erland Erlandsen (Dr. Zogel) u.a. Erstsendung: 3. April 1977, ZDF.

Zitat von Derrick: Tod des Wucherers
Er verleiht Geld zu einem effektiven Jahreszins von 30 Prozent und macht sich damit eine ganze Reihe von Feinden. Schließlich kommt es so, wie es kommen muss, und Herr Minsch wird erschlagen in seinem Büro aufgefunden. Für Derrick halten die Ermittlungen im Umkreis skurriler Charaktere einige Überraschungen bereit ...


Die Besprechung enthält leichte Spoiler.

Im Gegensatz zu der von Blap als „seriös“ beschriebenen Vorgängerfolge geht in „Tod des Wucherers“ von Anfang an gleich richtig die Luzi ab. Peter Kuiper als cholerischer, gewissenloser und nur auf den eigenen Vorteil bedachten Kreditgeber (schön, in diesem Zusammenhang dem aus dem Alltagsgebrauch völlig verschwundenen Wort „Wucherer“ zu begegnen) und sein schüttelfrostiger, unsicherer und fahriger Assistent – wie immer nachhaltig und glaubwürdig: Gert Baltus – bilden ein echtes Dream-Team für eine „Derrick“-Episode, die in vielen Kleinigkeiten innovativ und klassisch zugleich ist.

Die Neuigkeit der Folge ist fraglos, dass Herbert Reinecker Derrick hier zum ersten Mal nach geschlagenen 34 Folgen auf eine weibliche Täterin stoßen lässt. Das wurde endlich Zeit, gerade wenn man bedenkt, wie schnell eine solche erste Begegnung – noch dazu mit einem ähnlichen Motiv – beim Kollegen Keller zustande kam. Andererseits spinnt „Tod des Wucherers“ sein Mordrätsel so kleinteilig, dass der besondere Reiz in der Vielzahl der möglichen Täter besteht, von denen sich einige als rote Heringe und einige als blutbefleckte Haie entpuppen. Keine Querverbindung wird ausgelassen – die erleichterte Ehefrau, die verachtende Mutter, der verängstige Angestellte, die belästigte Angestellte, der Liebhaber mit Verletzung, das gestohlene Geld, die mögliche(n) Mordwaffe(n) –, wodurch die Vorlage schon allein so viel Tempo und so zahlreiche spannende Hauptcharaktere aufweist wie manchmal eine ganze 3-Folgen-DVD zusammengenommen. Schlägt man dann noch den üblichen Brynych-Mumpitz obendrauf, braucht man sich über ein wahrhaft explosives Gemisch nicht zu wundern:

Zitat von Katrin Hampel: Das große Derrick-Buch, Henschel Verlag Berlin, 1995, S. 161
Zbynek Brynych, der Tscheche im Münchner Regiestuhl mit Wohnsitz in Prag, landete 1970 mit dem Kinokrimi ‚Engel, die ihre Flügel verbrennen’, nach dem Drehbuch von Herbert Reinecker, einen Achtungserfolg. Er inszenierte viele ‚Kommissar’-Folgen und die meisten ‚Derrick’-Geschichten. Sein Credo: Atmosphärische Dichte, minutiöse Charakterzeichnungen – er hat ihn einfach, den Blick für das Böse!


Um Derrick zu entlasten, bei dem man sich nicht sicher ist, ob ihm über Wintermanns Verhalten beinah der Geduldsfaden reißt oder er sich vor Amüsement kaum beherrschen kann, hielt Reinecker für Günther Stoll in dessen vorletzter Derrick-Folge ebenso einen größeren Plot bereit wie auch für den Pfeifenraucher und stets informierten Ermittlungshelfer Echterding (Gerhard Borman) und zeigte damit an, dass beide nicht für Verzierung, sondern echte Polizeiarbeit zuständig sind. Eine schöne Verzierung bietet dagegen die Musik von Peter Thomas. Dieser verzichtete diesmal auf melodiöse Klänge und unterlegte einige Szenen mit dem regelmäßigen Schlagen einer Uhr – der klare Takt sowie das damit demonstrierte unweigerliche Voranschreiten betont Baltus’ Unbehagen und Aufregung auf ziemlich geniale Art und Weise. Das ergänzende, von Percy Lister angesprochene „spanische Liebeslied“ wurde schon 1964 vom in Texas geborenen Sänger Trini Lopez unter dem vielsagenden Titel „Perfidia“ (Niedertracht, Tücke) veröffentlicht.

„Tod des Wucherers“ hätte nach den bisherigen Ausführungen in der Tat das Zeug für ein überragendes Abschneiden, allerdings fällt auf, dass die Geschichte sich zwischendurch in zwar sehenswerten, aber nicht wirklich relevanten Szenen verläuft. Hierzu zählen vor allem Harrys und Stefans Auftreten auf Frau Minschs Fete, das auch durch allseitiges schauspielerisches Auftrumpfen nicht effektiver wird, und der gesamte Subplot mit den Rockern aus der Vergangenheit von Hilde Hensch. Letzterer sorgt immerhin dafür, dass Derrick wieder einmal seine aktive, zuschlagende Seite präsentiert – und das obwohl er dem Zuschauer neuerdings gern auch ’mal einen Blick auf die gediegene, goldene Rolex gewährt.

Sollte ich nicht eigentlich trotz der kleinen Schwächen die 5 ziehen? – Nach kurzem Überlegen: Ja, hier sind 5 von 5 Punkten für den bisher ganz eindeutig besten Brynych-„Derrick“.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

07.01.2012 22:51
#234 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Bewertet: "Das Kuckucksei" (Folge 35)
mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Ralf Schermuly, Gerd Böckmann, Werner Hinz, Benno Sterzenbach, Ingeborg Lapsien, Alexander Kerst, Elisabeth Volkmann, Gretl Schörg, Karin Hardt, Günther Stoll u.a. - Regie: Alfred Vohrer

Der Unternehmer Horre erhält einen Anruf in seinem Büro. Seine Sekretärin meldet, es sei nur ein Stöhnen zu hören. Horre glaubt, die Stimme seiner Frau zu erkennen und eilt zu der angegebenen Adresse, wo er seine Frau erschlagen auf dem Bett vorfindet. Bald stellt sich heraus, dass Frau Horre in der Zweitwohnung als Prostituierte gearbeitet hat, um ihren Mann finanziell zu unterstützen. Sie habe Angst gehabt, ihre Familie könnte dahinter kommen. Und so hat es Derrick diesmal mit Angehörigen zu tun, die keinen Hehl daraus machen, dass sie ihrer Schwiegertochter am liebsten das Lebenslicht ausgeblasen hätten.
Ralf Schermuly ist der verzweifelte Ehemann, der seit sechs Monaten mit seiner Urlaubsbekanntschaft verheiratet war und nun vor den Scherben seines Glücks steht. Er hat nicht nur seine Frau verloren, sondern zugleich das Ansehen in der Branche, in der er tätig ist. Die Makellosigkeit seines Ehelebens wird in Frage gestellt und von seiner Familie in Grund und Boden getreten. Werner Hinz und Benno Sterzenbach können ihrer Empörung freien Lauf lassen und Derrick muss sich mehr als einmal beherrschen, wenn er zum wiederholten Male aufgefordert wird, den Mord an "einer solchen Person" nicht weiter strafrechtlich zu verfolgen. Schuld und Sühne, Moral und Ehrgefühl sind die beherrschenden Themen in dieser Reinecker-typischen Folge, die von Alfred Vohrer mit der ihm eigenen Distanz und Klarheit inszeniert wird. Er richtet den Fokus auf die Reaktionen im Umfeld der Toten und hält die Kamera auf entsetzte Gesichter, die sich nicht über die Tat als solche empören, sondern über die Konsequenzen, die ihnen nun drohen. Als Nebenstrang flicht Vohrer eine spannende Nacht-und Nebelszene im Wald ein, in der Alexander Kerst zwar nicht auf den unheimlichen Mönch, aber auf eine vermummte Gestalt trifft, die bedrohlich flüsternd Geld einfordert. Der Mordverdacht konzentriert sich so intensiv auf die angeheirateten Verwandten der Frau, dass die Auflösung schon wieder überraschend ist. Abwechslung vom schmutzigen Grau der Münchner Innenstadt zeigt sich in den Grünwald-Szenen und am winterlichen Teich, den Derrick zusammen mit Werner Hinz im Ruderboot überquert. Der Anblick einer Transrapid-Testfahrt lässt das Herz des technisch interessierten Fans höher schlagen. Gerd Böckmann erweist sich einmal mehr als Glücksgriff für die Rolle des undurchsichtigen Schönlings, der emotional unbeteiligt stets auf den eigenen Vorteil aus ist. Nicht unerwähnt bleiben sollte Ingeborg Lapsien, die in der Folge "Süßigkeiten" aus der Reihe "Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger" durch hinterlistiges Verhalten ebenso oberlehrerhaft-gierig wirkt wie hier als Schwiegermutter einer Prostituierten.
Derrick muss alle Geschütze auffahren, um den Täter hervorzulocken und bedient sich dabei des Tatortberichts, der die richtige Waffe gegen die sich ereifernde Gruppe gekränkter Familienmitglieder ist.
Kleine Anmerkung am Rande: Günther Stoll, der 1977 starb, ist zum letzten Mal innerhalb der "Derrick"-Reihe zu sehen.
Sein Kriminalbeamter Schröder fiel durch ein schnoddrig-mürrisches, gleichgültig-müdes und meistens ungekämmtes Erscheinungsbild auf. In den letzten Folgen schien er sich wieder gefangen zu haben, doch der ungehemmte Zigarettenkonsum hatte bereits seinen Tribut gefordert und den schmächtigen Mann mit nicht einmal Mitte Fünfzig zum Tode verurteilt. Vorbei waren die goldenen Tage des Ruhms, den er seiner charismatischen Darstellung des Guy Foster in "Melissa" verdankte, einer Rolle, die ihn für weitere Filme empfahl und hohe Erwartungen weckte. Doch Stoll schaffte es bei Edgar Wallace nicht, aus dem Schatten seiner Ermittlerkollegen Fuchsberger und Drache herauszutreten und sein Berufsweg endete deshalb in der eher unbedeutenden Rolle des Beamten Schröder.

Blap Offline




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07.01.2012 23:18
#235 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 7 (Folgen 91-105)

Folge 99 - Via Genua (Deutschland 1983)

Der wohlhabende Unternehmer Lammers (Michael Degen) ist zunehmend beunruhigt, seit einiger Zeit gehen ständig merkwürdige Anrufe bei ihm ein. Offenbar sorgt sich Lammers nicht ohne guten Grund, denn der Besuch in einem Hotel endet für ihn tödlich, seine Leiche wird in einem Wäschewagen aufgefunden, der Geschäftsmann wurde erstochen. Derrick und Klein nehmen die Ermittlungen auf, schnell stossen sie auf fragwürdige Vorfälle, die Firma des Opfers war vermutlich in Waffenschiebereien verwickelt, allerdings verlief vor wenigen Jahren ein entsprechendes Gerichtsverfahren im Sande. Welche Informationen hält Achim Huber (Wolf Roth) zurück, der als engster Mitarbeiter und Teilhaber an Lammers Betrieb, genaue Einblicke in die Geschäftspraktiken haben sollte? Doch nicht nur Huber gibt sich undurchsichtig, auch der Reiseschriftsteller Lusenke (Siegfried Rauch) erweist sich als wenig hilfreich, obschon er mit Lammers in dem besagten Hotel verabredet war. Derweil reist der Bruder des toten Firmenchefs an, Rudolf Lammers (Klaus Behrendt) und sein Sohn Hans (Eckhard Heise) wollen das eventuell zu erwartende Erbe antreten und sich um weitere Formalitäten kümmern. Tatsächlich kommt Rudolf in den Genuss der üppigen Hinterlassenschaft. Damit verbunden ist auch der Zugriff auf äusserst brisante Dokumente, die kein gutes Licht auf den Toten werfen, gleichzeitig für den zunehmend unter Druck geratenden Achim Huber lebenswichtig sind...

Erneut versammelte sich ein illustres Ensemble vor der Kamera, herausragend einmal mehr die Leistung von Klaus Behrendt. In der Folge "Am Abgrund" (80) war Behrendt als völlig fertiger Alkoholiker zu sehen, in "Der Spitzel" (49) gab er einen schleimigen Zuträger. Nun stellt er einen pflichtbewussten Grundschullehrer dar, hinter dessen gutbürgerlicher Fassade sich ein erschreckender Verfall von Anstand und Wertvorstellungen ausmachen lässt. Behrendt unterstreicht sein großartiges Können und seine Wandlungsfähigkeit. Der eher unscheinbare Eckhard Heise nimmt als Sohn des Erben die Position der "moralischen Notbremse" ein, mit seiner ruhigen und sachlichen Darstellung fungiert er auf den Punkt genau als Gegenpol zu seinem Filmvater. Wolf Roth versucht verzweifelt seinen Hintern zu retten, die bezaubernde Heide Keller ist bemüht ihn nach Kräften zu unterstützen, kommt aber kaum über den Status "hübsche Dekoration" hinaus. Siegfried Rauch gefällt mir diesmal nicht ganz so gut, sein Auftritt ist mir eine Spur zu gestelzt, bemüht und verquast. Sicher könnte man zu seinen Gunsten ins Feld führen, dass die Hintergrundgeschichte zu dieser Folge (sowie die ins Spiel gebrachten Lebenserfahrungen des Schriftstellers), eine entsprechende Anlage der Figur Lusenke nachvollziehbar und glaubwürdig machen, dennoch habe ich Rauch schon weitaus stärker erleben dürfen. Kurt Raab sorgt als Hausangestellter des Opfers für ein paar Schmunzler, bleibt undurchsichtig und herrlich verschroben, grandios! Diverse dunkelhäutige Damen und Herren bleiben leider auf kleine Nebenrollen beschränkt, werden lediglich als Aufhänger für die Story genutzt. Schade, aber die knapp einstündige Laufzeit gibt schlicht nicht mehr Raum her.

Damit sind wird beim "Problem" von "Via Genua" angekommen. Der Kriminalfall ist nicht schwer durchschaubar, schnell ahnt der Zuschauer, dass der Unternehmer seine Finger in schmutzigen Geschäften hatte. Nun unternimmt das Drehbuch den Versuch, möglichst viel Handlung und relevante Charaktere in das zeitlich knapp bemessene Korsett zu pressen. Im Ergebnis führt dieses Vorhaben zu einem oberflächlich abgehandelten Thema, dessen Ernsthaftigkeit und Tragweite eine intensivere Betrachtung verdient hätten. Gewissermaßen wird die Ausbeutung Afrikas angeprangert, gleichzeitig gewährt der Stoff den anwesenden Afrikanern (bzw. den entsprechenden Darstellern), lediglich eine schmale Nische, Derrick goes Afrikasploitation. Zusätzlich degradiert die grandiose Darbietung von Klaus Behrendt die kritischen Töne in den Staub, denn der brave Grundschullehrer wird zur tragenden Unperson, zum Hassobjekt der Folge. Jahrelang bestand kein Kontakt zum Bruder, nun wird das Erbe mit freudiger Erregung eingesackt, später gar mir überschäumender Gier verteidigt. Voller Entsetzen stellen sich die Nackenhaare des Betrachters auf, ein Moralkrüppel dieser Kategorie soll Kinder lehren? Immerhin bleibt die tröstende Vorstellung, dass der liebenswerte Herr seinen Dienst eventuell nicht mehr antritt, sofern die Bankkonten in der Schweiz nicht eingefroren werden. Doch bevor meine Phantasie ausser Kontrolle gerät, will ich diesen Kurzkommentar lieber sanft ausklingen lassen. Zu Beginn sorgte die gute Kameraarbeit für wohlige Momente, ich fühlte mich fast an einen Polizei-/Gangsterfilm aus Italien erinnert, später gesellen sich kleine Schlampereien hinzu (Schatten des Mirkofons). Musikalisch greift man das Thema Afrika auf, nicht packend, aber durchaus solide. Eine undankbare Aufgabe für Helmuth Ashley, der eine überladene (und gleichzeitig unterernährte) Geschichte in das übliche Format pressen musste. Fazit: Gute Ansätze, toller Klaus Behrendt, insgesamt schwer zu bewerten.

6,5/10 (oberste Mittelklasse)

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Blap Offline




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08.01.2012 22:38
#236 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Die Fortsetzung der "Mega-Derrick-Sause"


Derrick - Collector's Box 7 (Folgen 91-105)

Folge 100 - Die Tote in der Isar (Deutschland 1983)

Ingo Reitz (Sven-Eric Bechtolf) bändelt mit jungen Mädchen an, die er ohne Skrupel in die Fänge des Zuhälters Robert Kabeck (Horst Frank) treibt. Momentan tappt die lebensfrohe Schülerin Annemarie Rudolf (Ulli Maier) in die Falle, in ihrer naiven Verliebtheit glaubt sie, den "wehrlosen" Ingo vor dem knallharten Kabeck schützen zu müssen. Nachdem Kabeck Annemarie "testete", ist das Mädchen bereits am Boden zerstört, doch es soll sie noch weitaus härter treffen. Maria Dissmann (Christiane Krüger) klärt die die Schülerin über Ingo und Kabeck auf, sie fiel vor einiger Zeit selbst auf die bewährte Masche der Herren herein. Wenig später wird Maria in ihrer Wohnung erschossen, Derrick und Klein fällt das seltsame Verhalten ihres getrennt lebenden Ehegatten auf, ständig schleicht Arthur Dissmann (Horst Buchholz) im Umfeld des Tatortes herum. Aus der Isar wird eine weitere Leiche geborgen, Annemarie trieb tot in den Fluten. Zunächst ist kein Zusammenhang der beiden Todesfälle erkennbar. Jedoch können die Ermittler bald eine Spur in Richtung Ingo Reitz verfolgen, der im selben Hochhaus wie die ermordete Maria Dissmann lebt...

"Die Tote in der Isar" erweist sich als würdige "Jubiläumsfolge", nicht nur (aber auch) wegen des Mitwirkens von Horst Frank und Horst Buchholz. Doch lassen wir den Damen den Vortritt, welche diesmal als Opfer fieser Schweinereien herhalten müssen. Ulli Maier spielt die Rolle der verliebten Schülerin ohne Fehl und Tadel, allerdings mutet sie ein wenig beliebig an, was eventuell an ihren sehr stark aufspielenden Kollegen und Kolleginnen liegen mag, die Dank ihrer Erfahrung und Präsenz die Nachwuchskraft in den Schatten stellen. Christiane Krüger vermag sich durchaus zu behaupten, die Frau würde sogar als stumme Dekoration die Blicke auf sich ziehen. Krüger ist in meinen Augen nicht unbedingt die Schönste der Schönen, verfügt aber über ein starken Sexappeal und eine gewisse Verruchtheit, die ich weitaus anziehender finde als glatte (und IMHO langweilige) Schönheit. Sonja Sutter sehen wir als Mutter der verführten (vielmehr mißbrauchten) Schülerin, ein solider Auftritt. Horst Frank bewegt sich zwar lediglich im Rahmen des üblichen Klischeebösewichts, sticht damit aber bereits den Großteil seiner Konkurrenz locker aus. Frank spielt den eiskalten Kabeck mit nahezu unverschämter Lässigkeit, ich bin begeistert! Sven-Eric Bechtolf versucht sich als Nachwuchs des Teufels, statt mit kerniger Kälte zu dominieren, umgarnt Bechtolf seine Opfer durch aufgesetzte Hilflosigkeit, hinter der Maske lauert eine abstossende Fratze, die immer wieder hervorbricht. Horst Buchholz fällt einmal mehr ein neurotisch angelegter Part zu, den er erwartungsgemäß mit Bravour meistert. Seine fantastische Leistung in "Das Superding" (26) kann er nicht toppen, freilich war Folge 26 wie ein Maßanzug auf Buchholz zugeschnitten, ergo hinkt der Vergleich. Paul Dahlke gibt den Großvater der Schülerin, gekonnt zeichnet er einen Charakter zwischen Verzweiflung, Trauer und Rachegelüsten. Fritz Strassner soll nicht unterschlagen werden, als unscheinbarer Kellner arbeitet er den Fieslingen zu.

Ambivalenz wird den Übeltätern dieser Folge nicht zugestanden, weder Horst Frank noch Sven-Eric Bechtolf verleihen ihren Charakteren einen Hauch von Menschlichkeit. Bechtolf kommt als heimtückischer Verführer fast noch ekelerregender daher, seine Leistung fällt im Vergleich zu Frank nicht ab. Klar, die Trenung zwischen "Gut und Böse" mag zu eindeutig und überraschungsarm angelegt sein, spontan musste ich grinsend an den Filmtitel "Mädchen in den Krallen teuflischer Bestien" denken, der auch dieser Derrick-Episode gut zu Gesicht stehen würde. Ich möchte nicht an der klaren Marschrichtung rumnörgeln, denn "Die Tote in der Isar" zeigt auf überzeugende Art, dass man auch auf ausgetretenen Pfaden zu sehr unterhaltsamen und kurzweiligen Ergebnissen gelangen kann. Die knallharte Kaltherzigkeit der Täter wird mehrfach durch den Anblick des Hochhauses untermalt, in dem sich ein erheblicher Teil der Handlung zuträgt. Überhaupt fängt diese Folge die Kälte der frühen achtziger Jahre gekonnt ein, eine fürchterliche Zeit, die ich -bei gewollt negativer Betrachtung und übler Laune- mit nahezu paranoider Angst vor einem Atomkrieg und dem endgültigen Zerfall von Wertvorstellungen verbinde. Sieht man von der Vorschlaghammersymbolik in Form der trostlosen Hochhausfront ab, überlässt Regisseur Alfred Weidenmann seinen Schauspielern die Bühne, die das Ensemble gekonnt für sich zu nutzen versteht. Frank Duval liefert die für ihn üblichen Klänge ab, er war schon besser (aber auch schwächer). Klischeebombe im kalten Licht der Achtziger? Ja, aber eine der verdammt unterhaltsamen Sorte!

7,5/10 (gut bis sehr gut)



100 Folgen Derrick! Noch liegen weitere 181 Auftritte von Tappert, Klein und Co. vor mir, doch dieses Etappenziel möchte ich für eine kleine Liste nutzen, kurz auf die (aus meiner Sicht) besten Folgen hinweisen. Keine Angst, ich fasse mich kurz!

• Folge 001 - Waldweg (Dietrich Haugk): Zum Auftakt "Backwood-Feeling in Bayern", Wolfgang Kieling dreht am Rad!
• Folge 005 - Tod am Bahngleis (Alfred Weidenmann): Peter Kuiper geht als irrer Killer um. Sleaze in München, Mord im Schotterbett, höllisch gut!
• Folge 007 - Madeira (Theodor Grädler): Curd Jürgens, des Teufels eiskalter Verführer.
• Folge 008 - Zeichen der Gewalt (Theodor Grädler): Krawall im Derrick-Kosmos, Raimund Harmstorf haut auf den Putz!
• Folge 016 - Tod der Kolibris (Dietrich Haugk): Flapsige Dialoge, polternder Score, Popanz! Vohrer? Nö, Haugk!
• Folge 018 - Angst (Theodor Grädler): Heidelinde Weis. Ich bin verliebt!
• Folge 019 - Tote Vögel singen nicht (Alfred Vohrer): Hier wird geballert, hier gibt es was auf die Fresse! Alfred rockt das Haus!
• Folge 026 - Das Superding (Wolfgang Becker): Horst Buchholz! Horst Buchholz! Horst Buchholz!
• Folge 028 - Pecko (Zbynek Brynych): Ein Ohrfeigengesicht hängt seinen Träumen nach. Herrliches Hinterhofmilieu!
• Folge 029 - Der Mann aus Portofino (Dietrich Haugk): Bayern, die Hölle auf Erden, Albernheiten inklusive.
• Folge 033 - Offene Rechnung (Alfred Vohrer): Alfred, Horst und die Altstars. Herzallerliebst!
• Folge 034 - Tod des Wucherers (Zbynek Brynych): Kuiper poltert, Baltus buckelt. Göttlich guter Auftakt trifft auf flaues Finale.
• Folge 041 - Tod eines Fan (Alfred Vohrer): Wer mit dem Popstar poppen will...
• Folge 043 - Ein Hinterhalt (Alfred Vohrer): Landärztin Leuwerik in Not.
• Folge 052 - Abitur (Theodor Grädler): Ein Assessor auf Abwegen?
• Folge 058 - Tandem (Zbynek Brynych): Behrens fies, Harmstorf sanft. Erfrischend.
• Folge 065 - Karo As (Dietrich Haugk): Herr Halmer und der Alkohol.
• Folge 071 - Die Entscheidung (Theodor Grädler): Runter von den Gleisen, rein ins Familiendrama.
• Folge 077 - Dem Mörder eine Kerze (Dietrich Haugk): Horst Frank mal anders(?), obendrauf Sleaze, Katja Bienert abgewrackt, Angel of Mine.
• Folge 082 - Eine ganz alte Geschichte (Zbynek Brynych): Mathieu Carrière will Rache, Herbert Fleischmann gerät unter Druck.
• Folge 083 - Die Schwester (Helmuth Ashley): Fritz Wepper im Mittelpunkt, Action, Spannung und selbstverständlich großes Drama. Ashley war nie besser!
• Folge 090 - Eine Rose im Müll (Günter Gräwert): Horst Tappert IST Derrick. Eine im Keim ersticke Liebe treibt Beatrice Richter an, traurig und irgendwie schön.
• Folge 092 - Nachts in einem fremden Haus (Helmuth Ashley): Horst Tappert und Heinz Bennent regieren!
• Folge 094 - Ein Fall für Harry (Zbynek Brynych): Eine Jungfrau in den Krallen von Frankenstein. Harry hilft!
• Folge 098 - Ein unheimliches Erlebnis (Theodor Grädler): Familienbande. Wie nah liegt der Apfel beim Stamm?
• Folge 100 - Die Tote in der Isar (Alfred Weidenmann): Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies. Hilfe! Hilfe? Keine Hilfe!!!

Ausfälle sind bisher nicht anzuprangern, hinter der Spitzengruppe tummelt sich ein unterhaltsames Mittelfeld. Ich freue mich auf die nächsten 181 Folgen!

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Blap Offline




Beiträge: 1.128

08.01.2012 23:37
#237 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Zitat von Blap im Beitrag #236
100 Folgen Derrick! Noch liegen weitere 181 Auftritte von Tappert, Klein und Co. vor mir ...

Tappert, Wepper und Co.

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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

09.01.2012 11:48
#238 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Danke, @Blap, für diese interessante Übersicht!



Derrick: Das Kuckucksei

Episode 35 der TV-Kriminalserie, BRD 1977. Regie: Alfred Vohrer. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Ralf Schermuly (Eberhard Horre), Gerd Böckmann (Alfred Horre), Werner Hinz (Vater Horre), Ingeborg Lapsien (Mutter Horre), Benno Sterzenbach (Siegfried Horre), Alexander Kerst (Herr Stössl), Gretl Schörg (Frau Stössl) u.a. Erstsendung: 12. Juni 1977, ZDF.

Zitat von Derrick: Das Kuckucksei
Eberhard Horre erhält den Anruf seiner sterbenden Frau. Sie gibt ihm eine Adresse durch, doch als er dort ankommt, findet er sie nur mehr tot vor. Es stellt sich heraus, dass die Wohnung Frau Horre gehörte, die heimlich als Prostituierte arbeitete. Während Harry fest davon überzeugt ist, dass diese von einem ihrer Freier erschlagen wurde, klammert sich Stephan an Familie Horre, die über das Kuckucksei in ihrem Nest ganz offen entsetzt ist.


München im Winter gab es schon in mehreren Derrick-Episoden zu sehen, doch hier hat es sich mir als die Atmosphäre bestimmend am meisten eingeprägt. Familie Horre demonstriert vor eisiger Kulisse schließlich eindrucksvoll, wie man 1977 das heute so beliebte Wort „bürgerlich“ interpretierte: als intolerant, selbstgerecht und über andere richtend, die nicht dem eigenen Moralkodex entsprechen. Huren dürfen in ihren Augen gern und straffrei ermordet werden, Kindererziehung funktioniert am besten durch Prügel und zu wundern, zu welchen Affekttaten das bei ihnen führt, scheint man sich auch nicht ...

Welch einen Kontrast zur Muffigkeit der Horres, die besonders Werner Hinz als Patriarch mit wackeligem Alibi und Benno Sterzenbach als ewiges Ekel blendend verkörpern, schafft hier die Darstellung des horizontalen Gewerbes! Keine SÜK-Schleudern mit verhärmten Gesichtszügen und abgestumpfter Lebensphilosophie werden uns nahegebracht und die Rufe über die Unvertretbarkeit und Verurteilung der leichten Mädchen kommen ausschließlich aus der Ecke der widerlichen Ätzer. Vohrer, filmisch in diesem Milieu direkt zu Hause, leistete sich stattdessen eine durch und durch heile Fassade des Münchner Vergnügungssektors, der Stephan und Harry aus dem kalten Winter in die Hitze eines edlen Poolclubs rettet (O-Ton Nr. 1 Derrick zu seinem Assistenten: „Na komm, zieh dich doch aus!“), auch sonst für herrlichen Humor gut ist (O-Ton Nr. 2 Kommentar zu Derricks Idee mit dem Anrufbeantworter: „Sie haben wohl ’ne Meise, wa?“) und sich nicht zuletzt erfinderisch dabei zeigt, das Klischeebild des bösartigen, notgeilen Freiers zu untergraben (Alexander Kerst). All das dient dem Ziel, sich mit der ermordeten Ursula Horre im Rahmen des Möglichen zu identifizieren und zum Augenrollen über ihre angeheiratete Familie zu bewegen.

Die nach gewohnt präziser Einschätzung Joachims „typische Vohrer Sex-and-Crime-Geschichte“, die aber im Vergleich zum vor einigen Tagen gesehenen „Perrak“ in dessen Worten „unschuldig wie der Hintern einer Äbtissin“ daherkommt, findet hochwertige Ergänzungen in einer Bootsfahrt über einen winterlichen See, einer nächtlichen Geldübergabe im Wald und einer Teststreckenszene des Münchner Totgeburtprojekts Transrapid. Zu sehen ist das Modell Transrapid 04 des Herstellerunternehmens Krauss-Maffei, das seit 1974 als Nachfolger des Transrapid 02 auf einer 2400 Meter langen Demonstrationsstrecke in München-Allach verkehrte. Bis 2008 schleppten sich Planungen, Werbungen und Ablehnungen hin, bevor man das Traumprojekt der Transrapidanbindung Hauptbahnhof – Flughafen ad acta legte. Heute bereist man diese Strecke nicht mit den angepeilten 350 km/h, sondern ganz traditionell mit der S-Bahn. Ich mag mir kaum vorstellen, welche Reaktion diese Entscheidung beim engagierten Alfred Horre auslösen würde.

Starker Fall, starke Verdächtige, starkes Umfeld, starke Lösung. 5 von 5 Punkten.



Das Ermittlerteam (1): Günther Stoll spielt den Kriminalbeamten Schröder:

Sein letzter „Derrick“-Auftritt fiel so winzig aus, dass er zwangsläufig als Indiz für eine verunglückte Karriere herangezogen werden muss. Stoll, der als Herr Schröder zumeist eine sarkastische, von den Anweisungen seines Chefs genervte Seite nach außen kehrte, verfügte zwar über eine imposante, bestimmt nicht zuletzt von seiner Vorliebe für blauen Dunst geformte Stimme, empfahl sich mit seinem Äußeren aber stets nur für Rollen mit sprödem Charme. Unter den Wallace-Inspektoren stellt er in dieser Hinsicht ein nicht immer geliebtes Unikum dar, markiert mit seinen Auftritten aber deutlich die Abkehr vom plüschigen Schwarzweiß der frühen Sechziger. Dass er damit einen Nerv traf, beweisen sowohl seine ganz unterschiedlichen Besetzungen von Inspektoren bis hin zu intriganten Mordverdächtigen als auch zahlreiche Fans, die ihren Günther noch heute anhimmeln.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.01.2012 19:40
#239 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten



Derrick: Mord im TEE 91

Episode 36 der TV-Kriminalserie, BRD 1977. Regie: Zbynek Brynych. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Alwy Becker (Andrea), Harry Meyen (Harris), Siegfried Rauch (Mohr), Erland Erlandsen, Sepp Wäsche, Ursula Ludwig, Herbert Tiede, Karl Tischlinger u.a. Erstsendung: 10. Juli 1977, ZDF.

Zitat von Derrick: Mord im TEE 91
Im Trans-Europ-Express wird auf der Fahrt von Hamburg nach München ein Mann ermordet. Die Identifikation des Toten kann durch Derrick persönlich beschleunigt werden: Er erkennt ihn als seinen flüchtigen Bekannten, doch Anhaltspunkte ergeben sich daraus kaum. Scheinbar verkehrte er in Kreisen, in denen Geheimhaltung das A und O ist.


Unglaubliche 94 Sekunden dauert es, bis der TEE 91 zum Stehen kommt – abzüglich des Vorspanns! Wer also eine „Derrick“-Episode im Eisenbahnmilieu erwartet hat, dürfte bitter enttäuscht worden sein, da hauptsächlich die ziemlich sterile Wohnung des Mordopfers sowie spröde Gedanken- und Machtspiele um Agenten und Spione das Bild bestimmen. Diese Menschengruppe hat es an sich, möglichst unerkannt bleiben zu wollen, nur nicht aufzufallen, keinen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. In dieser Hinsicht leisten Harry Meyen, Siegfried Rauch und Ringelmanns ewiges Lieblingsgesicht Alwy Becker erstklassige Arbeit: Keine ihrer Rollen wird mir in ein paar Tagen noch im Gedächtnis sein. Auch andere bekannte Darsteller schöpfen ihre Fähigkeiten, teilweise verschuldet durch Mini-Auftritte (z.B. Herbert Tiede), teilweise durch lächerliche Übertreibung (z.B. Thomas Braut), nicht annähernd aus. Die Unzulänglichkeit der Personenzeichnung geht sogar so weit, am Ende wie aus dem Nichts eine Liebelei zwischen „Stephan“ Tappert und „Andrea“ Becker aus dem Hut zu zaubern.

Das süßlich-bittere Ende überzeugt aufgrund seiner Überstürzung leider nicht in dem Maße wie die Auftritte von Johanna von Koczian, bei der davon auszugehen ist, dass ihre Renate Konrad Derrick schon vorher kannte. Auch wirkt es deshalb wie ein Fremdkörper, weil im Rahmen von „Mord im TEE 91“ über weite Strecken ein ungewohnt rauher Umgangston, besonders zwischen Stephan und Harry, gepflegt wird. Horst Tappert streut erstmals auch – zu Recht – Zweifel an einem Fall ein, die ich nur mit ganzem Herzen unterstützen kann. „Ich hab’ direkt Sehnsucht nach einem einfachen, schönen, normalen Mord“, seufzt er und fragt sich dann: „Warum gehe ich nicht in den Urlaub? Ich hab’ sowieso noch 14 Tage gut.“ – Ja, warum eigentlich nicht, wenn kein vernünftiger Fall in Sichtweite ist?

Georg hat gemutmaßt, dass das Script zum „TEE“ den Eindruck macht, ein Recycling bzw. ein unverfilmter Stoff aus der „fünften Kolonne“ zu sein. Da ich diese Serie mit großem Vergüngen gesehen habe, sehe ich den Vergleich etwas skeptisch: Dem sonst unfreiwillig in Geheimdienstkreise verwickelten Außenseiter (in diesem Fall Derrick selbst) werden in „Mord im TEE 91“ einfach nicht ausreichend Gelegenheiten geboten, sich als aktiven Part zu etablieren. Gängelung, Nichtstun und Resignation stehen nicht auf einem Niveau mit spannungsvoller Action und gefährlichen Zwischenfällen zwischen Ost und West. Für die einzige spannende Ermittlungsarbeit stellt sich sogar der neu in die Serie zurückgekommene Willy Schäfer zur Verfügung. Vielleicht war aber auch einfach der Regisseur der falsche für das Thema ...

Nach einem enorm starken Start in Collectors Box 3, der sogar den in die erste Box überbot, war ein Ausfall überfällig. Hier haben wir ihn. In Anlehnung ans vorherige Fazit möchte ich formulieren: schwammiger Fall, langweilige Verdächtige, uneinladendes Umfeld, x-beliebige Lösung. 2 von 5 Punkten.



Das Ermittlerteam (2): Hermann Lenschau spielt den Kriminalrat Harder:

Oftmals wird Wallace-Darsteller Hermann Lenschau bei der Aufzählung des regelmäßigen „Derrick“-Teams vergessen – dabei spielte er in nicht weniger als vier Episoden Derricks Vorgesetzten, den ernsthaften und meist nicht mit seinem Untergebenen übereinstimmenden Kriminalrat Harder. In seinem letzten Auftritt hier in „Mord im TEE 91“ wird die Rolle auch „Degenhardt“ genannt. Harder oder Degenhardt trat meist dann in Erscheinung, wenn Derrick nicht schnell genug auf die richtige Fährte stieß oder interne Besprechungen wie in „Tod am Bahngleis“ nötig waren. Für diese Tätigkeiten eignete sich der immer korrekte und manchmal etwas unsympathisch wirkende, sich aber, wenn nötig, trotz Dienstrang im Hintergrund haltende Lenschau bestens.

Chinesische Nelke Offline



Beiträge: 136

10.01.2012 20:25
#240 RE: "Derrick" oder: das andere Konzept Zitat · Antworten

Ich habe die interessanten Besprechungen der Derrick Folgen zum Anlass genommen, eine Festplatte mit allen 281 Folgen an meinen Fernseher anzuschließen. An "Das Kuckucksei" kann ich mich nur noch Dunkel erinnern, wahrscheinlich habe ich die Erstausstrahlung gesehen, ich werde die gute Kritik aber zum Anlaß nehmen mir die Folgen in dieser Woche anzuschauen. "Mord im TEE 91" fand ich auch sehr schwach, und könnte mir vorstellen, dass die Theorie von Georg richtig ist: Möglicherweise war das Buch für "Die fünfte Kolonne" vorgesehen, dort aber nicht verwertet worden, ggf. weil sie schwach war, zu Derrick passte sie dann gar nicht.
Herbert Reinecker schätze ich sehr, er war aber auch ein Vielschreiber, der schon Mal von sich selber abschrieb (vgl. "Der Kommissar", 1974: "Mord nach der Uhr" und "Derrick", 1979: "Anschlag auf Bruno"). Zudem hat er einige Kommissar Romane, die ab 1977 im Bastei Verlag erschienen sind, für Derrick Folgen verwendet. Ich habe mittlerweile folgende gesicherte Erkenntnisse, z.T. mit Hilfe des Kommissar-Forums:

Buchtitel                       Derrick-Folge          Erstsendung
Die Mädchen vom Cafe Leopold Der Fotograf 06.01.1978
Das Tor zur Hölle Dem Mörder eine Kerze 21.11.1980
Der Kommissar und die Tänzerin Die Tänzerin 03.11.1985
Der Kommissar und der Despot Schonzeit für Mörder 22.08.1986
Die Wahrheit im Mordfall Goos Mordfall Goos 27.11.1987
Wie kriegen wir Brodetzki Gleicher Titel 06.01.1989
Zudem wurde das Buch "Ein Denkmal wird erschossen" 1988 vom ZDF als Fernsehspiel ausgestrahlt.

Nachrichtlich sei noch erwähnt, dass Herbert Reinecker noch 7 Romane unter dem Titel "Karwenna" geschrieben hat, die den Kommissar-Romanen sehr ähnlich sind. Auch hier gab es Derrick Verfilmungen:
Mord im Hofgarten               Der Mann aus Antibes   18.01.1985
Der Strandläufer Wer erschoss Asmy? 19.04.1985
Das absolute Ende Gleicher Titel 25.04.1986
Die Nacht des Jaguars Gleicher Titel 19.06.1989
Sollte jemand noch Ergänzungen haben, würde ich mich über eine Info sehr freuen!

Viele Grüsse
Chinesische Nelke

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