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Dieses Thema hat 647 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.06.2014 23:00
#481 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Mykonos

Zitat von Der Kommissar: Mykonos
Die 22-jährige Charlotte Recke ist nicht dabei, als Unbekannte ihren Freund Robert Kerk erstechen. Aber sie weiß, warum die Männer das taten. Geradewegs aus Griechenland kamen Charlotte und Robert und hatten heiße Ware an Bord: Um sich Sommer, Sonne und Meer zu finanzieren, fungierten sie als Drogenschmuggler und verbrannten sich an diesem Job die Finger. Charlotte muss nun für eine Weile von der Bildfläche verschwinden, während das Kommissar-Team in ein Wespennest sticht ...


Die frühen 50er-Folgen sind voll von Vorschusslorbeeren: Neben „Rudek“ zählen auch „Tennisplatz“, „Humorist“ und „Mykonos“ zu den Folgen, über die ich vorab Lob in den höchsten Tönen gelesen habe. Stärker als „Rudek“ enttäuscht „Mykonos“ bei mir die u.a. in verschiedenen Einschätzungen hier im Forum geweckten Erwartungen – als Drogenfolge aus der Goslar-Schmiede schlägt sie stark in die „Ohne auf Wiedersehen zu sagen“-Kerbe und versagt in meinen Augen damit auf ganzer Linie. Warum?

Der Episode fehlt es an Flair. Die einzelnen Schauplätze und Szenen passen nicht stimmig zusammen und ergeben kein einheitliches Ganzes. Zwar ist löblich hervorzuheben, dass Goslar mit verhältnismäßig vielen Außenaufnahmen arbeitete, doch hätte er sich dazu atmosphärischere Orte aussuchen können. Das beginnt schon vor dem Vorspann: Die Landkapelle als urbayerischer Rückzugsraum passt mit der internationalen Thematik der Episode, der verwendeten griechisch angehauchten Musikuntermalung sowie der Trampergeschichte nur wackelig zusammen – ein gewünschter Stilbruch wird jedoch nicht vehement genug vorangetrieben, sodass die Intentionen der Regie unverständlich und willkürlich bleiben. Später taucht u.a. die Grünwalder Pilzvilla auf, die bei Tag einen schrecklich konservativen Eindruck vermittelt und mit der Lebemannart der Drogenbosse schwer vereinbar scheint. Erst in den späteren Nachtaufnahmen bei der Party werden die Reize dieser Drehortwahl dem Zuschauer verständlich übermittelt.

Der Episode fehlt es an einem spannenden Verbrechen. Wo ist der Whodunit? Verwöhnt von der großen Verdächtigenzahl in „Blinde Spiele“, muss für „Mykonos“ festgestellt werden, dass für die Aufklärung des Mordes an Robert Kerk der einfachste und widerstandsloseste Weg gewählt wurde und die schnell ins Spiel gebrachte Verbindung ins Drogenmilieu direkt auf die Täter zusteuert. Wer von ihnen Kerk letztlich auf dem Gewissen hat, bleibt in Anbetracht der übrigen Verbrechensregister sowie der geringen Identifikation des Zuschauers mit dem Mordopfer und dessen verschlossener, in den Tag hineinlebender Freundin ohnehin irrelevant.

Die Episode reckt den belehrenden Zeigefinger ganz weit nach oben. Themen- und Regisseurswahl sorgten dafür, dass hier kein fesselnder Krimi, sondern ein fades Lehrstück entstand. Viele Szenen sind so eindeutig in Richtung der Beeinflussung und Warnung des Zuschauers gerichtet, dass ihre platte Umsetzung überrascht. Hielt man das Publikum in den Siebzigern für so naiv, nicht zu bemerken, wie die 13-jährige Schülerin als Argument gegen Drogenkonsum instrumentalisiert wird, ohne ihren konkreten Werdegang unter die Lupe zu nehmen? Diese einseitige und tendenziöse Vorgehensweise ist häufig bei Reineckers Auseinandersetzung mit Drogenkriminalität bemerkbar: Süchtige seien unschuldige Opfer, Händler und Dealer die einzigen Verantwortlichen.

Die Episode hätte von einer besseren Besetzung bzw. deren ausgeglichenerem Einsatz profitiert. Maresa Hörbiger gelingt es nicht, ihre Rolle als zentrales Bindeglied zwischen Kerk, der Bande um Geckow und der Polizei mit Leben zu füllen. Ob es an ihrer Darstellung, an der mangelnden Ausarbeitung ihrer Figur durch das Drehbuch oder der oberflächlichen Regie lag, kann im Nachhinein nur mehr schwer festgestellt werden. Im Gegensatz dazu trägt Fred Haltiner eine klare Eigenverantwortung für die Unscheinbarkeit seines Parts – dafür, dass man Heymann nicht so ernst nimmt, wie es für die Entwicklung der Story eigentlich vonnöten gewesen wäre und wie man es sich wünschen würde. Gemeinsam mit Ullrich Haupt betritt er die Bildfläche außerdem schlichtweg zu spät. Als ausgleichende Freude bleibt der erste (und im rückwärtigen Countdown für mich leider letzte) Auftritt Ruth Hausmeisters als Mutter Heines zu verbuchen.

Schwache Drogengeschichte ohne dramaturgische Höhepunkte. Jürgen Goslars Debüt hinter der Kamera beim „Kommissar“ zeugt von Unsicherheit auf dem Regiestuhl: Schauspieler, Schauplätze und Timing bleiben ein verbesserungswürdiges Flickwerk, das von Herbert Reineckers einseitiger Sichtweise auf das Gesellschaftsproblem Drogenmissbrauch nicht gerade zum Guten unterstützt wird.

(2 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Harry Klein und seine unendliche Empathie für Drogenmädchen
||||| ||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 45: Episode 53 der TV-Kriminalserie, BRD 1972. Regie: Jürgen Goslar. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Maresa Hörbiger, Bernd Herzsprung, Karl John, Irmgard Först, Ullrich Haupt, Fred Haltiner, Ruth Hausmeister, Otto Stern u.a. Erstsendung: 24. November 1972.

Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

18.06.2014 23:47
#482 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Joa...sicherlich ist „Mykonos“ unter den Fans überschätzt, der „Manni Geckow Bonus“ ist schon immens.
Doch ganz so negativ wie Du sehe ich die Folge dann doch nicht. Insbesondere die Schauplätze sind grandios, die Kapelle als Einstieg finde ich genial, und die Pilzvilla sowieso...gut, ich muss gestehen, seit ich mich vor einiger Zeit auf diesem Grundstück rumtreiben und letzte Blicke erhaschen durfte auf und in das Gebäude, schon dessen gewahr, dass die Abrissbirne damals nurmehr eine Frage von Wochen war, fasziniert mich jeder filmische Nachhall dieses schnuckeligen Bauwerks ganz ungeheuer.
Und dann wird die ganze Geschichte noch so wohlfühlig gefällig verpackt mit dem Überbau des „denkt ihr denn nur in Sommern?“ des Kommissars (in was soll man denn auch sonst denken ?) und dem netten erstmaligen Einfall der Heines-Mami in die Serie...also 4,0 oder sogar 4,5 von 5,0 Punkten müsste ich schon zücken, auch wenn der Zeigefinger, der fehlende dramaturgische Spannungsklimax und die teils hölzernen Figuren, wie Du treffend beschreibst, natürlich ordentlich Salz in die Suppe streuen.
Es ist eben mehr ein nostalgisches und gerade durch seine befremdlichen Skurrilitäten so liebenswertes Sehvergnügen, als die Überfolge, die einige Kommissar-Fans gerne daraus machen. Aber ein Vergnügen für mich allemal! Von den „Drogengeschichten“ des Kommissars ist dies hier eine der wenigen, die ich mir wirklich noch gerne anschauen kann, nachdem der anfangs faszinierende Lack so manch anderer Geschichte auch schnell ab war.

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

18.06.2014 23:54
#483 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Allein die Tatsache, dass man den schleimigen Herzsprung schon vor den Credits über die Klinge springen lässt, sichert der Folge einen Platz im Kommissar-Olymp.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

18.06.2014 23:58
#484 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Ja, die jeweilige Mordopferwahl spricht sowohl für "Mykonos" als auch für "Rudek".

Marmstorfer Offline




Beiträge: 7.519

19.06.2014 00:07
#485 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Georg Offline




Beiträge: 3.263

19.06.2014 12:07
#486 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Immer wieder interessant, wie unterschiedlich doch die Sichtweisen sind. Für mich ist vor allem "Rudek" eine der stärksten Folgen, die Eröffnung zu "Mykonos" ist in meinen Augen auch eine der besten Prätitelsequenzen, die Kinoformat hat.
Ich habe unten nochmals drei Kritiken von mir herauszitiert. Gubanovs und meine Besprechungen zu "Rudek" und "Mykonos" könnten nicht unterschiedlicher ausfallen. Es gibt eben keine Wahrheit und das ist auch gut so.

Zitat von Georg im Beitrag #290
Folge 55: Rudek
Regie: Charles Regnier, mit Ernst Schröder, Siegfried Lowitz, Klaus SChwarzkopf, Edda Seippel, Ilona Grübel, Sky Du Mont u. v. a.

Rudek gehört zu meinen Lieblingsepisoden. Das hat mehrere Gründe. Der erste und stärkste Grund ist die Besetzung der Titelrolle mit Ernst Schröder, einem der besten Schauspieler, die wir im deutschsprachigen Raum hatten. Er gibt unglaublich glaubwürdig den Geschäftsmann Rudek, der eine seltsame Doppelmoral hat. Einerseits will er sich nach einer Konferenz mit Mädchen vergnügen (sein Kollege Doberg dazu euphorisch: "Jung, jünger, am jüngsten!), die so alt wie seine Tochter sind, andererseits kann er genau die Tatsache nicht dulden, dass sein minderjähriges Kind sich in der Wohnung des feinen Herrn Derrick (sehr klischeehaft aber passend besetzt: Sky Du Mont) gegen Geld anderen, älteren Männern hingibt. Dass diese Situation in der Eskalation enden muss, ist vorprogrammiert. Herr Rudek zieht nicht seine Tochter zur Verantwortung, sondern den Mann, der sie dazu getrieben hat und der ihm - richtigerweise - auch seine falsche Doppelmoral vorwirft. Später gibt Rudek nur das zu, was zu beweisen ist und verstrickt sich immer mehr in Widersprüche. Reineckers Geschichte ist ein wirklich abwechslungsreicher Einfall, dass das Ganze dann noch zum perfekten Whodunit avanciert, ist genial. Dazu tragen aber neben Ernst Schröder, der seine Wandlungsfähigkeit bei Ringelmann ja öfter unter Beweis stellen durfte (ganz toll als Kommissar in dem Reinecker-Dreiteiler Wer erschoß Boro? von 1986) auch die übrigen Darsteller bei, Siegfried Lowitz natürlich, aber noch viel mehr Edda Seippel und Klaus Schwarzkopf als seltsames Ehepaar, bei dem der jüngere Partner sich auch schon mal in der Wohnung Derrick vergnügte und seine als alte Jungfer anmuternde verbitterte Ehefrau bei seinen Spielen zuhören lässt. Edda Seippel war ebenso eine wunderbare Darstellerin, die meist von den Schattenseiten geplagte Menschen in Ringelmann-Produktionen darstellte (unvergesslich ist allerdings ihr Part als Mutter von Evelyn Hamann in Loriots Ödipussi!).
Die Folge stammt schließlich aus einer Zeit, zur der Erik Ode eine große Theatertournee machte, weswegen er ab Folge 53 immer nur für wenige Drehtage zur Verfügung stand und die Dramaturgie immer wieder neue Tricks erfinden musste, um ihn entsprechend einzubauen. Entweder gab es nur einen Ort, an dem er drehte (wie in Folge 54 Blinde Spiele), oder nur kurze Szenen, wie hier, wo er nur drei Mal auftaucht und natürlich bei der Schlussszene dabei ist, als der Täter/ die Täterin überführt wird. Seine Assistenten managen den Fall aber sehr gut, allen voran Robert, während Harry eher der zuhörende oder zuschauende Part ist.
Bleibt die perfekte Inszenierung von Charles Regnier zu erwähnen, die vollkommen überzeugt und temporeich ist. Bedauernswert, dass dieser Mann nur so wenig als Fernsehregisseur gearbeitet hat, er hätte das Talent dazu gehabt.
Summa summarum: ein Volltreffer, ein spannungsgeladenes Spektaktel dank eines großartigen Teams, allen voran Ernst Schröder.
Zitat von Georg im Beitrag #336
Und zum würdigen Abschluss des Kommissar-Marathons (die 97 Folgen, habe ich, ich habe eben nachgezählt, an 96 Tagen angesehen) noch eine sehr gelungene Episode:

Folge 53: Mykonos
Regie: Jürgen Goslar, mit Maresa Hörbiger, Bernd Herzsprung, Ullrich Haupt, Karl John, Ruth Hausmeister, Fred Haltiner u. v. a.

Inszenatorisch bietet diese Folge einige Höhepunkte. Alleine die Vorgeschichte bis zum Vorspann ist wie ein kleiner Spielfilm inszeniert, viele schnelle Schnitte und Einstellungen, dazu die fremde, griechische Musik, zuerst der Nebel, dann die Kapelle in der großen Hitze und das Auffinden der Leiche: eine der gelungensten Einleitungen zu einer Kommissar-Folge überhaupt. Die Geschichte von Herbert Reinecker wird recht spannend erzählt und zwar so, dass das fehlende Whodunit (es bleibt ja nur ein Mann übrig) gar nicht stört. Gut sind die Charaktere besetzt: Maresa Hörbiger als junge Schönheit, die nur in Sommern rechnet, Bernd Herzsprung als Mann, der ans große Geld kommen will, um auf Mykonos wieder leben zu können, Ullrich Haupt als beinahe sympathischer Drogenboss, für den der Handel mit Schwarzem Afghanen so alltäglich ist, wie der Verkauf von Brot. Fred Haltiner ist nur in einer kleinen Rolle zu sehen, wirkt als Heymann aber glaubwürdig. Robert Heines' Mutter ist in ihrem ersten von drei Einsätzen mit dabei, Ruth Hausmeister gibt eine unerschrockene Mutter, die sich mit dem Beruf ihres Sohnes und den damit verbundenen Gefahren abfindet. Erik Ode ist hier ganz auf dem Gipfel seiner schauspielerischen Leistungen, die Regie Jürgen Goslars vorzüglich, so dass unter dem Strich einer der Höhepunkte der Reihe übrig bleibt.
Zitat von Georg im Beitrag #197
Folge 54: Blinde Spiele
Regie: Theodor Grädler, mit Anaid Iplicjan, Johanna von Koczian, Ruth-Maria Kubitschek, Hellmut Lange, Pierre Franckh, Heinz Moog u. a.

Blinde Spiele dürfte eine jener Folgen gewesen sein, die Erik Ode in der Sommerpause nutzte, um Urlaub zu machen. Die erste halbe Stunde ermitteln nämlich Walter und Robert alleine, der Kommissar wird nur kurz per Telefon aus dem Büro zugeschaltet. Auch später hat er nur einen Außendreh, was tatsächlich vermuten lässt, dass Reinecker - wie später bei Tappert auch fast jährlich üblich - das Buch dramaturgisch so anlegte, dass der Hauptdarsteller mal nur eine Woche am Set verbringen musste. Im Übrigens sind Alkohol- und Nikotinkonsum in dieser Folge gleich null, was ob der sonstigen "Sauforgien" schon ungewöhnlich ist. Keller raucht erst bei Minute 38 die erste (und ich glaube auch die einzige) Zigarette.
Da ist sie also wieder, die seltsame Reinecker-Welt, in der es den Ehepartnern nichts ausmacht, wenn sie betrogen werden (seltsam, aber Volker Vogeler hatte später in gefühlten 200 Folgen des Alten auch immer die Konstelation zweier Ehepaare, die sich miteinander betrügen - hat er sich da etwa bei Reinecker orientiert?). Die Geschichte wird von Grädler dahinplätschernd erzählt, etwas mehr Pepp hätte da nicht geschadet. Die Folge beginnt spannend, hat jedoch dann in der Mitte einen Durchhänger, was aber auch dem Buch angelastet werden kann.
Die Besetzung der drei weiblichen Hauptrollen ist gut durchdacht, Anaid Iplicjan und Johanna von Koczian ähneln sich im Aussehen nicht zufällig, sie lieben schließlich den gleichen Mann und dieser anscheinend den gleichen Frauentyp. Pierre Franckh spielt wie so oft den Außenseiter, Heinz Moog als Klavierlehrer, der nun als Gärtner arbeiten muss, ist wunderbar unsympathisch und schlecht gelaunt. Dieser große Schauspieler wurde leider auch viel zu selten eingesetzt.
Reinecker baut hier doch relativ viele Verdächtige auf, was natürlich für einen Krimi nicht übel ist: insgesamt sieben Personen können den Ehemann erschossen haben.
Insgesamt ist Blinde Spiele sicherlich kein Highlight der Serie, aber doch ansehbar.

Mr Keeney Offline




Beiträge: 1.365

19.06.2014 12:38
#487 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Zitat von Georg im Beitrag #486
Es gibt eben keine Wahrheit und das ist auch gut so



Um es mit Andre Heller zu sagen: Die Lüge ist wahrer als die Wahrheit, weil die Wahrheit so verlogen ist.

Ich kann aber irgendwie schon nachvollziehen, dass Gubanov zum Beispiel "Blinde Spiele" bevorzugt, sieht er doch die urigen kommissartypischen Eigenheiten doch eher kritisch und mit Vorbehalt. "Blinde Spiele" hingegen könnte ich mir gut auch als Fall, mit dem sich der Oberinspektor Derrick befassen würde, vorstellen.

Meine Rangliste ist hier aber klar: 1. Rudek 2. Mykonos 3. Blinde Spiele

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

19.06.2014 13:28
#488 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Richtig analysiert, Mr Keeney. Mir stellen sich schon die Nackenhaare auf, wenn eingefleischte "Kommissar"-Fans von urigen Szenen zu sprechen beginnen. Da sind mir die etwas mondäneren Episoden doch deutlich lieber. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass ich sowohl "Blinde Spiele" als auch "Rudek" gleich viele Punkte gegeben habe, meine Vorlieben für diese beiden Folgen also gar nicht so weit auseinanderliegen. Klar ist aber, dass ich gegen einen (aus meiner Sicht eher überschätzten) Spitzentitel wie "Rudek" ein wenig mehr Wind machen muss, wohingegen "Blinde Spiele" wenig Angriffsfläche für saftige Kritik bieten. Beide Folgen sind für mich im oberen Mittelfeld angesiedelt. Du hast übrigens völlig Recht: Die "Spiele" könnten auch ein "Derrick" sein. Wahrscheinlich gibt es sogar eine Folge mit ganz ähnlicher Handlung bei Stephan und Harry (Kinder gegen Eltern), nur fällt mir gerade nicht das passende Beispiel ein.

Stroheim Offline




Beiträge: 170

19.06.2014 20:38
#489 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Im historischen Rückblick nimmt das Jahr 1973 zu Recht einen besonderen Platz in meiner Film- und Fernseherinnerung ein: Zum einen lief da im ZDF beim Kommissar diese legendäre Rudek-Folge - und in der ARD mit der 'Toten Taube' ein echter Ausnahme-Tatort. Zum anderen wurde 1973 auch im int. Kino viel Überdurchschnittliches geliefert: 'Mean Streets' (Martin Scorsese), 'Serpico' (Sydney Lumet), 'Pat Garrett and Billy the Kid' (Sam Peckinpah), 'The Exorcist' (William Fiedkin), 'Badlands' (Terrence Malick'), 'The Day of the Jackal' (Fred Zinneman) ... um nur ein paar Favoriten zu nennen.

Außerdem habe ich am 2. Oktober 1973 zum ersten Mal meinen Lieblings-Wallace von Alfred Vohrer - den unvergessenen 'Zinker' - im deutschen Fernsehen gesehen ...

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41911384.html

Peter Offline




Beiträge: 2.886

20.06.2014 08:55
#490 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Die gleiche Serien-Idee (auch Dienstags um 19.30 Uhr, dazu die Spätfolgen nach "Sport am Freitag") hatte das ZDF 1980 wieder, dort konnte ich dann einsteigen... Die Bezeichnung "hausbacken" ist ein wenig gemein, für das Selbstverständnis von Spiegel-Ansprüchen aber nicht untypisch...

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

20.06.2014 12:40
#491 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Das Ende eines Humoristen

Zitat von Der Kommissar: Das Ende eines Humoristen
Erwin Waldermann ist geschockt und verzweifelt. Nach einem Auftritt in einem Landgasthof erhält der Humorist, dessen Karrierezenit seit Jahrzehnten überschritten ist, die Nachricht vom Tod seiner Tochter Ursula. Sie sei erschlagen worden. Der ohnehin von Illusionen aufgefressene Waldermann flüchtet sich in seiner Trauer und Hilflosigkeit in eine bizarre Parallelwelt und durchlebt noch einmal seine großen Erfolge, bevor der Kommissar vor dem letzten Auftritt des Humoristen die Wahrheit über den verhängnisvollen Abend erfährt ...


Die Besprechung enthält Spoiler.

Nachdem Humorlosigkeit als eines der größten internationalen Stereotype über die Deutschen gilt, mag der gehässige Beobachter den absteigenden Ast, auf dem Erwin Waldermann balanciert, als wenig verwunderlich empfinden. Die angestrengte Bemühung, komisch zu wirken, macht sich zunächst in Waldermanns archaischem Auftreten bemerkbar. Eine vorgestrige Bühnenintonation mischt sich mit der Vorstellung, ein Frack sei unverzichtbarer Bestandteil der Humoristen-Identität, egal in welchen Kaschemmen der Komiker zu Gast ist. Dass der Humorist Waldermann eine überlebte Figur darstellt, zeigt sich tiefgründiger aber in der Tatsache, dass er vom Privatmann Waldermann so grundverschieden ist, dass man beinah von einer Schizophrenie sprechen kann, die sich aus den beruflichen Träumereien des Mannes ergibt. Von einer gequält amüsanten Natur unterdrückt, zeigt sich das wahre Gesicht des Gescheiterten kurz und plötzlich in Aggressionen, Verdächtigungen und einem nicht vorhandenen Verantwortungs- und Selbstwertgefühl. Waldermann bemerkt durch die Fixierung auf seine Profession für keinen Moment, dass er sich nicht nur der vollständigen Lächerlichkeit preisgibt, sondern auch auf sich selbst und auf sein Umfeld zerstörerisch einwirkt. Eine tiefe Tragik durchzieht mit ihm alle Vorgänge in „Das Ende eines Humoristen“.

Diese Episode ist voll auf Hanns Ernst Jäger zugeschnitten, der vor allem die Polizisten an den Rand der Bedeutungslosigkeit drängt. Jäger wagt als Waldermann den Mut zur Hässlichkeit – innerlich wie äußerlich sozusagen ein fracktragendes Wrack, das die Frage nach dem Sinn des Lebens für sich grundfalsch beantwortet hat. Die Präsenz und Präzision, mit der Jäger Leiden und Lavieren seiner Figur deutlich macht, lässt den Zuschauer ergriffen zurück. Er ergänzt sich hervorragend mit dem von Alfred Balthoff dargestellten Untermieter Sorge, wobei die beiden Männer eine seltsame Freundschaft verbindet, die zusätzliche Rätsel aufgibt. Meine nur ich, entdeckt zu haben, dass der (wohl selbst schwule) Balthoff gewisse Tendenzen in seine Darstellung einbaut, die eine über Männerfreundschaften hinausgehende Bewunderung und Beschützernatur Sorges für den Waldermann abseits der Bühne verraten?

Erneut mag man sich fragen, ob es eigentlich der Kriminalfall oder die Milieustudie ist, die den wichtigsten Platz einnimmt. Durch die Unselbstständigkeit Waldermanns werden beide Aspekte jedoch mühelos zusammen- und in Kleinigkeiten wie der Bügelszene zum Ausdruck gebracht. Wie hier mit Details und nicht komischen, sondern denkwürdigen running gags gearbeitet wird, verleiht der Episode ebenso wie das markante Wohnungsset eine Qualität, die fast eher an Kinofilme der 1940er- und 1950er-Jahre als an Fernseharbeiten erinnert. Dieser Eindruck kann natürlich durch gewisse TV-Gesichter nur fragmentär aufrecht erhalten werden, doch gerade die bösen Befürchtungen, die ich bezüglich des Auftritts von Christiane Schröder hegte, erfüllten sich überraschenderweise nicht. Als erst spät aus dem Reich der väterlichen Verklärung unter die Augen des Zuschauers gebrachte Tochter Waldermann beweist sie, dass ihr auch ein unaufgeregtes und nicht die Nerven strapazierendes Spiel möglich war, wenngleich diese Beobachtung noch immer eine absolute Ausnahme darstellt.

Mit zwei Mythen sollte jedoch dringend aufgeräumt werden: Ursula Waldermann als verantwortungsbewusste Frau mit Realitätssinn darzustellen, wie Percy Lister es in der Besprechung zu „Das Ende eines Humoristen“ tut, verfehlt den Charakter des hoffnungslos hörigen Töchterchens, das schlimmer noch als Karin Junker in „Tod eines Hippiemädchens“ nicht aus Barmherzigkeit für Fremde, sondern aus Barmherzigkeit für ihren eigenen Vater mit dessen zukünftigen Brötchengebern ins Bett steigt. Reinecker formuliert das nicht aus, impliziert aber in Aussagen Sorges und der Reaktion des von Wolfgang Völz gespielten Wirts klar, dass Ursula und Karin aus dem gleichen Holz geschnitzt sind. Weiterhin kann die Frage, ob ihr Tod Unfall oder Todschlag war, keineswegs so wohlwollend beantwortet werden, wie es viele „Kommissar“-Fans aus Mitleid für den Täter tun. Dass Ursula von ihrem Vater gestoßen und anschließend hilflos zurückgelassen wurde, ist so eindeutig zu sehen wie nur irgend möglich. Es ist verheerend zu glauben, dass Waldermanns Jämmerlichkeit allein ihn vor Strafverfolgung schützen dürfe – gleichwohl er den Verlust seiner Erfüllungsgehilfin sicher mehr zu bedauern hat als den kommenden Verlust seiner ohnehin lange schon verlorenen Freiheit.

So nachdenklich wie bei „Das Ende eines Humoristen“ wird man selten beim „Kommissar“ zurückgelassen. Wo echter Tiefgang häufig durch semibewusste Beeinflussung der Zuschauer zunichte gemacht wurde, lieferte Reinecker diesmal ein erschütterndes Psychogramm eines verlorenen, von Zwängen getriebenen Mannes ab, über den einem das Lachen in der Kehle stecken bleibt. Schauspielerführung und Atmosphäre bewegen sich dank der engagierten Leistung Teddy Grädlers auf Spitzenniveau.

(5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kommissar Herbert Keller durchschaut Kurnostalgie und die Leugnung des permanenten Verfalls
||||| ||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 46: Episode 52 der TV-Kriminalserie, BRD 1972. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Hanns Ernst Jäger, Alfred Balthoff, Christiane Schröder, Hilde Weißner, Manfred Seipold, Wolfgang Völz, Olga von Togni, Hans Pössenbacher u.a. Erstsendung: 3. November 1972.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.06.2014 14:55
#492 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Fluchtwege

Zitat von Der Kommissar: Fluchtwege
Sie rennt über Stock und Stein. Gabriele Bebra ist um Haaresbreite ihren Verfolgern entkommen. Die junge Frau ist aber nicht auf der Flucht vor bösen Buben, sondern hat selbst einigen Dreck am Stecken. Ausgebüchst ist sie aus der Besserungsanstalt Bockelberg. Dank eines selbstlosen Kavaliers schafft Gabi es bis nach München, wo die Fürsorge sie aber nicht bei ihren Zieheltern vorfindet. Stattdessen macht man einen anderen Fund: Vater Bebra, ein notorischer Säufer, liegt erstochen auf dem Küchenboden!


Da breitet es sich wieder in seiner vollen Selbstzweckhaftigkeit aus: das Milieu. „Fluchtwege“ hat mit seiner Vorgängerepisode „Der Tennisplatz“ das frontale Aufeinanderprallen der sozialen Extrema gemein. Hier ist es die zerrüttete Säuferfamilie, die dem kopflosen Liebhaber aus reichem Hause sowie dessen prinzipientreuem Vater gegenübergestellt wird. Dass nebenbei ein Mord geschehen ist, wird über dieses Kräftemessen der kaum vergleichbaren Parteien schnell vergessen gemacht – vielleicht weil Reinecker glaubte, auf diese Weise eine Ablenkung für das diesmal besonders wackelige Motiv bereitstellen zu können. Die Ablenkung kommt vor allem in Form der Gabriele Bebra daher und geht schnell auf die Nerven. Monica Bleibtreu verkörpert das Mädchen aus dem Erziehungsheim zwar sicherlich glaubhaft, als Anführerin einer ganzen Episode und Bäumchen-wechsel-dich zwischen den verschiedensten Welten eignet sich ihre Gabi jedoch kaum. Reinecker, der sich noch von Wallace her mit Mädchenheimen auskannte, wusste ja eigentlich auch, dass diese kaum mehr interessanten Stoff hergeben, als die optischen Belange gewisser männlicher Zuschauer zu befriedigen. So wird es dann auch beim Besuch in den Mauern von Bockelberg praktiziert: Alle anderen Mädchen neben Gabi bleiben bloßes Statisten-Beiwerk, das die Trutzburg gegen fortschrittliche Erziehung beinah zu Tode putzt.

Bockelberg nimmt einen besonders erbärmlichen Platz in der Episode ein, der es trotz der Regie von Wolfgang Becker an jedwedem Tempo fehlt. Um sogenannte „Besserungsanstalten“ pauschal abzuqualifizieren, wurden mit dem Drachen von Heimleiterin und der Kellerstrafe für Gabi sowie deren vorbildlicher „Ich lasse mir meinen Geist nicht brechen“-Trotzreaktion schamlose Überhöhungen der Fürsorgepraxis eingebaut, die den Zweck, das Publikum nur noch weiter für die junge Schwerenöterin einzunehmen, in den meisten Fällen glänzend erfüllt haben dürften. Ungewöhnlich empfand ich in dieser Hinsicht die Besetzung der bösen Hexe vom Bockelberg mit Eva Ingeborg Scholz, die ja für gewöhnlich eher bei den sanfteren Rollen zu Hause ist und hier zeigt, warum: Sollten mit dem Institut tatsächlich Anleihen an Züchtigung und Zwangsarbeit zu Nazizeiten genommen worden sein, fehlt es der Scholz nicht nur an glaubhaftem Sadismus, sondern auch am notwendigen Kommisston.

Paradox erscheint ebenfalls die unklare Haltung der Episode gegenüber Gabriele Bebra. Einerseits stilisiert sie das Mädchen zur Kämpferin gegen die ihr zugemuteten Widrigkeiten, andererseits wird jeder ihrer „Fluchtwege“ als aussichtslos abgeschrieben. Egal, ob sie aus den Klauen der sittenstrengen Erzieherinnen entkommt und hinterher doch wieder auf den Bockelberg zurückkehrt, ob sie ihre Familie vergeblich wieder zu kitten gedenkt oder die Affäre mit ihrem temporären Retter beginnt, von der klar ist, dass sie nach dem ersten blinden Taumel allein schon durch Einschreiten des Filmvaters Carl Lange enden wird – die Bebra dreht sich im Kreis und spürt, wie nah sie daran ist, unter die Räder zu kommen. Weil Monica Bleibtreu diese Ungewissheit mit Präsenz auf den Fernsehschirm projizierte, erhielt sie für ihre Verkörperung eine beliebte Fernsehauszeichnung (die viele andere Episoden eher verdient gehabt hätten, aber den Geschmack der Kritik soll ’mal einer nachvollziehen ):

Zitat von Gerald Grote: Der Kommissar. Eine Serie und ihre Folgen. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2010 (3. Auflage). S. 16
Während Erik Ode 1972 mit dem Goldenen Bildschirm ausgezeichnet wurde, gab es für die Schauspielerin Monica Bleibtreu im selben Jahr eine Goldene Kamera, unter anderem für ihre Leistung in der 51. „Kommissar“-Folge „Fluchtwege“.


Mit der Zeichnung der Zieheltern von Gabi und „Nickel“ (der junge Martin Semmelrogge – es bleibt einem aber auch nichts erspart ...) manifestieren die „Fluchtwege“ ihre Stellung als Episode, die stets verneint. Die alles andere als fürsorglichen Ersatzeltern setzen mit ihren verantwortungslosen Verhaltensweisen ein beeindruckendes Zeichen gegen die Funktionalität von Patchwork-Familien – weil sich angeblich niemand für niemanden verantwortlich fühle. Eine undankbare Rolle bleibt damit an Ursula Grabley hängen, der es nicht gelingt, die Beweggründe für die seltsamen Entscheidungen der Anna Bebra zu klären.

Die zusammenhanglose Negativität, die von der Episode „Fluchtwege“ ausgeht, hat sicher auch in meiner Betrachtung merkliche Spuren hinterlassen. Herbert Reinecker lieferte ein Drehbuch ab, das so schwach ausfiel, dass selbst ein Regisseur vom Format eines Wolfgang Becker daraus keine gelungene Episode mehr zimmern konnte. Was bleibt, ist die überzeugende Darstellung einer nicht überzeugenden Mädchenrolle durch Monica Bleibtreu. Trockene Kost.

(2,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Inspektor Walter Grabert – fürs Mädchenheim ein zu schöner Mann ...
||||| ||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 47: Episode 51 der TV-Kriminalserie, BRD 1972. Regie: Wolfgang Becker. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Monica Bleibtreu, Joachim Ansorge, Karl Lange, Ursula Grabley, Martin Semmelrogge, Michael Toost, Eva Ingeborg Scholz, Dinah Hinz u.a. Erstsendung: 6. Oktober 1972.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

22.06.2014 21:10
#493 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar: Der Tennisplatz

Zitat von Der Kommissar: Der Tennisplatz
Der Tote, der in einer Reihenhaussiedlung hinterm Steuer eines Wagens gefunden wird, ist kein Häuslebauer, sondern ein Obdachloser. In einem Asyl machen Keller und Co. Identität und besten Freund des Herrn Bechtold ausfindig. Biebach, der Wegbegleiter, kann dem Kommissar von den sonderbaren Ausflügen des Verblichenen erzählen. Der war nach Grünwald gefahren, um dort alle möglichen schmutzigen Arbeiten zu erledigen. Hat Bechtold in Grünwald auch seinen Mörder kennengelernt? Unter der Sohle seiner Schule fanden sich jedenfalls Reste von Tennisplatzerde ...


Nur den wirklich erfolgreichen Abendserien war es in den 1970er Jahren vergönnt, eine fünfzigste Jubiläumsfolge verwirklichen zu können. „Der Kommissar“ ging 1972 voran, 1975 folgte der „Tatort“, 1978 „Derrick“. Nicht vergleichbar mit der Menge an damaligen Vorabendprogrammen oder dem heutigen Füllhorn sogenannter Daily Soaps bedeutete das Fünfzigste für eine Reihe wie den „Kommissar“ mehrere Jahre uneingeschränkte Quotenherrschaft. Herbert Reinecker erklärte die Strahlkraft der Serie auf leicht verwunderliche Weise:

Zitat von Gerald Grote: Der Kommissar. Eine Serie und ihre Folgen. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2010 (3. Auflage). S. 11
Anlässlich der 50. Folge sagte Herbert Reinecker der Münchner Abendzeitung am 24. Juni 1972 zum Erfolg der Serie: „Ich habe mich durch sie selbst weiterentwickelt. Die ersten 13 Folgen waren reine Unterhaltung, konventionell wie gehabt. Es gab keine neuen Ideen. Langsam sind wir dann über die Unterhaltung hinausgegangen. Die Thematik wurde wichtig, dadurch fühle ich mich nun freier.“ [...] Auf die Frage, ob der „Kommissar“ als Kämpfer gegen gesellschaftliche Missstände nicht denkbar wäre, antwortete Herbert Reinecker: „Das geht nicht, das müsste eine andere Serie sein. Dies hier ist ein Kriminalkommissar. Den kann ich doch nicht als Apostel auf die Straße schicken. Das ist doch unlogisch. Seine Behörde würde ihn ja rausschmeißen. – Und dann kommt noch hinzu: Ich selbst bin nicht so kämpferisch.“


Weder kann ich aus meiner Erinnerung an die in diesem Countdown noch ausstehenden Frühfolgen eine anfängliche unkritische Harmlosigkeit der „Kommissar“-Fälle bestätigen (man denke allein an das „indiskutable“ Mordopfer in Folge 1, die verlorene Tochter in Folge 5 oder das saftige Schüler-Lehrer-Psychoduell in Folge 13) noch würde irgendjemand, der die Serie kennt, Reineckers vehementes Leugnen in Bezug auf die moralische Überlegenheit des „Kommissars“ für glaubhaft halten. Gerade auch weil er später öffentlich zugab, den Artverwandten „Derrick“ eben nicht als Kriminalserie, sondern als Gesellschaftskritik anzugehen, wovon man im „Kommissar“ bereits mehr als nur erste Spuren feststellt.

Ganz besonders in „Der Tennisplatz“. Wie bei einem Match auf dem Court wird der Ball zwischen dem leutseligen Tippelbruder Biebach (Reineckers Namensgebung: eindeutig ein Bezug auf das lateinische bibere) und den verschwiegenen Grünwaldern hin- und hergespielt, wobei den Einwohnern von Münchens Luxus-Anhängsel diesmal ein besonders diabolischer Gruppenzusammenhalt innewohnt. Die Folge verläuft bis zum Finale ausnehmend unspektakulär und die Verhöre des Kommissars erscheinen eher mühsam. Doch die Auflösung lässt vernachlässigte Kleinigkeiten, Blicke und Unfreundlichkeiten plötzlich in einem anderen Licht erscheinen. Allein diesen letzten Minuten ist es anzurechnen, dass „Der Tennisplatz“ in Fankreisen manchmal als beste „Kommissar“-Folge bezeichnet wird. So weit würde ich nicht gehen, doch einen soliden Mittelfeldplatz kann man dem Passspiel zwischen Keller, Platte und Fricke nicht verwehren.

Obwohl sich Rudolf Platte an von Wiederholungen geplagten Dialogen abmüht, stellt die Rolle des Zeugen, der zum Leidwesen des Kommissars seine dreiviertelste Auffassungsgabe bereits in Schnaps ersäuft hat, für den klassisch geschulten Darsteller keine nennenswerte Hürde dar. Auch der Rest der Besetzung fügt sich ohne Makel ins Gesamtbild ein: Fricke gibt den Sohn aus gutem Hause, den seine angeborenen Privilegien unachtsam und überheblich gemacht haben. Zunächst traut man seinem Andreas Prewall Intelligenz und Täuschungsvermögen zu, doch leider entwickelt sich der Fall Bechtold dann doch nicht in Richtung eines wohlüberlegten Leopold-Loeb-Mordes. Die Rückblende auf den nächtlichen Tennisplatz besticht nicht nur durch ihre intensiven schauspielerischen Leistungen, sondern auch durch die von Peter Thomas wirkungsvoll eingesetzten Fanfaren.

Etwas langsam in Fahrt kommen die Ermittlungen nach dem Mörder des obdachlosen Herrn Bechtold. Die Geduld des Zuschauers wird durch eine schockierende Wahrheit belohnt, die so reinecker-typisch ist, dass sie als das große Geschenk des Autors zum „Kommissar“-Jubiläum durchgeht. Da brauchte Ringelmann keinen Über-Cast mehr zusammenzutrommeln. Es genügte ein stiller Rudolf Platte in Verbindung mit soliden Fernsehmimen.

(3,5 von 5 Schnapsgläsern)


Der überzeugendste Ermittler: Kommissar Herbert Keller hat ein Händchen für Penner und eine Zigarre noch dazu
||||| ||||| ||||| Kommissar Herbert Keller (Erik Ode)
||||| ||||| ||||| Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm)
||||| ||||| ||||| Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper)
||||| ||||| ||||| Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper)

Besprechung 48: Episode 50 der TV-Kriminalserie, BRD 1972. Regie: Theodor Grädler. Drehbuch: Herbert Reinecker. Auf der Seite des Gesetzes: Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Helma Seitz. Unter Verdacht: Rudolf Platte, Peter Fricke, Evelyn Opela, Hermann Lenschau, Bruno Hübner, Roger Fritz, Gaby Dohm, Dirk Dautzenberg u.a. Erstsendung: 30. Juni 1972.

Gubanov ( gelöscht )
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22.06.2014 21:10
#494 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten



Der Kommissar-Countdown: Zwischenwertung Box 3

Nach einem teils erheiternden, teils ernüchternden Schlusssprint blicke ich unterm Strich doch mit Vergnügen auf die zurückliegenden 24 „Kommissar“-Episoden. Der große Vorteil der Reihe ist ihre authentische Vielfalt – der Blick in die verschiedensten Milieus, auf Charaktere mit gänzlich unterschiedlichen Denkweisen und auf Krimikonstruktionen, von denen die meisten sicherlich ziemlich einmalig sind. Kommissar Herbert Keller steht als stiller Beobachter zumeist über den Dingen – häufig einfach mit beruflich-professioneller Distanz, manchmal auch in einer Art Protest gegen moralische Verkommenheit. Man merkt manchen Folgen einen gewissen moralischen Zeigefinger an, aber stärker als die Zurechtweisung des Zuschauers fallen der gut gelungene Spannungsaufbau und die atmosphärischen Schwarzweißaufnahmen ins Gewicht.

So beurteile ich die Episoden aus der dritten Kollektion:

Platz 01 | ★★★★★ | Folge 61 | Der Geigenspieler (Grädler)
Platz 02 | ★★★★★ | Folge 52 | Das Ende eines Humoristen (Grädler)
Platz 03 | ★★★★★ | Folge 57 | Das Komplott (Staudte)
Platz 04 | ★★★★★ | Folge 63 | Sonderbare Vorfälle im Hause von Professor S. (Becker)

Platz 05 | ★★★★☆ | Folge 65 | Sommerpension (Goslar)
Platz 06 | ★★★★☆ | Folge 67 | Tod eines Buchhändlers (Grädler)
Platz 07 | ★★★★☆ | Folge 70 | Die Nacht mit Lansky (Ode)

Platz 08 | ★★★★★ | Folge 54 | Blinde Spiele (Grädler)
Platz 09 | ★★★★★ | Folge 68 | Domanns Mörder (Becker)
Platz 10 | ★★★★★ | Folge 64 | Ein Mädchen nachts auf der Straße (Grädler)
Platz 11 | ★★★★★ | Folge 59 | Der Tod von Karin W. (Grädler)
Platz 12 | ★★★★★ | Folge 55 | Rudek (Regnier)

Platz 13 | ★★★☆★ | Folge 50 | Der Tennisplatz (Grädler)
Platz 14 | ★★★☆★ | Folge 60 | Die Nacht, in der Basseck starb (Staudte)
Platz 15 | ★★★☆★ | Folge 58 | Schwarzes Dreieck (Grädler)
Platz 16 | ★★★☆★ | Folge 66 | Herr und Frau Brandes (Lindtberg)

Platz 17 | ★★★★★ | Folge 62 | Ein Funken in der Kälte (Staudte)
Platz 18 | ★★★★★ | Folge 73 | Tod eines Landstreichers (Goslar)
Platz 19 | ★★★★★ | Folge 69 | Ein Anteil am Leben (Haupt)
Platz 20 | ★★★★★ | Folge 71 | Spur von kleinen Füßen (Grädler)

Platz 21 | ★★☆★★ | Folge 51 | Fluchtwege (Becker)
Platz 22 | ★★☆★★ | Folge 72 | Drei Brüder (Grädler)

Platz 23 | ★★★★★ | Folge 53 | Mykonos (Goslar)
Platz 24 | ★★★★★ | Folge 56 | Tod eines Hippiemädchens (Grädler)

Georg Offline




Beiträge: 3.263

22.06.2014 21:25
#495 RE: "Der Kommissar" (1969-1976), Kommentare zu den Folgen Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov im Beitrag #493
Die Geduld des Zuschauers wird durch eine schockierende Wahrheit belohnt, die so reinecker-typisch ist, dass sie als das große Geschenk des Autors zum „Kommissar“-Jubiläum durchgeht.

Wobei Der Tennisplatz ja gar nicht die Jubliäumsfolge war, sondern erst durch die ZDF-Redaktion zu dieser auserkoren wurde. In der Produktionsreihenfolge war die 50. Episode Toter gesucht mit Bernhard Wicki.

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