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Dieses Thema hat 187 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Georg Offline




Beiträge: 3.263

10.04.2012 16:54
#121 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Im ORF lief so weit ich mich erinnern kann in den letzten 20 Jahren kein Stahlnetz. Im NDR müsste die Folge mehrfach gelaufen sein, auch zu Ostern (ich glaube 2004). Aber wie oft, kann ich natürlich nicht sagen. Du wirst schon recht haben.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

18.04.2012 20:26
#122 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Mordfall Oberhausen"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 1. Folge am 14. März 1958)

mit: Hellmut Lange, Manfred Steffen, Claus Tinney, Helmut Peine, Gustl Busch, Inge Fabricius, Gerda Masuth, Lesley Ramsey McCabe, Rudolf Fenner, Gerda Gmelin u.a. | Regie: Jürgen Roland


Zitat von Der deutsche Fernsehkrimi, S. 114, J.-B.-Metzler-Verlag
Der 'Quasi-Reportage-Stil' von "Stahlnetz" schien die Macht-Mechanismen der Exekutive für jedermann nachvollziehbar zu machen und somit das Vertrauen der Bevölkerung zu ihren Staatsorganen zu stärken. Er unterstrich zudem die Möglichkeiten des Mediums, indem das anfänglich als fernsehspezifisch erklärte Prinzip des unmittelbaren Dabeiseins gewissermaßen simuliert wurde. [...] Durch Drehen an Original-Schauplätzen, eine Durchsetzung der Spielhandlung mit reportageartigen Einschüben sowie vielfältige visuelle 'Realitätssignale' wurde eine an Außenrealität orientierte Authentizität erzeugt.


Der erste Fall aus der Reihe "Stahlnetz" wartet mit dem jungen Hellmut Lange auf, der die Ermittlungen im Gasthaus "Tiefer Brunnen" in Karlsruhe aufnimmt. Er spielt Kriminalkommissar Matern, den Leiter der Mordkommission. Er wurde in das Lokal gerufen, als nach einer Schlägerei ein Mann erschossen und ein weiterer verletzt wurde. Der 35-jährige Lange strahlt eine Frische aus, die seinen Auftritt ungeschliffen und unverbraucht wirken lässt, wobei in ruhigen Momenten bereits Anzeichen seines Charmes und seiner vorausschauenden Entschlossenheit aufblitzen. Seine Glanzrolle folgt einige Jahre später in "Strandkorb 421", wo er die gesamte Palette seines Könnens ausspielt und damit mühelos die Sympathie des Publikums gewinnt.
Aus heutiger Sicht mag der Kriminalfall antiquiert wirken, doch er zeigt die Widrigkeiten, mit denen sich die Polizei in Ermangelung moderner Hilfsmittel befassen musste. Fernschreiben wurden verschickt, Karteikarten durchforstet, Aufrufe an die Bevölkerung in Presse und Funk gerichtet und Lichtbilder eines Verdächtigen waren Mangelware. Eine ordnungsgemäße Erfassung aller Bürger mittels Personalausweis? Damals noch Fehlanzeige. So ist der Zufall manchmal ein wichtiger Helfer, wenn es um die Suche nach einem Verbrecher geht. Materns Kollege, Kriminalkommissar Krone aus Oberhausen, bekommt durch den Hinweis eines Fotografen Informationen über einen Teppich-Betrüger, der zusammen mit dem mutmaßlichen Mörder Kruse jr. geflüchtet ist. Die Szenen im Polizeibüro und im Fotoatelier dienen der Veranschaulichung routinierter Alltagsarbeit, die dem Publikum die Leichtgläubigkeit der Menschen als Faktor präsentiert, den gewiefte Gauner für Nepp und Bauernfängerei ausnutzen. Gleichzeitig wird betont, wie wichtig es ist, dass die Bürger mit der Polizei zusammenarbeiten. So kann eine Frau, die einen gefälschten Teppich an der Haustür erstanden hat, mit Nachsicht rechnen; der Hausmeister, der den Gesuchten bei sich versteckt hat, wird sich hingegen selbst vor Gericht verantworten müssen. Für die kurz(weilig)e Episode (ca. 40 Minuten) gibt es von der Fernsehzeitung "GONG" das Fazit "Spannende Fahndung", dem ich mich gerne anschließe.
Bereits in der Auftakt-Folge der Reihe ist alles enthalten, was den Erfolg der Serie ausmacht: ein griffiges Verbrechen aus der Unterschicht bzw. der sozialen Mitte, koordinierte Arbeitsschritte der Beamten aus verschiedenen Dezernaten bzw. Städten und eine Prise Humor. Aus heutiger Sicht bietet "Stahlnetz" stets auch eine Lektion in Sachen Zeitgeschichte, hier etwa, wenn der Fotograf davon spricht, dass man sich "heutzutage wieder einen echten Teppich leisten könne" oder, dass er viele Kameras an Italienreisende verkaufe - das Wirtschaftswunder lässt grüßen.

brutus Offline




Beiträge: 13.030

19.04.2012 11:48
#123 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Eine sehr schöne Folge zur Eröffnung der Stahlnetz-Reihe. Wobei ich mich bis heute frage, warum sie 'Mordfall Oberhausen' heißt, wenn in Karlsruhe jemand erschossen wird. Deinen Bemerkungen zu Hellmut Lange kann ich nur zustimmen und die Arbeitsmethoden der Polizei, damals auf der Höhe der technischen Möglichkeiten, lösen beim heutigen Betrachten schon ein Schmunzeln aus.

Viele Grüße
Brutus

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

22.04.2012 15:10
#124 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Ein Toter zuviel"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 22. Folge am 14. März 1968)

mit: Heinz Engelmann, Henning Schlüter, Dirk Dautzenberg, Jürgen Janza, Krikor Melikyan, Rudolf Schündler, Horst Beck, Peggy Parnass, Irmgard Kootes, Karin Büchel u.a. | Regie: Jürgen Roland



Beim dritten Anlauf habe ich es nun geschafft, die Folge an einem Stück zu sehen und dank aufmerksamen Ohrenspitzens konnte ich auch (fast) alles verstehen, was der kölsche Dautze von sich gegeben hat. Er spielt wieder einmal den ungeschlachten Kerl, der seinen Bierbauch vor sich herträgt und dabei jeden schmutzigen Auftrag annimmt, um an Geld zu gelangen. Die Pointe der Episode liegt in den Gedankengängen, denen das Publikum und die Gesellschaft im allgemeinen nachhängen: Der gewaltbereite Einbrecher, der -einmal straffällig geworden- immer wieder zu seinem Handwerk zurückkehrt, auch wenn er vorgibt, nun einer redlichen Arbeit nachzugehen. Die Tatsache, dass der Firmenboss - der Arbeitgeber - seine Mitarbeiter zu kriminellen Überstunden anregt, stellt ein Novum dar. Er ist es, dem die Vergangenheit seiner Mitarbeiter nicht nur gefällt, sondern die er auch gewinnbringend für seine Zwecke ausnutzen möchte. Seine Methoden der Geldbeschaffung sind nicht weniger dreist als die seiner kleinen Angestellten, sondern ebenso perfide und rücksichtslos.

Zitat von Der deutsche Fernsehkrimi, S. 118 f., J.-B.-Metzler-Verlag
Männer als Täter agierten profitorientiert, wohl kalkuliert, kaltblütig, sprich: professionell und aus niederen Motiven. [...] Sie wurden als unbekümmert bis skrupellos dargestellt und führten ihre Straftaten meist emotionslos aus. Gefährlich oder lästig gewordener Mittäter entledigte man sich durch Exekution. [...] Die männlichen Täter wurden ausgiebig gezeigt: zum Teil bei den Tatvorbereitungen, in der Regel bei der Tatdurchführung. Ihr Verhalten nach der Tat, etwa bei der Vorbereitung und Durchführung neuer Taten war ebenfalls zu sehen, und schließlich die Festnahme.


Henning Schlüter ist allein durch sein Auftreten, das mit raffinierter Ausleuchtung noch verstärkt wird, ein gefährlicher Gegner der Polizei. In den Nachtaufnahmen erinnern seine massive Gestalt und das feiste Gesicht mit Hut an Winston Churchill. Die kühnen Überlegungen, die Banküberfälle, Menschenraub und Mord beinhalten, stehen stellvertretend für den Sog des Bösen, in den der verheiratete Wischer (Janza) und der gemütliche Krützefeld (Dautzenberg) geraten.
Heinz Engelmann als Hauptkommissar Heinz Schilling von der Kripo Köln sorgt dafür, dass die endlos anmutenden Pläne des Trios immer wieder unterbrochen werden, um dem Publikum die Geschichte zu erläutern, die vielversprechend mit dem Start einer Privatmaschine nach Antwerpen beginnt. Das Kleinflugzeug stürzt während eines Nachtflugs hinter der belgischen Grenze ab und hängt mit dem Mord an Wischer insofern zusammen, als dessen Leiche in der Nähe des Wracks gefunden wird. Die Rekonstruktion der Tat mit anschließender Leichenbeseitigung wird zu Beginn anschaulich präsentiert, wobei die Verbindung von Schneelandschaft, Schaufensterpuppe und Mordwerkzeug für einen gruseligen Unterton sorgen. Oder, wie Engelmann in der ihm eigenen emotionslosen Diktion bemerkt: "Später können wir uns mit den Trümmern begnügen - und mit den Leichen." Anschließend sackt der Spannungsbogen jedoch abrupt ab und die Handlung verliert ihre Geradlinigkeit; ebenso wie bei den später gezeigten Überfällen auf "Spar- und Darlehenskassen" (die gute alte Bankkultur des redlichen Bürgers) hätten hier schnelle Schnitte und geraffte Abläufe für mehr Dichte gesorgt. Mit achtzig Minuten ist die Folge länger als ihr guttut. Zu oft schweift sie ins Private ab und wiederholt sich in Dialog und Überlegungen.

Fazit: Eine Spätfolge, die ich im unteren Drittel der Reihe einsortiere. Düstere Charakterstudie einer schlaffen, gleichgültigen Gesellschaft (siehe auch die resignierte Ehefrau Wischers - hängende Schultern, müder Blick), in der die Polizei scharfe Geschütze auffahren muss, um die Ordnung wieder herzustellen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

28.05.2012 14:22
#125 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Verbrannte Spuren"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 11. Folge am 27. Juli 1960)

mit: Karl-Georg Saebisch, Peter Lehmbrock, Eddi Arent, Robert Meyn, Herta Fahrenkrog, Klaus Kindler, Hela Gruel, Susanne von Ratony, Egon Mohr, Günter Lüdke u.a. | Regie: Jürgen Roland



In Pritzin, einer kleinen Gemeinde in Schleswig-Holstein, findet die Feuerwehr in einer heruntergebrannten Scheune eine Leiche. Die Kriminalpolizei Rendsburg nimmt die Ermittlungen auf. Kommissar Strobel glaubt aufgrund der Tatsache, dass es sich um die Überreste einer Frau handelt, an ein Gewaltverbrechen. Er schickt Kriminalobersekretär Eismann als Pferdemaler zur aristokratischen Familie von Altmann. Bald erkennt er, dass er mit den spärlichen Angaben niemals den Täter finden wird und zieht deshalb einen fähigen Pathologen aus Kiel zu Rate. Die neue Spur führt nach Hamburg, wo seit dem 7. März die 23-jährige Carola Poppe vermisst wird....

Der "gelungene Nostalgie-Krimi" (GONG) punktet vor allem mit viel Lokalkolorit. Die Urbedrohung Feuer mit dem nächtlichen Schrecken; der Kontrast zwischen dem Landadel und den einfachen Bauern, die beide dasselbe Gasthaus (es ist vermutlich das einzige im Ort) besuchen und der Wechsel von den reetbedeckten Gutshöfen nach Hamburg, wo unpersönliche Fabrikhallen und bürgerliche Wohnstuben vom kurzen Leben einer ambitionierten jungen Frau erzählen.
Karl Georg Saebisch profitiert von seinem Auftritt als Inspektor Parr in "Der rote Kreis" wenige Monate zuvor. Wieder steht ihm Eddi Arent als ernsthafter Assistent zur Seite. Es gibt durchaus Momente, in denen man glaubt, man befinde sich im nicht weit entfernten Dänemark. Nicht zufällig setzt Jürgen Roland wieder auf die geheimnisvolle Ausleuchtung abgelegener Schlupfwinkel (die Überführung des Täters im Finale gleicht der seines Kinoerfolgs) und die Beharrlichkeit des Kriminalkommissars, jedem kleinen Hinweis nachzugehen und sich nicht durch Kollegen oder vorgesetzte Stellen aus der Ruhe bringen zu lassen.
Tradition und Ordnung zeigen sich im Gebahren des Herrn von Altmann, der Wert auf Pünktlichkeit legt und mit Missfallen zur Kenntnis nimmt, dass die englische Freundin seiner Tochter im Reitdress und mit Ruß auf der Wange zum Abendessen erscheint. Weiters dienen Fragmente des Kaufmannromans "Soll und Haben" (von Gustav Freytag, einem Vertreter des bürgerlichen Realismus) zur Klärung des Falles bei. Der bescheidene Lebensstil der Beamten drückt sich in der mehrfachen Erwähnung ihrer Tagegelder aus, wobei sich besonders der junge Beamte als weitsichtig erweist. Sattmachende dicke Erbensuppe dient hier wie auch in "Die blaue Mütze" als zeitsparender Zwischenstopp im Fluss der Nachforschungen; nicht zufällig essen die Beamten stehend (immer auf Abruf), während die bessergestellte "Erste Familie Pritzins" ihre Speisen sitzend und ohne Unterbrechungen einnimmt. Geschickt zeichnet Wolfgang Menge das Bild einer jungen Frau, deren geheime Beziehung zu einem verheirateten Mann für allerlei Spekulationen sorgt. Die verkohlten Überreste erhalten ein Gesicht und begegnen in Klaus Kindler einem Mann voller Ängste, Bedenken und Schuldgefühle. Er glaubt, die Beseitigung seiner schwangeren Geliebten würde den Anschein trauten Familienlebens wahren und plant deshalb einen Mord, den er der Polizei im Falle einer Festnahme als Doppelselbstmord "verkaufen" will. Die stille Raffinesse dieser Tat, die man dem Mann ohne belastende Indizien durchaus abgenommen hätte, zeigt, wie schmal der Grat zwischen der Überführung eines Mörders und der Schließung der Akten wegen Mangels an Beweisen ist.

Eine Frage, die mich nach mehrmaliger Sichtung immer noch beschäftigt, ist jene nach den zwei Koffern, die im Zimmer von Carola Poppe stehen. Ihre Mutter berichtet, sie habe ihre Tochter am 7. März zum Bahnhof begleitet, wo sie den Zug nach Zürich nehmen wollte. Wie wir wissen, war dies nur eine Ausrede. In Wahrheit fuhr sie mit ihrem Freund Peter nach Neustadt, von wo aus sie per Anhalter nach Pritzin weiterfuhren. Die Koffer wären also entweder mit Carola in der Scheune verbrannt oder Peter hätte sie mitnehmen müssen. Die Mutter erzählt den Beamten, sie habe das Gepäck seit der Abreise ihrer Tochter nicht mehr gesehen. Kurz darauf schwenkt die Kamera zum Schrank, neben dem zwei Koffer stehen. Wie ist das zu erklären?

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

03.06.2012 13:56
#126 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Das Alibi"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 8. Folge am 12. Juni 1959)

mit: Herbert Tiede, Peter Lehmbrock, Rene Magron, Marina Ried, Gerda Maria Jürgens, Dorothea Moritz, Reinhold Nietschmann, Joachim Rake, Gerhard Hartig, Josef Nikola de Groot u.a. | Regie: Jürgen Roland



Um 2.00 Uhr morgens wird der Dortmunder Kriminalkommissar Iversen an einen Tatort gerufen. Maria Krützfeld, Ehefrau von Hans Krützfeld und Mutter der kleinen Monika, wurde mit zwei Schüssen getötet. Zeugen wollen gehört haben, wie die Frau vor ihrer Ermordung "Hans, das darfst du nicht!" gerufen hat. Der Witwer kann jedoch für die Tatzeit ein lückenloses Alibi aufweisen. Er hat einen Nachtbummel gemacht und wurde mehrmals gesehen. Trotzdem kommen Kriminalkommissar Iversen Zweifel. Er verhört die Zeugen und geht Krützfelds Alibi noch einmal Punkt für Punkt durch....

"Das Alibi" lebt vom teilweise beklemmenden Realismus, wenn es um die Darstellung der Familienverhältnisse im Hause Krützfeld geht. Das kleine Mädchen, das seine Mutter verliert; die Schilderung der Mutter Krützfelds, wie ihr Sohn versucht hat, sie mit Gas zu vergiften und der liederliche Lebenswandel des jungen Mannes, der ein Monatsgehalt nur dazu benutzt, sich volllaufen zu lassen und nicht, um seine Rechnungen zu begleichen. René Magron spielt den 32-jährigen, viermal vorbestraften Mann mit eisiger Präzision, sein bubihaftes Gesicht kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dem von ihm verkörperten Charakter um einen gefährlichen, weil skrupellosen Verbrecher handelt. Herbert Tiede bekommt es hier -wie auch in "Nacht zum Ostersonntag"- mit einem Mann zu tun, dessen Ausflüchte zunächst durch nichts zu widerlegen sind, dessen wankelmütiges Wesen jedoch im Gegensatz zur Figur Martin Postier an Bildungsdefiziten krankt und den Charme eines Jürgen Draeger missen lässt. Gerdamaria Jürgens, die Volksschauspielerin aus Danzig, erhält einmal mehr Gelegenheit, der Polizei wichtige Beobachtungen mitzuteilen. Sie gehört neben Hela Gruel (die hier als Mutter von Hans Bols zu sehen ist) zum Stammpersonal von Jürgen Roland, der oft und gerne auf die prägnanten Gesichter zurückgriff.
Für humorvolle Momente sorgen die trockenen Bemerkungen des Kommissars zu seinem Mitarbeiter und vor allem die Reise nach Utrecht. Die Niederländer werden als freundliche, radfahrende Menschen gezeigt, die den deutschen Nachbarn gern necken und seinen Arbeitseifer durch kulinarische Leckerbissen auflockern.

Zitat von Der deutsche Fernsehkrimi, S. 117, J.-B.-Metzler-Verlag
[Die Sendungen] waren handlungsorientiert, mit vielen Außenschauplätzen, 'weiten Überblicken' statt 'nahen Einblicken'. Halbtotale, auch totale und sogar supertotale Einstellungen überwogen gegenüber fürs Fernsehspiel typischen Nah- und Großaufnahmen. In manchen Standardsituationen, etwa Verhörszenen, gab es eine Beschränkung auf wenige Personen, während ansonsten Menschenansammlungen vorherrschten. Letzteres gilt sowohl für Außenszenen (etwa Suchaktionen in der Feldmark, Spurensichtung am Tatort, Großstadtstraßen) als auch für Innenräume (etwa in Kneipen oder an Tatorten wie Sparkassenfilialen).


Das Fernsehmagazin "GONG" spricht von "schnörkelloser Spannung", die meines Erachtens aber mehrmals unterbrochen wird, so auch in der Szene auf der Baustelle, wo ein dumpfer Freund Marias kaum den Mund aufbringt und von einer Pistole schwafelt. Auch die Wiederholung der Kneipentour MIT dem Tatverdächtigen erweist sich als weitaus langatmiger als die ersten Bestandsaufnahmen durch die Polizei. Alles in allem liegt hier nur eine durchschnittliche Folge vor.

Kleines Detail am Rande: In der Nähe des Mordhauses fährt angeblich der "Blaue Express" vorbei, dessen Herannahen zu Beginn aus der Sicht des Bahnwärters gezeigt wird. Der legendäre "Train Bleu" verkehrte ab 1922 unter seinem offiziellen Namen "Calais-Mediterranée-Express" zwischen der französischen Hafenstadt Calais (wo vor allem wohlhabende Briten an Bord genommen wurden) und der französischen Riviera. Nach menschlichem Ermessen kann er in Dortmund also nicht wahrgenommen werden. Wir befinden uns hier schließlich in einer semi-dokumentarischen Reihe und nicht in Günther Neutzes "Geisterzug".
Ich vermute, der Begriff wird allgemein inflationär verwendet, denn auch die Russen hatten Anfang der Fünfziger Jahre ihren "Blauen Express", es gab sogar einen schweren Unfall in Polen. Dennoch ärgert sich der Eisenbahnfreund über solche Ungenauigkeiten, da er sich gerne aus Reihen wie z.B. "Stahlnetz" über zeitgeschichtliche Besonderheiten informiert.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

23.06.2012 21:46
#127 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Drehortvergleiche „Stahlnetz“

Meinen Ferienaufenthalt in Travemünde nutzte ich auch für einen Tagesausflug nach Lübeck, wo ich auf Drehortsuche nach Schauplätzen für die „Stahlnetz“-Folge „Nacht zum Ostersonntag“ (1965) ging. Ohne die passenden Screenshots zur Hand, musste ich mir die gezeigten Ecken und Plätze aus dem Gedächtnis heraus zusammensuchen und war teilweise erfolgreich.
Die Episode beginnt mit dem Auszug aus dem Gotteshaus, die Gläubigen halten das Osterlicht in der Hand. Ich vermute, dass es sich hier um die gotische Kirche St. Marien handelt, die drittgrößte Kirche Deutschlands. Die Seitengasse, in der die Besucher verschwinden, könnte die Mengstraße sein, in der auch das berühmte Buddenbrookhaus steht. Da es sich um eine Nachtszene handelt, ist es schwer, aufgrund ihrer Kürze Vergleiche anzustellen.
Noch schwerer erwies sich die Enttarnung des Schauplatzes in der Nähe der „Lübecker Nachrichten“, die des Täters Brieftasche in ihr Schaufenster stellen und die Bevölkerung zur Mithilfe aufrufen. Wegen meiner Vorliebe für Leberknödel machte ich mich zu einem bayerischen Restaurant in der Breiten Straße auf. In der Parallelstraße, der Königsstraße, befand sich die Nachrichtenzentrale der Tageszeitung, die in der Folge eine wichtige Rolle spielt. Im Schaufenster der besagten Szene spiegelt sich die rückwärtige Ansicht der St.-Marien-Kirche:



Zunächst dachte ich, Herbert Tiede und sein Kollege flanierten entlang des Pferdesmarktes / Paradestraße, doch ich hatte mich geirrt.
Zwei weitere kurze Sequenzen waren leichter zu entlarven: Gerhard Hartig geht in einen Obst- und Gemüseladen und kauft sich einen Apfel, wobei er die Preise kritisiert. Hinter ihm sieht man deutlich den Travemünder Strandbahnhof, dessen charakteristischer Uhrenturm stets den nächsten Zug nach Lübeck anzeigt (mittlerweile fährt er sechs Minuten früher ab). Auch heute noch gibt es am Platz vor dem Endbahnhof des Seebades eine Reihe von Geschäften, die u.a. auch die Früchte der Saison anbieten.

Edith Mill spielt in „Nacht zum Ostersonntag“ die mondäne Mutter von Jürgen Draeger. Als sie zum ersten Mal von der Kriminalpolizei verhört wird, sieht man sie in Travemünde Minigolf spielen. Es gibt zwei Plätze, wo dies möglich ist, und ich glaube, dass es sich um die Anlage an der Ecke Außenallee / Trelleborgallee handelt (in der Nähe des Alten Leuchtturms). Die hohen Bäume spenden viel Schatten und laden zum Verweilen ein.



Herbert Tiede hat sich für den Ostersonntag mit einem befreundeten Journalisten zum Fischen verabredet. Dazu kommt es wegen des Taximordes nicht, die beiden Männer holen den Ausflug jedoch nach und man sieht sie in der Nähe der Dankwartsbrücke am Fuße der Wallanlagen sitzen und gemütlich an der Stadt-Trave die Angelrute schwingen.

Die oftzitierte Thorwaldsenstraße gibt es in Lübeck übrigens nicht (nicht mehr?). In Deutschland existiert nur eine geringe Anzahl solcher Straßen. Sie befinden sich in Berlin (2 Stück), München, Frankfurt am Main, Ludwigshafen, Köln, Oldenburg und Rüsselsheim. Die Travemünder Allee führt dagegen tatsächlich nördlich der Burgtorbrücke von der Hansestadt weg.

Georg Offline




Beiträge: 3.263

03.07.2012 12:40
#128 "Stahlnetz" Zitat · Antworten

Anlässlich der neuerlichen DVD-Auswertung habe ich nun viele neue Informationen zur Serie auf meine Seite geladen (Haupttext, sofern zu den einzelnen Folgen Besonderheiten ermittelt werden konnten, wurden diese bei den einzelnen Episoden vermerkt): http://krimiserien.heim.at/s/stahlnetz.htm. Außerdem anbei einige Bilder von Dreharbeiten und Farbfotos (herzlichen Dank an Jack_the_Ripper!, die Bilder stammen aus den damaligen TV-Zeitschriften)!

Bild 1: Kriminalrat Breuer, Jürgen Roland, Wolfgang Menge, Dreharbeiten zu Folge 1 "Mordfall Oberhausen"
Bild 2: Jürgen Roland und Team bei Dreharbeiten zu "Ein Toter zuviel"
Bild 3: Am Rande der Dreharbeiten entdeckt Jürgen Roland die Sängerin Hilde Peters
Bild 4: Dreharbeiten im Wald zu "In der Nacht zum Dienstag"
Bild 5: Dreharbeiten: Helmut Schmid, Jürgen Roland, Peggy Parnass
Bild 6: ein richtiger Kriminalbeamter (Mitte) erklärt Paul Edwin Roth in "Die blaue Mütze", wie er sich als Ermittler zu verhalten hat
Bild 7: Folge 12-Die Zeugin im grünen Rock
Bild 8: Folge 12-Die Zeugin im grünen Rock
Bild 9: Folge 13-Saison
Bild 10: Folge 13-Saison
Bild 11: Folge 17-Das Haus an der Stoer
Bild 12: Dreharbeiten zu Folge 3 "Die blaue Mütze"
Bild 13: Folge 18-Rehe
Bild 14: Dreharbeiten zu Folge 4 "Die Tote im Hafenbecken" im Hamburger Hafen
Bild 15: Dreharbeiten zu Folge 10 "Die Zeugin im grünen Rock": Richard Lauffen, Jürgen Roland, Kameramann Bernd Eismann, Produktionsleiter Erich Holder
Bild 16: Oberkommissar Valentin von der Hamburger Kripo gibt Roland und Menge Tipps für Folge 12: "E ... 605"
Bild 17: Folge 12: "E ... 605" Roland und Kameramann Günter Haase bei Dreharbeiten im Warenhaus
Bild 18: Jürgen Roland bei Dreharbeiten zu Folge 12 "E ... 605"
Bild 19: Dreharbeiten zu Folge 13: "Saison", hinter Jürgen Roland: Regieassistentin Hansi Köck
Bild 20: Jürgen Roland und Kameramann Fritz Lehmann, Dreharbeiten zu Folge 14: "In der Nacht zum Dienstag"

Angefügte Bilder:
12_die_zeugin_im_gruenen_rock.jpg   12_die_zeugin_im_gruenen_rock1.jpg   13_saison-1.jpg   13_saison-2.jpg   17_das_haus_an_der_stoer.jpg   18_rehe.jpg   dreharbeiten-3.jpg   dreharbeiten_10_zeugin_lauffen_roland_eismann_holder.jpg   dreharbeiten_12_e605.jpg   dreharbeiten_12_e6051.jpg   dreharbeiten_12_e6052.jpg   dreharbeiten_13_saison.jpg   dreharbeiten_14_in_der_nacht_kamerafritzlehmann.jpg   dreharbeiten_1_.jpg   dreharbeiten_3_blaue_muetze.jpg   dreharbeiten_4_hafenbecken.jpg   dreharbeiten_ein_toter_zuviel.jpg   dreharbeiten_hilde_peters.jpg   dreharbeiten_in_der_nacht_zum_diesntag.jpg   dreharbeiten_roland_schmid_paranss.jpg  
Georg Offline




Beiträge: 3.263

21.08.2012 07:49
#129 RE: "Stahlnetz" - DVDs in der Straßenfegeredition Zitat · Antworten

Seit heute liegen mir die Straßenfeger-Boxen vor. Alle 22 Folgen wurden digital überarbeitet. Hier einige Beispiele für die Bildkorrektur, die es offensichtlich auf der alten Box noch nicht gegeben hat.

Angefügte Bilder:
PDVD_068.JPG   PDVD_069.JPG   PDVD_070.JPG   PDVD_071.JPG   PDVD_073.JPG   PDVD_074.JPG   PDVD_075.JPG   PDVD_078.JPG   PDVD_084.JPG   PDVD_085.JPG   PDVD_088.JPG   PDVD_089.JPG   PDVD_090.JPG   PDVD_091.JPG   PDVD_092.JPG   PDVD_093.JPG   PDVD_096.JPG   PDVD_097.JPG   PDVD_098.JPG  
Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

15.06.2013 21:49
#130 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Aktenzeichen Welcker u.a. wegen Mordes"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 9. Folge am 6. November 1959)

mit: Heinz Engelmann, Paul Edwin Roth, Anneliese Born, Ursula Grabley, Günter Briner, Fred Klaus, Günter Lüdke, Jochen Rathmann, Wolfgang Koch, K.F. Fendell u.a. | Regie: Jürgen Roland



Kommissar Dressler und Kriminalobermeister Spiegelberg bearbeiten den Überfall auf einen Kassenboten des Hauptzollamtes, hinter dem drei junge Männer stecken sollen. Weitere Spuren führen in eine Pension und ein Kino, in das einer der Täter aus Angst vor seinen Kameraden geflüchtet war. Am Ende stellt sich heraus, dass die Furcht des Mannes nicht unbegründet war: Ein gewisser Peter Althoff wurde bereits vor mehreren Wochen erschossen und in einem Flussbett beseitigt, da er bei den Verbrechen der Gruppe nicht mehr mitmachen wollte....

Zitat von Der deutsche Fernsehkrimi, Verlag J.B. Metzler, S.121
Der Parcours der Ermittlungsstrecke verlief entlang von Großstadtstraßen, Waldstücken oder auf freiem Feld, am See, auf Hinterhöfen, auf dem Schrottplatz, einem alten Fabrikgelände, also vor allem an Außenschauplätzen. Action entstand aber auch durch die Aktivitäten der Täter, sowohl bei der Durchführung ihrer Straftaten als auch bei der Vorbereitung neuer.


Heinz Engelmann und Paul-Edwin Roth sorgen in dieser recht unprominent besetzten Folge für einen Identifikationsfaktor, den sie bitter nötig hat. Gerade in der ersten Hälfte der Episode laufen unkoordiniert Verbrechen ab, bei denen nicht klar zu erkennen ist, welchen Zweck sie verfolgen. Der Auftakt mit dem Mord im Wald wurde stimmig inszeniert, mündet jedoch in vielen Nachtsequenzen, die mit sinnlosen Verzögerungen aufwarten. Erwähnenswert seien hier die Ereignisse in der Pension. Überhaupt scheint sich der Sinn dieser "Stahlnetz"-Folge, die in lobenswerter Weise besonders von der digitalen Restaurierung profitiert, erst bei einer Zweitsichtung zu erschließen. Es stellt sich die Frage, ob die Erstsendung der Episode kurz vor Beginn der Vorweihnachtszeit 1959 nicht ebenso altbacken und miefig empfunden wurde, wie bei heutiger Betrachtung. Dabei hat die Reihe bis dahin durchaus Höhepunkte gesehen, die auch bei einem modernen Publikum nostalgischen Charme und Deduktionsspannung aufkommen lassen. Man denke nur an Hellmut Langes ersten Auftritt als Kriminalermittler in "Mordfall Oberhausen", die herrlichen Berlin-Aufnahmen in "Die blaue Mütze" oder die schlüssige Handlung der Weihnachtsfolge "Sechs unter Verdacht". Im Vergleich dazu wirken die Morde in "Aktenzeichen: Welcker" geradezu verschenkt.
Im Finale kommt noch einmal Tempo in die Geschichte und lässt die Zuschauer um das Leben eines Ermittlers bangen, bevor abschließend noch ein Lehrsatz über die "Jugend von heute" und Verbrecher im Allgemeinen angebracht wird. Hierfür eignet sich Heinz Engelmann besonders gut. Er ist das moralische Gewissen der semidokumentarischen Reihe - mehr noch als Hellmut Lange oder Herbert Tiede.

Der schwarze Abt Offline



Beiträge: 3.879

31.07.2013 22:58
#131 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Soeben endete mein großer anderthalbwöchiger Stahlnetz-Erstsichtungs-Marathon und hier nun das Resultat. Ich will noch dazu sagen, dass mich die Serie großartig unterhalten hat und dass es für mich keine wirklich schlechten Folgen gibt. Bei erneuter Sichtung können geringe Veränderungen in der Liste auftreten, aber im großen und ganzen wird es hierbei bleiben:

01. Der fünfte Mann (5,0)
02. Das Haus an der Stör (5,0)
03. In der Nacht zum Dienstag (5,0)
04. E ... 605 (5,0)
05. Spur 211 (5,0)


06. Strandkorb 421 (4,5)
07. Verbrannte Spuren (4,5)
08. Aktenzeichen: Welcker u. a. wegen Mordes (4,5)
09. Saison (4,5)

10. Das zwölfte Messer (4,0)
11. Die Zeugin im grünen Rock (4,0)
12. Die Tote im Hafenbecken (4,0)
13. Mordfall Oberhausen (4,0)
14. Das Alibi (4,0)

15. Nacht zum Ostersonntag (3,5)
16. Rehe (3,5)
17. In jeder Stadt ... (3,5)
18. Ein Toter zuviel (3,5)
19. Die blaue Mütze (3,5)
20. Bankraub in Köln (3,5)

21. Sechs unter Verdacht (3,0)
22. Treffpunkt Bahnhof Zoo (3,0)

Georg Offline




Beiträge: 3.263

14.12.2013 16:42
#132 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Mal wieder gesehen: "Der fünfte Mann" und "Ein Toter zuviel". Die akribische Aufarbeitung des Falls in "Der fünfte Mann" hat mich erneut sehr beeindruckt und die rund zwanzigminütige Verfolgungsjagd durch den Schnee knapp an der tschechoslowakischen Grenze erneut gefesselt und in den Bann gezogen. Ich würde fast sagen, dass diese Episode nach "Rehe" die beste ist. Noch vor "Das Haus an der Stör".

Georg Offline




Beiträge: 3.263

19.12.2013 20:35
#133 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Gestern ist mir, als ich die tolle Episode "Spur 211" wieder mal angesehen habe, erneut aufgefallen, welch starke Parallelen diese Geschichte mit Reineckers Der Kommissar: Die Kusine hat. Das Pärchen bestehend aus junger devoter Frau und älterem Mann, der sich als Frau verkleidet ins Auto des ahnungslosen Opfers setzt, taucht in der Reinecker-Geschichte genau so auf. Ergo: Reinecker hat sich am wahren Fall inspirieren lassen oder ganz einfach eine Wiederholung dieser "Stahlnetz"-Geschichte gesehen. Im letzteren Falle wäre das aus heutiger Sicht fast ein Plagiat ...

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

26.12.2014 20:32
#134 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "In der Nacht zum Dienstag"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 14. Folge am 7. November 1961)

mit: Heinz Engelmann, Wolfgang Völz, Frank Straas, Kurt Klopsch, Manfred Greve, Erich Dunskus, Lore Schulz, Hela Gruel, Conny Palme, Vasa Hochmann u.a. | Regie: Jürgen Roland



Düsseldorf und Umgebung: Mehrere, scheinbar unabhängig voneinander ablaufende Verbrechen unterschiedlicher Art stören die Nachtruhe. Zuerst wird ein Liebespaar im Auto bedroht, dann ein Betrunkener beraubt, ein Auto gestohlen, ein Bus entwendet und letztendlich sogar ein Mord verübt: Eine Zeitungsausträgerin wird am frühen Morgen getötet und in den Wald gebracht, wo der plumpe Versuch unternommen wird, ein Sexualverbrechen vorzutäuschen. Oberkommissar Kiesel hat alle Hände voll zu tun, die einzelnen Straftaten zu einem großen Ganzen zusammenzufügen und dem Täter auf diese Weise auf die Schliche zu kommen....

Betrachtet man eine "Stahlnetz"-Folge aus der zeitlichen Distanz von über fünfzig Jahren, so fällt der Reportagestil der Episoden angenehm auf. Der Zuschauer wird in den Ermittlungsprozess, der das Auswerten von Spuren ebenso beinhaltet wie Fahndungsgesuche oder Zeugenbefragungen, miteinbezogen und über die mühsame Arbeit der Beamten auf dem Laufenden gehalten. Fast nüchtern berichten die Dezernate über Fortschritte und Schwierigkeiten, ohne auf der Psychoschiene zu fahren, wie es heute oft der Fall ist. Auch in Folge 14 vermerkt der Kriminalkommissar am Ende lapidar, dass der Täter kein offensichtliches Motiv für die Taten hatte. Hinweise auf eine angeblich schwere Kindheit oder andere Rechtfertigungsversuche werden dem Publikum erspart. Dennoch wird durch die wiederholte Präsenz von Identifikationsfiguren wie dem flapsigen Wolfgang Völz, dem kantigen Heinz Engelmann und dem immer gern gesehenen Kurt Klopsch ein Umfeld geschaffen, das fast familiär ist und ein Gegengewicht zu der sachlichen Aufarbeitung der Fälle bildet. Die Nacht als Schutz und Bedrohung zugleich bereitet den Boden für die Straftaten. Durch den schnellen Ortswechsel und das parallel ablaufende Privatleben der Ermittler (Engelmann im Flugzeug, Völz beim Boxkampf) erhält die Geschichte eine Dynamik, die von den zunächst kleinen Vergehen (Bedrohung des Paares im Auto, Entwendung der Geldbörse) auf die kommenden Kapitalverbrechen hinweist und in der buchstäblichen Vernichtung des Täters endet. Dem heutigen Zuschauer fallen auch die Hierarchie im Polizeidienst und das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter oder die Rolle der Frau im Berufsleben auf. Das Gespann Engelmann-Völz ist ein gutes Beispiel für den Unterschied der Generationen, der sich in der Haltung gegenüber Vorgesetzten, Dienstvorschriften oder Arbeitsauffassung ausdrückt. Die Strenge des Älteren wird durch die Geselligkeit des Jüngeren abgefedert. Das Revier des Übergeordneten wird nicht in Frage gestellt, ihm aber durch die heitere Betonung von Schwächen und das Hinweisen auf allzu Menschliches ein wenig der trockene Ernst genommen.

Fazit: "In der Nacht zum Dienstag" zündet beim zweiten Ansehen. Die überdurchschnittlich lange Episode ist dem Phantom der Nacht auf der Spur und schildert den Fall komplett aus der Beobachter-Perspektive, über Opfer oder Täter erfährt man wenig bis nichts, was zu einer sachlichen, nicht überladenen Erzählweise beiträgt.

Havi17 Offline




Beiträge: 3.763

26.12.2014 23:19
#135 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Zitat von Der schwarze Abt im Beitrag #131
Soeben endete mein großer anderthalbwöchiger Stahlnetz-Erstsichtungs-Marathon und hier nun das Resultat. Ich will noch dazu sagen, dass mich die Serie großartig unterhalten hat und dass es für mich keine wirklich schlechten Folgen gibt. Bei erneuter Sichtung können geringe Veränderungen in der Liste auftreten, aber im großen und ganzen wird es hierbei bleiben:

01. Der fünfte Mann (5,0)
02. Das Haus an der Stör (5,0)
03. In der Nacht zum Dienstag (5,0)


Sind auch meine Favoriten, nur auf Platz 1 "Rudolf Platte"

Gruss
Havi17

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