Episode 28 der TV-Kriminalserie, BRD 1976. Regie: Zbynek Brynych. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Pierre Franckh (Pecko), Karl Walter Diess (Holger), Harald Juhnke (Prinx), Stefan Behrens (Baume), Jane Tilden (Frau Lange), Alexander Malachowsky (Liska), Evelyn Palek u.a. Erstsendung: 3. Oktober 1976, ZDF.
Zitat von Derrick: PeckoIn einem schäbigen Hinterhof spielt eine Handvoll Jungen Radball. Einer von ihnen, Pecko, klettert über eine Mauer, um den Ball zurückzuholen, und wird dabei Zeuge eines Mordes. Obwohl Derrick fest davon überzeugt ist, dass Pecko den Täter gesehen haben muss, schweigt der Achtzehnjährige hartnäckig. Warum?
Tja, damit wären wir wieder in augenfälligsten, schreiendsten Brynych-Revieren angekommen: Münchner Hinterhöfe, Sommerglut, die man auch im – zugegeben recht milden – Dezember beinah mit den Fingern greifen kann, schwitzende Tänzerinnen, dreckige Jugendliche, Faulheit, Gewalt, Sex und Drogen – „Pecko“ bietet tatsächlich alles auf, was dieses schmutzbraun-staubgraue Brynych-Flair ausmacht, das viele als absoluten Kult verehren, das aber nichtsdestotrotz immer noch schmutzbraun und staubgrau bleibt. Wohlig zurücklehnen kann man sich wohl eher bei anderen Stoffen, hier hat man doch irgendwie das Verlangen, mit leichter Anwiederung Distanz zu wahren zu den Inhalten, die das ZDF uns doch eigentlich so nahe bringen möchte.
Pecko zum Beispiel. Den Jungen mit Dachschaden. Den, der glaubt, er könne weithin verehrter Radballprofi werden, der glaubt, es gäbe so etwas wie weithin verehrte Radballprofis überhaupt. Er hat nichts anderes im Kopf und deshalb weder Lust zu arbeiten noch sich mit einem Mord, der sich direkt vor seinen Augen ereignete, zu befassen. Nur der Natur kann Pecko sich nicht wiedersetzen, weshalb Pierre Franckh großäugig spitzbübisch lächeln darf, sobald sich die hübsche Ballerina überhaupt einmal mit ihm abgibt. Ansonsten kann ich die Eimer voll Lob, in denen sich Franckh hier waschen darf wie in dem Eimer, den Baume vor ihm hinknallt, nich wirklich nachvollziehen. Solide ist seine Leistung sicherlich, aber irgendwie gerät so ziemlich alles, was Franckh anfasst, zu Trash vordersten Ranges.
Den größten Pluspunkt in der Besetzung bildet in meinen Augen Stephan Behrens. Seine Rolle ist so gänzlich konträr zu seinem humoresken Auftritt in „Der Mann mit dem Glasauge“, dass ich „den prolligen Hausmeister mit dem merkwürdig bekannten Gesicht“ erst im Abspann identifizieren konnte. Als Ausfälle möchte ich dagegen Karl Walter Diess, der aufgrund seines Alters als Bruder von Pecko einfach nur lächerlich daherkommt, und Harald Juhnke bezeichnen, der als Gangster wiederum seine Herkunft aus dem komödiantischen Fach nicht verbergen kann und deshalb ähnlich wie Eddi Arent als Supergangster reichlich unglaubwürdig auf mich wirkt. Überhaupt wird er ja bis zur letzten Szene nicht von seiner wirklich bösartigen Seite gezeigt, was dafür sorgt, dass ich seinen Gaunerboss Prinx mit Schulterzucken ad acta lege.
Wie in den anderen Brynych-Folgen muss natürlich auch noch etwas zur musikalischen Untermalung gesagt werden. Nach Durchexerzieren der Schemata „zeitgenössischer Hit dominiert“ (Alarm auf Revier 13) und „Filmkomposition dominiert“ (Tod des Trompeters) müssen nun zwei Stücke, „Für Elise“ und „Tränen lügen nicht“, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers buhlen. Der Score wirkt umso inkonsistenter, als zwischendrin sogar noch weitere Töne erklingen. Dann doch lieber eine durchhaltende Dauerbedröhnung!
Die Folge bleibt in meinen Augen generell uninteressant, weil sie lieber Pierre Franckh über die möglichst ärmliche Schulter schaut als sich auf die zentralen Verbrechen zu konzentrieren. Eine in nicht unwesentlichen Teilen misslungene Besetzung kommt außerdem auch nur äußerst selten vor, weshalb sie hier umso ärger ins Auge fällt. 3 von 5 Punkten.
Grins, da war er wieder, der Tiefschlag. Ich mag diese Folge sehr, eben wegen ihrer "Schmuddelatmosphäre", gerade wegen dem dummbatzigen Pierre Franckh und diverser Knalltüten. Ich kann es nur immer wieder betonen, es ist sehr spannend, zu welch unterschiedlichen Urteilen wir oft kommen.
Ja, vor allem bei Brynych werden wir wohl kaum auf einen identischen Nenner kommen. Ich lese auch immer, bevor ich meine Texte schreibe, deine und andere Einschätzungen und "Pecko" steht in so ziemlich allen gehörig weit oben. Es kann sein, dass da auch eine Spur Trotz mitspielt (bei "Tote Vögel" habe ich z.B. explizit darauf hingewiesen, dass ich Positiva auch sehe, aber nicht weiter betone, weil sie bislang alles andere als kurz gekommen sind), aber im Großen und Ganzen begeistern mich dann doch eher die weniger "kantigen" Folgen. Ich bin deshalb auch noch einmal sehr gespannt auf den kommenden, hochgelobten "Mann aus Portofino", doch hier steht ja immerhin Herr Hauck im Abspann.
Und wo wir gerade in einer kleinen "Pecko"-Diskussion sind, möchte ich nicht versäumen, anzumerken, dass es in der Kritik von @Mr Keeney eine Passage gibt, bei der ich nicht nur ganz und gar zustimme, sondern bei der ich mich direkt ärgere, dass sie nicht von mir stammt.
Zitat von Mr Keeney im Beitrag #116Die Geschichte ist da wieder mal eher Nebensache, birgt aber immerhin für Wallace-Fans den Riesenclou, dass der gute Horst es mal wieder mit plötzlich in Luft aufgelösten (um nicht zu sagen geplatzten) Mädchentanzgruppen und Drogen zu tun bekommt, und just zum selben Zeitpunkt auch wieder mal mit Fritz Wepper und Stefan Behrens vor der Kamera vereint ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...
War es nun Zufall oder doch eine große Hommage / Verschwörung?
Zitat von Gubanov im Beitrag #213Ich lese auch immer, bevor ich meine Texte schreibe, deine und andere Einschätzungen und "Pecko" steht in so ziemlich allen gehörig weit oben.
In der Gesamtrangliste zur zweiten Box im "Derrick"-Forum allerdings nicht; dort belegt "Pecko" den letzten Platz. Auf deine Besprechung zum "Mann aus Portofino" bin ich schon jetzt so gespannt wie die Mordwaffe eines grün gekleideten Wallace-Schurken. Nachdem du mit den "toten Vögeln" und "Pecko" bereits zwei meiner Top 3 Folgen dieser Box abgestraft hast, befürchte ich nun einen Hattrick.
Zitat von Gubanov im Beitrag #213Den größten Pluspunkt in der Besetzung bildet in meinen Augen Stephan Behrens. Seine Rolle ist so gänzlich konträr zu seinem humoresken Auftritt in „Der Mann mit dem Glasauge“, dass ich „den prolligen Hausmeister mit dem merkwürdig bekannten Gesicht“ erst im Abspann identifizieren konnte.
Zitat von Marmstorfer im Beitrag #214In der Gesamtrangliste zur zweiten Box im "Derrick"-Forum allerdings nicht; dort belegt "Pecko" den letzten Platz.
Danach habe ich noch gar nicht geschaut, danke für den Hinweis, aber ich kann nicht behaupten, dass diese Wertung gegen das Derrick-Forum spricht. Was Stefan Behrens angeht, so ist mein Satz die reine Wahrheit. Ich bin bei Schauspielerzuordnungen oftmals völlig vernagelt.
Episode 29 der TV-Kriminalserie, BRD 1976. Regie: Dietrich Haugk. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Kurt Meisel (Ingo Parenge), Eva Rieck (Margot Parenge), Reinhard Kolldehoff (Herr Kremp), Alexander Golling (Herr Bachler), Maresa Hörbiger (Luise Bachler), Ursula von Reibnitz (Frau Bachler), Lotte Hass (Frau Parenge) u.a. Erstsendung: 28. November 1976, ZDF.
Zitat von Derrick: Der Mann aus PortofinoIn einer spektakulären Aktion retten zwei Männer einen kurz vor seinem Prozess stehenden Verbrecher aus der Untersuchungshaft. Doch sobald der Halunke in seinen Fluchtwagen steigen will, wird er von eben denen, die ihn befreiten, erschossen. Offenbar wollten sie verhindern, dass Details über einen Todesfall ans Licht kommen, der vor mehreren Jahren vor der Küste bei Portofino geschah ...
Entwarnung: kein Hattrick. @Marmstorfer, du kannst entspannt weiterlesen!
Ja, ich weiß gar nicht, wo ich eigentlich anfangen soll. „Der Mann aus Portofino“ ist ein wahres Feuerwerk, das Eindrücke aus allen Richtungen von experimenteller bis klassischer, humorvoller bis dramatischer Natur vereint. Wirklich ungewöhnlich komplex wickelt das Script gleich drei Morde, deren Verbindungen man zwar düster erahnen kann, die aber erst am Ende wirklich in Gänze aufgedeckt werden, ab, verwirrt damit vielleicht den einen oder anderen „Derrick“-Fan, was im Derrick-Forum zur Meinung führt, die Folge könne man erst beim zweiten oder dritten Sehen verstehen und schätzen lernen. Keineswegs, ich bestätige, dass es auch schon beim ersten Mal funktioniert.
Dann ist die Atmosphäre zu nennen. In den ersten Minuten könnte man vermuten, dass man es wieder mit einer München terrorisierenden, ballerfreudigen Gewohnheitsverbrecherbande zu tun bekommen könnte, doch Percy Lister hat mit ihren atmosphärischen Schilderungen des ruralen Umlands nicht zu viel versprochen: Ein abgewirtschafteter Landgasthof, der fast schon Wohnzimmercharakter besitzt, ein Landsitz, bei dem ich sofort an Edgar Wallace denken musste, und Charaktere, die niemals einer Großstadt entspringen könnten, verleihen dem „Portofinisten“ das gewisse Extra. Moorlandschaften garantieren in ZDF-Produktionen überdies auch immer Erfolge, wie schon der „Kommissar“ mit „Der Moormörder“ bewies.
Teil 3 des Rezepts besteht in skurrilen Typen. Den heruntergekommenen Prügler, den der Ex-„braune Theaterfürst von München“ Alexander Golling mit altersdurchfurchter Entschlossenheit erschreckend echt und bedrohlich gibt, unterstützt noch einmal zusätzlich die unheilschwangere Elektromucke von Herrmann Thieme. Und man beachte den Glatzkopf mit Reputation, Stursinn und Geheimniskrämerei – irgendwie scheint Kurt Meisels exaltiert sprechender Herr Parenge die Backvorlage für Peer Jägers Rechtsanwalt Ryder im Wallace-TV-Krimi „Schloss des Grauens“ gewesen zu sein.
Die magische Mischung von „Portofino“, zu der auch die charakteristischen Rückblenden beitragen, wird auch durch kleine Mängel, die ich – dann wohl doch im Gegensatz zu allen anderen – gerade im doch sehr dominant betonten Humor verorte, nicht nennenswert beschädigt. „Schnupftabak ist nichts für Amateure“ – das ist doch eine alte Klamaukschabracke und verliert spätestens nach der zweiten Szene, in der der Kniff verwendet wird, an Reiz. Wäre „Der Mann aus Portofino“ ganz ohne Lacher ins Rennen gegangen, hätte die beklemmende Enge des weiten Landes noch prägnanter herausgestellt werden können. Auf der anderen Seite darf man wohl froh sein, dass Tappert mit dieser Nummer unter Beweis stellte, dass er mehr konnte als Fragen stellen und nachdenken. Oder, wie Hampel es ausdrückt:
Zitat von Katrin Hampel: Das große Derrick-Buch, Henschel Verlag Berlin, 1995, S. 111Der Autor Reinecker [...] hatte eine Idee, die Horst Tappert als Darsteller vollauf akzeptierte. Die neue Figur des Derrick war wesentlich lebensnaher als die des Ode-Kommissars. Vor der Presse resümierte er: „Ich mag den Derrick.“
Ja, das Sympathiepotenzial steigt und steigt ... – Ganz im Gegensatz zu dem von Kolldehoff. Bei dem schließt sich wieder der Kreis zum Umgang mit der NS-Vergangenheit, wenn auch vielleicht mit den abschließenden Worten dem nach wie vor sensiblen Zuschauer ein wenig zu offensichtlich aufs Gesicht gedrückt.
Aus dem Bauchgefühl heraus würde ich mit tiefer Verbeugung 4,5 Punkte verteilen. Da ich „Der Mann aus Portofino“ aber in der Rangliste nicht hinter „Schock“ sehen möchte, verbeuge ich mich für 5 von 5 Punktennoch ein Stückchen tiefer.
Martina Busse (Dietlinde Turban) schleppt sich mühsam durch die Nacht, jeder Schritt scheint ihr Qualen zu bereiten. Harry Klein wird auf die junge Frau aufmerksam, begleitet sie bis nach Hause, auf die besorgten Fragen des Kriminalbeamten reagiert sie beschwichtigend, wiegelt Hilfe weitgehend ab. Da die freundliche Vermieterin (Tilly Lauenstein) im selben Haus lebt, kann sich Harry einigermaßen beruhigt verabschieden. Freilich lässt ihm der Zustand der attraktiven jungen Dame keine Ruhe, am nächsten Morgen will sich Harry nach ihrem Befinden erkundigen. Die Vermieterin Frau Degenhardt wundert sich über die von innen abgeschlossene Tür, auch auf Zurufe erfolgt keine Reaktion. Kurzerhand bricht Klein die Tür auf, der Anblick ist erschreckend, Martina Busse hat sich mit Schlaftabletten das Leben genommen. Obschon es sich offensichtlich um einen Selbstmord handelt, kann Harry nicht zur Tagesordnung übergehen, tatsächlich weist die Obduktion der Leiche auf eine eventuelle Vergewaltigung hin. Mit wem hatte die Kunststudentin zuletzt Kontakt, wer könnte ihr dermaßen übel zugesetzt haben? Martina war mit ihrem Kommilitonen Ulrich Schumann (Karl-Heinz von Liebezeit) befreundet, der nicht leugnet sie am Vorabend noch gesehen zu haben. Derrick und Klein schöpfen sofort Verdacht, doch Ulrichs Vater (Lambert Hamel) ist ein cleverer Rechtsanwalt, er bereitet seinen Sohn und dessen Freunde auf die Begegnung mit der Polizei vor. Martina war zu Besuch bei Ulrich, vermutlich wurde sie dort von drei jungen Burschen vergewaltigt. Stephan und Harry sind von der Kaltschnäuzigkeit der Verdächtigen angewidert, doch eine andere Person gewährt brennenden Rachegelüsten freien Lauf, der Fall zieht weitere Kreise...
Wieder kümmert sich Harry Klein rührend um eine junge Dame, selbstverständlich geht das Unterfangen nicht ohne Tragik über die Bühne. Fritz Wepper und Horst Tappert unterstreichen einmal mehr eindrucksvoll ihr großartiges Zusammenspiel, bevor die Beamten Kenntnis vom Tod der jungen Frau haben, nimmt Derrick den besonders fürsorglichen Klein liebevoll auf die Schippe. Karl-Heinz von Liebezeit gibt überzeugend den unsymphatischen Mistkerl, einer seiner Freunde wird von Gammelfratze Ekkehardt Belle kaum weniger abstossend dargestellt. Lambert Hamel passt vortrefflich zum Klischee des abgebrühten Rechtsverdrehers, der Zuschauer wundert sich daher nicht über die Stumpfheit seines Filmsohnes. Elfriede Kuzmany verkörpert eine Bürokraft, die den Studentinnen der Kunsthochschule zur Seite steht, Robert Atzorn sehen wir als zurückhaltenden Dozenten. Dietlinde Turban bleibt nur der Auftakt, ihre wenigen Szenen meistert sich auf hohem Niveau, man nimmt ihr die alles verschlingende Verzweiflung ohne Vorbehalte ab. Einige Studentinnen sind von der Schuld Ulrich Schumanns felsenfest überzeugt, vor allem Petra Verena Milchert und Pia Haenggi bleiben als zornige Frauen in Erinnerung. Für Willy Schäfer bleibt (wie so oft) nur die Rolle des sklavischen Zuarbeiters Berger.
Die Fronten sind schnell geklärt. Auf der einen Seite die gefühllos anmutenden Vergewaltiger, denen scheinbar jegliches Schuldbewusstsein fremd ist. Auf der anderen Seite die Reihen der "Guten", wütende Studentinnen und eine mütterliche Verwaltungsmitarbeiterin. Derrick und Klein sind redlich bemüht den Schaden irgendwie zu begrenzen, machen allerdings keinen Hehl aus ihrer Abscheu, es gibt mehrfach klare Ansagen in Richtung der vermutlichen Vergewaltiger. Selbstjustiz wird dennoch nicht toleriert, dadurch würden die Charaktere unserer Helden unnötigerweise stark beschädigt, Chaos und Anarchie sind keine Weggefährten der Herren Derrick und Klein. Vielleicht wird der Zaunpfahl mit der dicken Aufschrift "Verfall der Moral" eine Spur zu häufig geschwungen, ein Abgleiten in krampfig-wahnhafte Spiessbürgeransichtigen kann man den Inspektoren jedoch nicht unterstellen. Die Kälte und Gleichgültigkeit der Schänder berühte mich unangenehm, das Drehbuch drängt den Zuschauer zu Verständnis für die selbsternannten Richter, die "Message" wird durch die klare Position Derricks in geregelte Bahnen gelenkt, der Oberinspektor bekennt sich -bei allem Verständnis für die Wut einiger Figuren- eindeutig zu unserem Rechtsstaat. Regisseur Alfred Vohrer jubelte dem braven TV-Konsumenten der frühen achtziger Jahre nackte Kerle unter, irgendwas müssen die angehenden Künstler schliesslich zeichnen. Überhaupt scheint der Lehrplan nichts anderes als Aktmalerei herzugeben, egal wann die Ermittler die Uni aufsuchen, die Studenten sind immer mit diesem Thema beschäftigt. Schelm Vohrer lässt hier und da einen Po oder Riemen aufblitzen, bietet dem geneigten Betrachter später sogar eine hüllenlose Dame an. Frank Duval war bei dieser Folge mutig, seine Musik tönt angenehm kantig und elektronisch flirrend aus den Lautsprechern. Ich bin sehr zufrieden mit "Das Alibi", die Auflösung ist zwar nicht die ganz grosse Überraschung, hätte eventuell noch eine Spur harscher ausfallen dürfen.
Episode 30 der TV-Kriminalserie, BRD 1977. Regie: Zbynek Brynych. Drehbuch: Herbert Reinecker. Mit: Horst Tappert, Fritz Wepper sowie: Günther Stoll (Schröder), Susanne Beck (Yellow He), Martin Semmelrogge (Ali), Volker Eckstein (Benocha), Maria Schell (Erika Rabes), Karl Lieffen (Albert Rabes), Wolf Ackva (Dr. Georg Rabes), Liane Hielscher (Helga Schirrmeyer) u.a. Erstsendung: 23. Januar 1977, ZDF.
Zitat von Derrick: Yellow HeMan nennt sie Yellow He und so verrückt wie ihr Spitzname sind auch ihre Einfälle: Dem jungen, einfältigen Alfred Rabes schlägt sie nach der ersten gemeinsamen Nacht vor, zu heiraten, worauf dieser sofort anspringt. Am gleichen Tag wird sein Onkel ermordet und es stellen sich prompt einige Schwierigkeiten bei der Suche nach einem qualifizierten Nachfolger für dessen Firmenposten heraus.
Es ist etwas schwierig, die Folge unvoreingenommen zu betrachten, wenn der erste Eindruck, den man im Vornherein von ihr erhielt, dieses Foto ist. Es zeigt Susanne Beck in der Titelrolle, und Susanne Beck bestätigte meine Erwartungen aufs Genaueste. Mit tatkräftiger Brynych-Unterstützung trägt sie als völlig durchgeknallte (und in meinen Augen tausendmal mehr als Ali Rabes psychisch angeknackste) Grinsebacke so dick auf, dass sie jede Szene, in der sie auftrat, hoffnungslos verdarb. So eine nervige Umsetzung eines Charakters hat man bei „Derrick“ jedenfalls bislang noch nicht gesehen.
Umso mehr überrascht es, dass „Yellow He“ unterm Strich bei mir trotzdem nicht allzu übel abschneidet. Wenn man allen Brynych- und Beck-Klamauk, den allgegenwärtigen Hippie-Stil und die der Handlung hier einmal mehr im Weg stehenden Exzesse von Musik, Lachen und Verschrobenheit beiseite schiebt, erkennt man einen sehr soliden Krimiplot, der eigentlich gar nicht zu der Machart der Folge passt. Er ist nämlich die klassischste Grundlage, die man sich vorstellen kann: eine Familiengeschichte, eine Erbschaftsangelegenheit, ein Dickicht zerbrochener und verlogener Beziehungen. Hätte man vor allem die Charaktere, die Beck, Semmelrogge, Brauss und Lieffen spielen, ernsthafter gezeichnet und anders besetzt, wäre wahrscheinlich ein wirklich guter Fall zum Abschluss der zweiten Collectors Box herausgekommen. Sogar die Überführung macht einen runden Eindruck, was an der dezent zurückhaltenden Darstellung des Täters, der damit in der Rummelplatzatmosphäre leider ein wenig untergeht, und dem hieb- und stichfesten Beweis für seine Schuld liegt.
Ebenfalls erwähnt werden sollte der Auftritt von Maria Schell. Natürlich wurde die prominente Diva mit einigen unnötig langen Großaufnahmen „ins rechte Licht gerückt“, aber sie hinterlässt wirklich einen glaubhaften Eindruck einer klugen und gefühlskalten Frau, die von der Liebe enttäuscht wurde und sich nun in ihren luxuriösen, oberflächlich freundlichen, in Wahrheit aber ungemein gleichgültigen Lebensstil flüchtet. Außerdem scheint sie entweder vergesslich oder der Wahrheit nicht allzu verpflichtet zu sein, denn während sie behauptet, ihr Vorname laute Christine, nennt der Abspann sie Erika.
Die Szenen, in denen Erika-Christine Rabes von Derrick befragt wird, wurden sehr persönlich, fast intim aufgenommen und bilden damit einen schönen Kontrapunkt zur sprunghaften, lauten, egoistischen und dummen Yellow He. Ausschnitte daraus verwendete das ZDF dann auch jüngst für eine Derrick-Parodie, in der – irgendwie passt es zu dieser Episode – Stephan und Harry heiraten wollen: „Derrick – Wege zum Glück“. Auch anderweitig finden sich Parallelen zwischen der bunten Welt von „Yellow He“ und aktuellen Trends, denn das 1932 für ein jiddisches Musical geschriebene „Bay mir bistu sheyn“ (Für mich bist Du schön) steht just in diesem Moment in der Version der aserbaidschanischen Sängerin Ilhama wieder auf Platz 70 der deutschen Charts.
Bei „Yellow He“ ärgert mich nicht nur Susanne Beck, sondern vor allem der Umstand, dass man aus den Möglichkeiten des Drehbuchs viel mehr hätte machen können. Die klassische Story gerät bei allem Popanz in den Hintergrund und Wolf Ackva überlebt seine erste Szene nicht. Glücklicherweise erhält Maria Schell ein wenig mehr Aufmerksamkeit. 3 von 5 Punkten.
Bei der zweiten Kollektion schätze ich die Episoden im Vergleich wie folgt ein:
Platz 01 | ★★★★★ | Folge 026 | Das Superding (Becker) Platz 02 | ★★★★★ | Folge 018 | Angst (Grädler) Platz 03 | ★★★★★ | Folge 022 | Kein schöner Sonntag (Lindtberg) Platz 04 | ★★★★★ | Folge 029 | Der Mann aus Portofino (Haugk) Platz 05 | ★★★★★ | Folge 020 | Schock (Vohrer)
Platz 06 | ★★★★★ | Folge 027 | Risiko (Wirth) Platz 07 | ★★★★★ | Folge 016 | Tod der Kolibris (Haugk) Platz 08 | ★★★★★ | Folge 023 | Auf eigene Faust (Brynych)
Platz 09 | ★★★☆★ | Folge 025 | Das Bordfest (Weidenmann) Platz 10 | ★★★☆★ | Folge 017 | Tod des Trompeters (Brynych)
Platz 11 | ★★★★★ | Folge 024 | Ein unbegreiflicher Typ (Grädler) Platz 12 | ★★★★★ | Folge 030 | Yellow He (Brynych) Platz 13 | ★★★★★ | Folge 019 | Tote Vögel singen nicht (Vohrer) Platz 14 | ★★★★★ | Folge 028 | Pecko (Brynych)
Platz 15 | ★★☆★★ | Folge 021 | Kalkutta (Weidenmann)
Berthold Dettmers (Sky du Mont) wird vor seinem Haus von einem PKW überfahren, der junge Mann ist sofort tot. Laut der Aussage eines Augenzeugen handelte der unbekannte und flüchtige Autofahrer mit Vorsatz, Derrick und Klein übernehmen die Ermittlungen. Das Opfer lebte in einer luxuriös eingerichteten Wohnung, seine Bankunterlagen weisen Berthold Dettmers als wohlhabend aus. Den Kriminalbeamten kommt das Vermögen des Getöteten verdächtig vor, denn offenbar ging dieser keiner geregelten Tätigkeit nach. Auch Wilhelm Dettmers (Wolfgang Reichmann), der Vater des Toten, hat keine Erklärung bezüglich der Einkünfte seines Sohnes, gleiches gilt für seine noch bei ihm lebenden Kinder Anita (Ute Willing) und Rudolf (Till Topf). Immerhin lässt sich recht schnell ein Verdächtiger ausmachen, der kleine Gauner Andreas Kober (Dirk Galuba) ist flüchtig, eine erste Spur führt zur Wohnung der wenig kooperativen Lena Schärer (Franziska Bronnen), bei der Kober vermutlich seit einiger Zeit Unterschlupf gefunden hat...
Im Zentrum dieser Folge steht die Familie Dettmers, deren tragisches Dasein den Zuschauer leider nicht berührt, denn das Drehbuch wirkt arg bemüht, die Figuren blieben mir fremd. An den durchaus soliden Darbietungen der Schauspieler liegt es nicht. Problematisch ist das "unrunde und befremdliche Familienkonstrukt", welches gleichzeitig nicht grotesk genug ausfällt, um sich auf "andere Art" des Betrachters zu bemächtigen. Ohne kurze Würdigung sollen die Herrschaften dennoch nicht zu den Akten gelegt werden. Wolfgang Reichmann bemüht sich um die Aufrechterhaltung der Fassade, hinter der längst alles in Schutt und Asche liegt. Er bringt den Zerfall seiner Figur glaubwürdig rüber, wird aber zwischen Überzeichnungen und Belanglosigkeiten aufgerieben, schade. Till Topf und Ute Willing bleiben völlig austauschbar, nicht besser ist es um die im Sanatorium lebende Mutter bestellt, die von Doris Schade gespielt wird. Sky du Mont soll einen eiskalten, gefühllosen und berechnenden Charakter verkörpern, erhält jedoch keine Gelegenheit zur Entfaltung. Dirk Galuba macht uns den üblichen Ganoven, Franziska Bronnen sein Liebchen, Alf Marholm taucht in einer kleinen Nebenrolle auf.
Eventuell war die "seltsame Belanglosigkeit" der Familie beabsichtigt, um ihre totale Ausgebranntheit auf diese Weise abzubilden. Menschen die bereits das Stadium tiefer Verzweiflung und panischer Angst durchlaufen haben, von denen tatsächlich nur noch leere Hüllen ohne jegliche Perspektive übrig sind. Sollte dies der Fall sein, ist es weder Autor Herbert Reinecker noch Regisseur Alfred Weidenmann gelungen, die zerstörten Personen in angemessener Form anzulegen. Drogen dienen als Aufhänger, der erhobene Zeigefinger bewegt sich mühevoll vor der Nase des Zuschauers umher. Horst Tappert und Fritz Wepper haben ein paar starke Momente, die einen erfrischenden Kontrast zur "gehaltvollen Inhaltlosigkeit" von "Hausmusik" bilden. Ein Sprung in den Tümpel der durchgekautesten Klischees? Ein kleiner Geniestreich? Ein Spätzünder? Ich weiss es nicht!
Dora Korin (Heidelinde Weis) erhält einen beunruhigen Anruf. Karl Waginger (Edwin Marian) meldet sich bei der attraktiven Frau, die mit dem wohlhabenden Geschäftsmann Georg Korin (Peter Pasetti) verheiratet ist. Der aus Kiel angereiste Waginger verbüßte zuvor eine mehrjährige Haftstrafe wegen Diebstahls, seine Ehe mit Dora wurde nie geschieden, die holde Gattin machte sich nach Karls Haftantritt aus dem Staub. Längst hat Dora mit ihrem alten Leben abgeschlossen, will den für sie unverzichtbaren Luxus nicht gefährden. Sie verschleiert vor Georg die Tatsachen, Korin ahnt nichts von der Vergangenheit seiner Frau, Karl Waginger wird als neuer Gärtner und Chauffeur eingestellt. Wenig später wird die Mordkommission zum Anwesen der Familie Korin gerufen, der Hausherr Georg Korin wurde in seinem Garten erstochen. Dessen noch im Haus lebende Kinder Maria (Kristina Nel) und Ulrich (Hans-Jürgen Schatz) sind geschockt, doch auch sie ahnen noch nichts von der Vorgesichte ihrer Stiefmutter oder der Herkunft Karl Wagingers. Derrick und Klein stossen bei ihren Ermittlungen auf die Akte Wagingers, aber ist ein Dieb zu einem kaltblütigen Mord fähig...???
"Der Mann aus Kiel" bietet vor allem eine Bühne für die bezaubernde Heidelinde Weis, in deren Augen man(n) lustvoll versinken möchte. Der schöne Schein soll sich als sehr trügerisch entpuppen, hinter der anziehenden Fassade wütet die Verdorbenheit. Ich verrate an dieser Stelle sicher nicht zu viel, denn der Kriminalfall ist fraglos recht leicht durchschaubar. Weitaus interessanter ist das Beziehungsgeflecht der Charaktere, in dem bald die wahre Spinne im Netz erkennbar wird. Vielleicht wird der Zaunpfahl ein wenig zu heftig geschwungen, wenn man nebenher die von Weis gespielte Dora Korin als Schauspielerin bei einer Theaterprobe beobachten darf. Edwin Marian agiert als aufdringlicher Ex-Häftling weniger grobschlächtig als z. B. Peter Kuiper in "Der Untermieter" (Folge 87). Die zunächst unterschwellig bedrohliche Ausstrahlung weicht zunehmend, übrig bleibt ein tragischer und armseliger Wicht, eine starke Vorstellung (letztlich ergibt sich daher durchaus eine Parallele zu Kuipers Part in Folge 87). Peter Pasetti gibt zu Beginn den leicht unterkühlten und sachlichen Herrn des Hauses, als Opfer wird er früh aus dem Spiel genommen. Hans-Jürgen Schatz erliegt den Reizen von Heidelinde Weis, Kristina Nel bleibt unscheinbar, Ingeborg Lapsien sehen wir als freundliche Haushälterin. In einer kleinen Nebenrolle ist Helen Vita als unfreundliche Pensionswirtin am Start, Alf Marholm unterstützt die Ermittler mit telefonischen Auskünften.
Alfred Vohrer inzenierte bodenständig, hin und wieder blitzt feiner Humor auf, die Beziehung zwischen Heidelinde Weis und Hans-Jürgen Schatz sorgt für einen zarten Hauch Sleaze. Auf den ersten Blick mag Schatz zu sehr ein biederes Bürschlein sein, doch eben diese Eigenschaft lässt ihm zum idealen Spielball werden. "Der Mann aus Kiel" brodelt von Beginn an, dank des starken Ensembles fesselt die Folge den Zuschauer bis zur letzten Sekunde, obschon sich das bittere Finale schon lange zuvor abzeichnet. Frank Duval untermalte das Geschehen mit angemessenen Tönen. Ein unterhaltsamer Beitrag zur Reihe der auf starke Darsteller baut, während für Freunde des Rätselratens weniger Substanz geboten wird. Habe ich etwas vergessen? Klar, für Berger bleiben erneut nur Handlangerarbeiten übrig, manchmal frage ich mich, ob Willy Schäfer als Sklave in der Abstellkammer gehalten wurde.
Nicht immer, wenn es bei Derrick aufs Land geht, wird die Klaviatur des „Landinstrumentariums“ so furios betätigt wie bei „ Der Mann aus Portofino“, muss sich Harry tatkräftig auf dem Tanzboden beweisen (siehe „Eine Nacht im Oktober“) oder wird die innerhalb dieser Serie irgendwie stets gerne als besonders rau und in ihrer abgeschiedenen Abgegrenztheit als brachial vermittelte Landwirklichkeit mit derben Eindrücken aus Entwicklungsländern konterkariert (konsultiere „Kalkutta“).
Nein, diesmal geht es, trotz Alfred Vohrer, der sich, wie Blap schon schrieb diesmal sehr zurückhält, und trotz einer ganzen Latte von (größtenteils von mir überaus hochgeschätzten) gestandenen bayerischen Volkschauspielern (Karl Tischlinger, Helmut Fischer, Hansi Kraus, der grandiose Toni Berger und der von mir auch immer gern gesehene Werner Asam) in teilweise mikroskopischen Röllchen weniger um Äußeres denn um die Ergründung von inneren Seelenlandschaften, es werden bereits vernarbt geglaubte Wunden aufgerissen und man ahnt irgendwie früh, dass wie auch immer die Operation verlaufen wird, dass irgend jemand neben dem eigentlichen Täter am Ende ebenfalls wird bluten müssen.
Wen wunderts da, dass die hinterhältigen Bestrebungen ausgerechnet auf eine von Ruth Leuwerik verkörperten Ärztin gerichtet sind? Und dank des geschickten Drehbuchkniffes, die in der Folge maßgeblichen Familienzwistigkeiten vor allem durch den Neffen in seiner ihm durch den gescheiterten Anschlag auf seine Tante so wie ein reifes Früchtchen zugefallenen Rolle als (zunächst höhnisch und sadistisch ihre Ängste auskostenden) Bodyguard und Chauffeur aufarbeiten zu lassen (ein derartiges Mini-Roadmovie eignet sich ja immer sehr gut, um menschliches „Gefühlsgeröll“ in Bewegung zu bringen, auch dachte ich spontan kurz an den Roman „Seelenarbeit“ von Martin Walser ein), gibt es trotz allem auch einiges an wirklichen Landschaftsaufnahmen zu sehen, und als Schmankerl sogar einen Dorfgasthof (für Stadtgasthof: s.u.) von innen.
Traugott Buhre als „verlorener“ und von der seiner „klinisch-kalten“ Ärzteschwester bereits abgeschriebener Alkoholiker zeigt ebenso wie die anderen Schauspieler eine gute Leistung, die herausragende Szene dieser Folge für mich ist der nächtliche Anruf seiner Schwester bei ihm kurz nach dem Mordanschlag.
Blass bleibt die Episode allerdings für mich immer dann, wenn Sie die Lebenshintergründe der beteiligten Personen beleuchtet bzw. zu beleuchten sucht. Die Milieuzeichnungen (vor allem auch die Münchner Großkneipe in deren Hinterzimmer Buhre beim Kartenspielen angeblich Unsummen verlieren soll oder die Ärztin und ihre ganz normale Lebensroutine) bleiben seltsam steril und kulissenhaft.
Wie schon häufiger kommt mir diese Derrick-Story etwas allzu reißbrettmäßig vor, im Vergleich zu ähnlichen und auf mich schlüssiger, plausibler und „lebenssaftstrotzender“ wirkender (visueller) Erzählungen beim Kommissar oder beim Alten. Leider kann mich die Folge daher nicht restlos bannen, die fehlende überzeugende Urwüchsigkeit wird nämlich auch in keiner Weise durch Spannung (es passiert phasenweise nur sehr wenig) und nur zum Teil durch das reine Interesse am Fortgang der Geschichte wettgemacht.
Auch die abschließende Täterüberführung (und die genannten Motive des Täters) passt ein wenig zu diesem meinem Eindruck und bestätigt in meinen Augen das „Hauptsache aus dem Hut und überraschend“-Prinzip, dem sich die Reihe in dieser Phase (vergleiche hierzu insbesondere auch „Tod eines Fans“ oder noch krasser „Abendfrieden“) ganz und gar konträr zur mutigen Ausrichtung in der Frühphase (aber auch bei den früheren „whodunits“ schien die finale „Schlussenthüllung“ nicht derart forciert zu sein) etwas allzu gezwungen unterwarf.
Insgesamt bleiben gute Schauspieler in einer interessanten Geschichte, mit genannten Abstrichen. Eine gute Folge, der aber das gewisse Etwas und somit ein ganzes Quantum hin zu „überragend“ fehlt.
BEWERTET: "Tod der Kolibris" (Folge 16) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Ernst Schröder, Sylvia Manas, Edith Heerdegen, Heinz Ehrenfreund, Paul Bürks, Benno Sterzenbach, Nangoi Supasi, Maria Minh, Günther Stoll u.a. - Regie: Dietrich Haugk
Ein beschwipstes Ehepaar findet nach einer ausgelassenen Party eine weibliche Leiche im Kofferraum. Es handelt sich um eine Thailänderin, die von unbekannter Hand erstochen wurde. Die Tat geschah in der selben Straße, in der das Ehepaar eingeladen war. Die junge Frau wurde in einer Telefonzelle ermordet, als sie Hilfe rufen wollte. Ein gewisser Dr. Scheibnitz wohnt ganz in der Nähe und dessen gelähmte Tochter Anita ruft anonym die Polizei an und gibt einen Hinweis auf ihren Vater. Stephan Derrick präsentiert sich dem Zuseher und seinem Freund Harry diesmal von seiner ruppigen Seite, was man ihm aber gern verzeiht, hat er doch 48 Stunden durchgearbeitet und ist deshalb wie jeder Mensch müde und gereizt. Im Gegenteil, dem vielgehörten Vorwurf, Derrick sei eine Perfektionsmaschine mit hundertprozentiger Erfolgsquote wird auf diese Weise mutig entgegengetreten und unsere Sympathie für den Oberinspektor somit noch erhöht. Ernst Schröder ist dem Zuschauer natürlich sofort suspekt, haben wir ihn doch schon seit "Rudek" ("Der Kommissar" Folge 55) auf der Liste der Männer, die heimlich junge Frauen freien und dabei die eigenen Töchter überbehüten. Mister Doppelmoral tritt uns rabiat und puterrot entgegen, während er seine Tochter ohrfeigt (siehe auch hier: Rudek) und dem Oberinspektor mit Konsequenzen droht - man ist schließlich mit dem Polizeipräsidenten befreundet (der vermutlich einem üppigen Fruchtkorb ebensowenig abgeneigt ist). Doch nein! Die Haushälterin ist es, die mit Unannehmlichkeiten droht; übrigens ein ähnliches Exemplar wie die loyale Hausdame von Dr. Meinhardt ("Der Kommissar" Folge 18) - sogar die abgewaschenen Gläser mit Lippenstift werden erwähnt. Doch Derrick lässt sich trotz Schlafmangels nicht entmutigen. Gezielt geht er auf Dr. Scheibnitz und dessen Tochter los. Eine Spur, die ihn bis zu Benno Sterzenbach führt, der als Bordellbetreiber gutes Geld verdient. Geld, das viele Männer offenbar leicht entbehren können, sich der Folgen ihrer "Geldanlage" jedoch nicht bewusst sind - bewusst sein wollen. Solange es nur fremde Frauen betrifft, sieht man gern weg. Kommt jedoch ein Familienmitglied in ernsthafte Gefahr, spitzt man(n) die Ohren. So auch Dr. Scheibnitz. Anita als Kronzeugin muss beseitigt werden. Statt sich jedoch eines 08/15-Killers zu bedienen, entschied sich Dietrich Haugk (der das heikle Thema der unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockten Asiatinnen gewohnt behutsam inszeniert) für Heinz Ehrenfreund. Den blonden Jüngling bringt man nicht so schnell mit eiskaltem Töten in Verbindung. Warum die jungen Thailänderinnen mit Kolibris in Verbindung gebracht werden? Vermutlich wegen ihrer farbenfrohen Seidengewänder. Ihren Ursprung haben diese Vögel jedoch auf dem amerikanischen Kontinent.
Folge 98 - Ein unheimliches Erlebnis(Deutschland 1982)
Anita Schneider (Louise Martini) ist sauer, ihr Gatte schenkt ihr auf einer Betriebsfeier zu wenig Aufmerksamkeit. Charmeur Answald Hohner (Claus Biederstaedt) nutzt die Gelegenheit, bietet der attraktiven Frau seine Dienste als Fahrer an. Freilich möchte Hohner sich eindringlicher mit der von ihm begehrten Dame befassen, ergo sucht man in einem Hinterhof ein unbeobachtetes Eckchen. Doch bevor die Körpersäfte fliessen können, fährt den Lüstlingen mit Nachdruck der Schrecken ins Gebein. Drei finstere Gestalten zwingen Hohner mit Waffengewalt dazu, eine offensichtlich verletzte vierte Person umgehend ins Krankenhaus zu transportieren. Als Anita und Answald einen etwas genaueren Blick auf den Fahrgast werfen, können sie nur noch den Tod des Mannes feststellen. Um nicht in Schwierigkeiten zu geraten, platziert man die Leiche dekorativ auf einer Parkbank und sucht das Weite. Derrick und Klein übernehmen die Ermittlungen, denn der Banksitzer weist eine Schusswunde auf. Für Derrick ist der Tote kein Unbekannter, er hatte vor seiner Zeit bei der Mordkommission mehrfach mit dem Berufseinbrecher zu tun. Frau Engler (Agnes Fink), die Witwe des Getöteten, legt keinen Wert auf die Zusammenarbeit mit der Polizei. Lieber ruft sie ihren ältesten Sohn Udo (Michael Wittenborn) herbei, der junge Mann studiert seit einiger Zeit in Heidelberg. Mutter Engler will Rache, drängt Udo zu Nachforschungen auf eigene Faust. Steuert die Familie auf eine weitere Katastrophe zu...???
Zunächst stehen Louise Martini und Claus Biederstaedt im Mittelpunkt, die im Verlauf der Folge noch mehrfach zu sehen sind. Während die von Martini dargestellte Anita Schneider in erster Linie um ihren Ruf besorgt ist, wird Biederstaedt in der Rolle des Answald Hohner nicht müde, die Frau seiner lüsternen Wünsche weiter zu umgarnen. Biederstaedt umgibt stets dieser Hauch eines durchschnittlichen Spiessbürgers, oft unangenehm schleimig, hinter dessen Fassade "unanständiges" Verlangen wütet. Angenehmerweise wurde Answald Hohner nicht so flach und einseitig angelegt, wie es der Zuschauer auf den ersten (und zweiten) Blick vermutet, Claus Biederstaedt meistert diese Aufgabe souverän. Interessante und erschreckende Einblicke in die Familie des Opfers dominieren nach der Frühphase, vor allem Agnes Fink spielt als "Albtraum-Mutter" großartig auf, fies, verbittert und fehlgeleitet. Ohne Skrupel drängt sie ihren ältesten Sohn zur Selbstjustiz, bemängelt mit Ausdauer dessen Wunsch nach einem Leben abseits krimineller Umtriebe. Michael Wittenborn hat es nicht leicht gegen die nahezu dämonische Präsenz seiner Filmmutter anzukommen, zieht sich aber durchaus achtbar aus der Affäre. Pascal Breuer und Viola Seth sehen wir als jüngere Geschwister Wittenborns, während Breuer starke Momente für sich beanspruchen kann, bleibt Seht unscheinbar und austauschbar, ihre Rolle gibt nicht viel her. Dirk Dautzenberg und Dieter Eppler wirken als Gauner und Komplizen des Erschossenen mit, Dautzenberg spielt erwartungsgemäß sehr launig auf, Eppler gibt kaum weniger überzeugend den kernigen Bösewicht.
Wie weit geht Familie? Wie ausgeprägt kann der Wunsch nach Rache sein? Würde eine Mutter die Zukunft ihres Kindes opfern, es als Werkzeug für die eigenen Vergeltungswünsche mißbrauchen? "Ein unheimliches Erlebnis" gibt klare und unmißverständliche Antworten auf diese Fragen. Sicher, die Phantasie des Betrachters wird in diesem Fall nicht gefordert, ihre Wirkung verfehlt die Folge dennoch nicht. Sehr positiv fällt auf, dass der erhobene Zeigefinger diesmal in der Tasche bleibt, eine Gängelung des Zuschauers findet nicht statt. Sogar dem windig-schleimigen Burschen dem Claus Biederstaedt Leben einhaucht, gesteht das gut gelungene Drehbuch eine gewisse Ambivalenz zu. Schön anzusehen das stimmungsvoll eingefangene Hinterhof-Milieu, in dessen Herz sich weite Teile des Daseins der Famlie Engler abspielen. Frank Duval legte seine Musik elektronisch geprägt an, mit gefällt der Soundtrack zu dieser Folge sehr, sehr gut, für meinen Geschmack hätte die Musik häufiger zum Zuge kommen dürfen. Regisseur Theodor Grädler liefert solide Arbeit ab, vielleicht hätte hier und da ein wenig mehr Schmutz und Popanz für zusätzliche Freude gesorgt, nötig hat "Ein unheimliches Erlebnis" dies jedoch nicht. Stark!
Bewertet: "Yellow He" (Folge 30) mit: Horst Tappert, Fritz Wepper, Susanne Beck, Volker Eckstein, Martin Semmelrogge, Maria Schell, Karl Lieffen, Liane Hielscher, Wolf Ackva, Arthur Brauss, Günther Stoll u.a. - Regie: Zbynek Brynych
Der distinguierte Georg Rabes wird nach einem Besuch bei seinem sterbenden Vater vor dem Krankenhaus erschossen. Seine Frau Christine ist darüber wenig betrübt, hatten sie und ihr Mann sich doch schon lange nichts mehr zu sagen. Sie hofft nun, durch Georgs Bruder Albert in den Besitz des Familienvermögens zu gelangen, da sie und ihr Mann Gütertrennung vereinbart hatten. Doch da gibt es noch Alfred, den Sohn ihres Schwagers. Und der lernt in einer Diskothek Yellow He kennen, ein Mädchen mit eiskaltem Verstand und wildem Lebensstil. Als von Heirat die Rede ist, scheinen alle Pläne der Witwe ins Wanken zu geraten.... Susanne Beck ist Yellow He, die junge Frau, die der Knalltüte Martin Semmelrogge den Kopf verdreht; einen Kopf, der zwar noch nicht von Alkohol und Drogen vernebelt ist, jedoch bereits Anzeichen latenten Wahnsinns zeigt. Man hätte die Rolle natürlich auch mit dem unvermeidlichen Pierre Franckh besetzen können, doch der rote Semmel wirkt noch ein wenig durchgeknallter und naiver. Volker Eckstein macht das Trio Fatale perfekt; er wirkt so offensiv suspekt, dass man automatisch annimmt, die ältere Generation sei aus den klassischen Motiven Geldgier und Eifersucht zu Tätern geworden. Doch wischen wir Yellow He die Schminke aus dem Gesicht, wirkt sie auch nicht unkonventioneller als eine Maria Schell, deren Lächeln Derrick nicht nur täuschen, sondern auch becircen soll. Selbst der Fruchtkorb, den die bürgerlichen Eltern ihrer Tochter zum Frühstück servieren, besteht tatsächlich aus Melonen und anderem Obst und ist keine poetische Umschreibung Blaps für den weiblichen Körpervorbau. So behandelt diese "Derrick"-Folge also im Grunde ein sehr traditionelles Thema, das jedoch nicht von Dietrich Haugk oder Theodor Grädler, sondern eben von Zbynek Brynych inszeniert wurde. Deshalb erleben wir eine Hippie-Hochzeit mit bunten Regenschirmen, einen betrunkenen Rosenkavalier in Gestalt des unverwüstlichen Arthur Brauss und einen Karl Lieffen, der aussieht, als komme er gerade von einem Daueraufenthalt im Solarium. Selbst Derrick wirkt teilweise abwesend ("Meditierst Du, Stephan?") und unkonzentriert, sonst hätte er den Mordfall sicher früher aufgeklärt. Der raffinierte Mordplan gefällt - keine Frage. Allerdings stelle ich mich der Denksportaufgabe, wielange das Komplott vom Gaunerpärchen schon geplant war. Wenn "Ben" und "Ali" sich bereits seit sechs Jahren kennen, wie kommt es dann, dass Ben seinem Freund die heimliche Geliebte als Neuerscheinung unterjubeln kann? Wolf Ackva ist in einer kurzen Nebenrolle zu sehen und wirkt dabei ebenso korrekt wie als Oberinspektor Steiner in der Bayernserie "Wanninger"; dafür ist der Anblick von Günther Stoll ein Hinweis auf dessen baldiges Ende. Er wirkt mit jeder Folge jämmerlicher und seine Anwesenheit im Polizeibüro eigentlich überflüssig, solange der pfeifenrauchende Wichtigtuer Gerhard Bormann in der Nähe ist. Fazit: Ein Kriminalfall, der zu unterhalten weiß und dem Regisseur breiten Raum für farbenfrohes Treiben lässt, was diesmal leider auf Kosten des Oberinspektors geht, der seinen Stil in dieser Folge nicht gefunden hat. Er ist weder zynisch, noch sarkastisch - weder ruppig, noch anbiedernd-höflich, sondern scheint keine genauen Anweisungen erhalten zu haben. Es war sicher nicht leicht für ihn, seine Interpretation der Figur Derrick unter jedem Regisseur zu ändern.
Nach Beendigung der 2. Box sieht es wie folgt aus:
Platz 01 (Folge 18): Angst - 5 Punkte Platz 02 (Folge 26): Das Superding - 5 Punkte Platz 03 (Folge 25): Das Bordfest - 5 Punkte Platz 04 (Folge 20): Schock - 5 Punkte Platz 05 (Folge 22): Kein schöner Sonntag - 4,5 Punkte Platz 06 (Folge 29): Der Mann aus Portofino - 4,5 Punkte Platz 07 (Folge 16): Tod der Kolibris - 4 Punkte Platz 08 (Folge 17): Tod des Trompeters - 4 Punkte Platz 09 (Folge 19): Tote Vögel singen nicht - 4 Punkte Platz 10 (Folge 21): Kalkutta - 3,5 Punkte Platz 11 (Folge 27): Risiko - 3,5 Punkte Platz 12 (Folge 28): Pecko - 3,5 Punkte Platz 13 (Folge 30): Yellow He - 3 Punkte Platz 14 (Folge 23): Auf eigene Faust - 2 Punkte Platz 15 (Folge 24): Ein unbegreiflicher Typ - 2 Punkte