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Dieses Thema hat 187 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

26.12.2010 11:16
#106 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Ich habe zweimal versucht, mir diese Episode zu Gemüte zu führen - ohne Erfolg. Die Geschichte beginnt interessant, verliert sich jedoch bald in einem sumpfigen Milieu. Leider spricht Dautzenberg so ausgeprägt "Kölsch", dass ich kein Wort verstehen kann. Für mich eine der enttäuschendsten Folgen der sonst ausgezeichneten Reihe.

Tarzan Offline



Beiträge: 1.038

26.12.2010 11:28
#107 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Es lebe das Kölsch ... als Sprache und in flüssiger Form!

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

26.12.2010 18:23
#108 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Zitat von Percy Lister
Ich habe zweimal versucht, mir diese Episode zu Gemüte zu führen - ohne Erfolg. Die Geschichte beginnt interessant, verliert sich jedoch bald in einem sumpfigen Milieu. Leider spricht Dautzenberg so ausgeprägt "Kölsch", dass ich kein Wort verstehen kann. Für mich eine der enttäuschendsten Folgen der sonst ausgezeichneten Reihe.


So extrem hab ich Dautzenbergs Dialekt nicht empfunden, konnte ihm bis auf ein paar Dialoge im Schlussverhör gut folgen. Das "sumpfige Milieu" fand ich passend eingefangen, die damit entstandene Realitätsnähe hielt mich weit weniger auf Distanz zur hässlichen, skrupellosen Geschichte, als es mir bei manch anderen, klinisch sauberer erzählten Kriminalepisoden - jetzt nicht nur in der "Stahlnetz"-Reihe - ging.

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

01.01.2011 21:23
#109 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

TREFFPUNKT BAHNHOF ZOO

Ein rasanter Großstadtkrimi aus dem prosperierenden Berlin der späten 50er Jahre, in dem die unsichere politische Lage die Aufbruchsstimmung nicht dämpfen kann. Ein kaltblütiges Gangsterpärchen beraubt eine Moabiter Wechselstube um 48.000 Mark. Auf der chaotischen Flucht trennen sich die beiden. Während sich die Schlinge um die Frau schnell zuzieht, kann der Mann vorerst im Dschungel der Großstadt untertauchen …

Obwohl auch diese Stahlnetz-Folge in einer Art Rückblende erzählt wird, bleibt das Geschehen durch eine frische Inszenierung und eine lebendige Kamera, die beide das Großstadtleben atmosphärisch und folgerichtig mit der Krimistory verknüpfen, abwechslungs- und wendungsreich. Kleinere technische Unzulänglichkeiten (auffällige Rückprojektionen bei der Autofahrt etwa) fallen kaum ins Gewicht, amüsante Szenen mit Berliner Originalen wirken nie nur selbstzweckhaft oder verkrampft, sondern unterstützen die eigentlichen Geschehnisse auf angenehme Weise.

Die mir wenig bekannten Darsteller spielen authentisch und rollengerecht, die Ermittler Wolfgang Stumpf und Kurt Klopsch (mit „grünem Daumen“) ergänzen sich vorzüglich und müssen sich ebenso wie Madelon Truss und Wolf von Gersum als Räuberpärchen nicht vor großen Vorbildern verstecken. Die wahre Verbindung zwischen der attraktiven Frau und ihrem Komplizen bleibt etwas im Unklaren, man erfahrt wenig über die Hintergründe und Planung, meint, im rüden Umgang der beiden eine unterschwellige, auch sexuelle Anziehungskraft zu erahnen. In kleineren Szenen trifft man auf (Berliner) Schauspieleroriginale, die – gerade im Zusammenspiel mit dem köstlichen Kurt Klopsch - für die oben erwähnten Auflockerungen sorgen. Stellvertretend und weil mir bekannt möchte ich die resolute Gerda Maria Jürgens als Zimmervermieterin anführen.

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

09.01.2011 22:11
#110 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

DIE TOTE IM HAFENBECKEN

Der Hamburger Hafen mit dem Duft der großen weiten Welt und St. Pauli mit all seinen Versprechungen auf Abenteuer und schnellen Sex, mit seinen Kneipen und Lokalen, in denen Freddy Quinn sentimentale Lieder singt und willige Frauen auf ihre Freier warten – das sind die Schauplätze dieser frühen, sehr realitätsnah und dokumentarisch erzählten Geschichte aus der Stahlnetz-Reihe. Schnell präsentiert uns die Folge das wirkliche Leben hinter dem schönen Schein, hinter den glitzernden Schaufenstern und blinkenden Verlockungen, führt uns in die Gosse, in ärmlichen Wohnungen und heruntergekommene Bars und Clubs, in denen „leichte Mädchen“ Abend für Abend auf der Suche nach Kavalieren sind.

In wenigen, für die damalige Zeit wahrscheinlich recht offenherzigen Szenen begegnen wir der 28jährigen Helga Wieberitz, einer jener Prostituierten, begleiten sie von ihrem schäbigen Mietszimmer, wo Clark Gable an der Wand hängt und die Zimmerwirtin hinter der Tür lauert, zu den ewig gleichen von Alkohol, Zigaretten und Männerbekanntschaften bestimmten Abenden und Nächten in den Reeperbahnlokalen. Der lakonische Off-Text schweift dabei leider immer wieder in billige und unpassende Scherzereien ab, hier hätten mich ein paar Hintergründe über das Mädchen mehr interessiert. Eines Abends verschwindet Helga spurlos, drei Monate später zieht man ihre Leiche aus dem Hafenbecken. Die Ermittlungen führen zur Besatzung eines Schiffes, das in jener Nacht im Hafen vor Anker lag …

Die Folge kommt ohne die berühmte Titelmusik und ohne eingeblendete „Stahlnetz“-Sequenz aus, sowohl die Hamburger Aufnahmen als auch die vielen – oft mit Datum und Uhrzeit versehenen - Off-Texte verleihen ihr einen intensiven und mitreißenden dokumentarischen Stil. Die Schauspieler sind mir leider wenig bekannt, unterstützen glaubhaft die dokumentarische Atmosphäre, Hamburger (Ohnsorg)-Gesichter sorgen für weiteres Lokalkolorit, Stahlnetz-Dauerbrenner Gerda Maria Jürgens spielt das bedauernswerte Mordopfer mit einer spröden Abgeklärtheit, Jochen Rathmann (bekannt aus „Der Andere“) einen jungen Matrosen. Wenn auch die Titelmusik fehlt, verdient die flotte Musikuntermalung trotzdem besondere Erwähnung.

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

11.01.2011 23:05
#111 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

DAS ZWÖLFTE MESSER

Ein Einbrecher schleicht nachts durch eine Vorortwohnung im Ruhrpott. Er überrascht die Wohnungsbesitzerin im Schlaf und sticht wie von Sinnen auf die Frau ein ... Erste Ermittlungen deuten zunächst auf gewisse innerhäusliche bzw. -familiäre Konflikte, konzentrieren sich jedoch schnell auf ein Messer, das in der Nähe des Tatortes gefunden wird, allerdings ohne, dass die (damals wohl noch etwas in den Kinderschuhen steckende) Gerichtsmedizin dieses Messer eindeutig als Tatwaffe identifizieren könnte ...

Obwohl die Folge mitten im Ruhrgebiet (Essen/Oberhausen) angesiedelt ist, macht sich eine fast dörflich-muffige Atmosphäre breit, wo jeder jeden kennt, wo man sich sonntags in der Kirche trifft und unter der Woche das (Liebes)Leben der Nachbarn ausspioniert. Leider wird der Handlungsstrang um Zwistigkeiten und Liebeleien im Mordhaus bzw. um gewisse Spannungen in der Bergwerksfamilie bald abgewürgt, Andeutungen und Gerüchte verlaufen im Sand, die Handlung fokussiert sich auf die Suche nach der Herkunft jenes ominösen zwölften Messers. Den Stahlnetz-Machern gelingt es wieder eindrucksvoll, das Zeitgefühl der damaligen Jahre (hier die Mitt-50er) einzufangen und plastisch darzustellen, die Atmosphäre dieser Zeit - wo Wirtschaftswunder und techn. Fortschritt noch nicht überall gegriffen haben - lebendig und nachfühlbar werden zu lassen. Da scheint nur logisch, dass sich der Täter schließlich verrät, weil er Analphabet ist.

Als Ermittlerduo überzeugen der kürzlich verstorbene Alexander Kerst als junger Kommissar und Helmut Peine als sein Vorgesetzter, besonnen und erfahren, trotzdem risikobereit. Madelon Truss als mysteriöse Schönheit bekommt leider wenig Gelegenheit zur Entfaltung, der junge Friedrich Georg Beckhaus spielt einen verdächtigen Bergarbeiter.

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

16.01.2011 14:44
#112 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

DIE BLAUE MÜTZE

Ein kleiner, feiner Kriminalfilm aus der Kinderzeit der Reihe und des deutschen Fernsehens, der aber bereits viele Komponenten, Details und Versatzstücke aufweist, die den „klassischen deutschen Fernsehkrimi“ für mich seit eh und je schon zu einer ganz besonderen Form der Unterhaltung machen – sei es durch die Identifikationsfigur des Ermittlers, die Einbindung regionaler und zeittypischer Besonderheiten und Entwicklungen, durch Reflexionen über Schuld und Sühne und über Opfer und Täter, durch typgerecht besetzte Schauspieler und einiges mehr. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, variiert natürlich auch von Folge zu Folge bzw. Serie zu Serie, gilt jedoch im Großen und Ganzen seit diesen Stahlnetz-Anfangszeiten.

Der in dieser Episode behandelte Kriminalfall ist unspektakulär (die Art des Verbrechens jedoch nach wie vor „beliebt“, solche Geschichten sieht man heutzutage halt eher in „XY“), wird aber auf sympathische und interessante Weise präsentiert und hält am Ende noch eine Überraschung bereit. Typische 50er-Jahre-„Halbstarke“ überfallen im sommerlichen Berlin einen Ladenbesitzer, schlagen den alten Mann nieder. Am Tatort bleibt eine blaue Mütze zurück, deren Herkunft den Ermittlern einiges Kopfzerbrechen bereitet …

Paul Edwin Roth (immer etwas unterschätzt und leider zu früh gestorben) spielt sehr glaubwürdig einen pflichtbewussten, selbstlosen, etwas trockenen Beamten, der sich des vermeintlich unwichtigen Falles mit viel Engagement und Anteilnahme annimmt, Feierabend und Sonntagsruhe opfert, zwischendurch nur schnell eine Suppe oder ein Paar Würstchen hinunterschlingt, um mit viel Beinarbeit die jugendlichen Täter dingfest zu machen. Alltagskolorit und die begleitenden Zeitumstände wurden auch in dieser Folge mit viel Gefühl eingebunden, die mir wieder wenig bekannten Darsteller spielen durchwegs gut und glaubwürdig. Erwähnenswert der spätere Tatort-Kommissar Werner Schumacher, der sich mit dem Kriminalobersekretär einen passenden, vielleicht etwas zu „gewollten“ Disput über Schwere und Bedeutung einzelner Verbrechen – auch im Kontext zueinander - liefert.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

02.04.2011 20:54
#113 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Noch heute beschäftigen uns die Fälle, die in „Stahlnetz“ geschildert werden. Die wahren Geschehnisse hinter dem Fall „Das Haus an der Stör“, die „Die Mörderin Ruth Blaue“ betreffen, kann man ab April 2011 in einer Veröffentlichung des Boyens-Buchverlags nachlesen. Auf 260 Seiten schildert Autor Klaus Alberts die Geschichte des Nachkriegsverbrechens. Hier der Verlagstext:

Zitat von Die Mörderin Ruth Blaue
Eine Mittelstadt in Schleswig-Holstein 1946 – voller Flüchtlinge, versprengter Soldaten, Gestrandete des großen Krieges. Dem Inferno entronnen, ringen sie weiter ums Überleben, versuchen, sich im Chaos eine neue Existenz zu schaffen. So auch Ruth Blaue und der deutlich jüngere, einundzwanzigjährige Jagdflieger Horst Buchholz, der sich als Holzbildhauer versucht. Zwischen ihm und der Frau, die sich zu dem sensiblen Mann hingezogen fühlt, ist bereits ein Abhängigkeitsverhältnis entstanden, als der Ehemann John aus dem Krieg zurückkehrt. In einer Novembernacht wird John Blaue das letzte Mal lebend gesehen. Ein halbes Jahr später finden Kinder in einem Teich nahe Elmshorn die Leiche eines Mannes mit zertrümmertem Schädel. Zehn Jahre vergehen bis zur Identifizierung: Der Tote ist John Blaue. Seine Frau und Horst Buchholz, sie leben jetzt nach Stationen in Dithmarschen und Hamburg miteinander im Schwarzwald, gestehen, widerrufen, gestehen, widerrufen.... Vor Prozessbeginn in Itzehoe tötet Buchholz sich selbst, Ruth Blaue geht lebenslänglich ins Zuchthaus Lübeck-Lauerhof. Bis zuletzt bleibt sie dabei: „Aber gemordet habe ich nicht.“

Dieses Buch ist die erste seriöse literarische Auseinandersetzung mit diesem Mordfall, der Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Öffentlichkeit stark bewegte. Nie zuvor öffnete die Justiz der Forschung die vollständigen Prozessakten einschließlich der psychiatrischen Gutachten. Der Autor gibt eine völlig neue Deutung des dramatischen Geschehens und ruft ein Stück Nachkriegsgeschichte Schleswig-Holsteins in Erinnerung. 1963 wurde dieser Kriminalfall in der Reihe „Stahlnetz“ unter der Regie von Jürgen Roland mit dem Titel „Das Haus an der Stör“ verfilmt. Der Film beruht auf dem authentischen Fall, allerdings wurden der Schauplatz und die Namen der beteiligten Personen verändert. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Wolfgang Menge.


Cover und Informationen auf der Verlagshomepage: Link

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

09.06.2011 20:03
#114 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Das zwölfte Messer"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 5. Folge am 28. November 1958)

mit: Alexander Kerst, Helmut Peine, Madelon Truss, Friedrich Georg Beckhaus, Gerhard Tichy, Gerda Maria Jürgens u.a. | Regie: Jürgen Roland



Lohsdorf im Ruhrgebiet - eine kleine Stadt zwischen Essen und Bochum. Ein Mann schleicht um ein Haus, in dem eine Frau schwer atmend in einem einfachen Zimmer schläft. Vom Einzug des Wirtschaftswunders, einem "gebohnerten, gemoppten, staubgewischten Ambiente" (SPIEGEL Special: Die 50er Jahre, S. 147) zwischen blütenweißer Wäsche hat man hier noch nichts gemerkt. Alles wirkt ärmlich und heruntergekommen und man fragt sich, welche Motive der Täter für sein Eindringen in die Wohnung hat. Er kramt im Schrank, als die Frau plötzlich die Augen öffnet und schreit. Eine kurze Rangelei, dann das dominante Intro und der "Stahlnetz"-Schriftzug; die Frau wird -wie sich später herausstellt- mit mehreren Messerstichen niedergestreckt. Es ist Sonntag, der 9. September. Die Untersuchungen der Kriminalpolizei konzentrieren sich auf ein in der Nähe des Tatorts gefundenes Messer, dessen Herkunft in mühsamer Kleinarbeit bald ermittelt wird. Es stammt aus einem Zwölfersatz, der in der Messerschmiede Solingen in den Zwanziger Jahren in limitierter Auflage hergestellt wurde. Es war ein Hochzeitsgeschenk an eine Bäuerin, die dieses nun an ihre Angestellte weitergeben wollte. In der heutigen Wegwerfgesellschaft keine unwesentliche Tatsache. Die relative Armut der Anwohner, von denen die meisten im Bergbau oder in der Landwirtschaft beschäftigt sind, zieht sich durch die ganze Episode. Der gewiefte Kriminalrat (gespielt vom listigen Helmut Peine, der hier ähnlich auftritt wie in der Serie "Inspektor Hornleigh greift ein") kann den Täter durch ein Merkmal identifizieren, das für die damaligen Bildungslücken der Unterschicht spricht. Wiederum ein Punkt, der die Beschränktheit der Verhältnisse jener Tage aufzeigt. Wer in den Kleiderschrank des Täters gesehen hat, den gruselt es.
Eine Folge ohne Höhepunkte, die in semi-dokumentarischer Weise einen Mordfall präsentiert, der trotz seiner grausamen Anfangssequenz nicht sonderlich fesselt. Als gelungen kann man die Einblendungen des Denunziantentums bezeichnen, in denen sich die Bewohner der kleinen Gemeinde hervortun (unter ihnen die unvermeidliche Gerda-Maria Jürgens, die jedoch kaum mehr als zwei Sätze zu sprechen hat). Kerst und Peine liefern eine solide Arbeit ab, Friedrich Georg Beckhaus gibt wieder einmal den einfachen Burschen und die Schauplätze zeigen die ganze Tristesse des Lebens zwischen Werkstatt und kaum wohnlicheren Schlafstätten.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

03.07.2011 14:12
#115 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Bankraub in Köln"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 2. Folge am 23. April 1958)

mit: Helmut Peine, Achim Strietzel, Jutta Zech, Fritz Albrecht, Hans Bosenius, Wilhelm Fricke, Wilhelm Grothe, Günther Hüttmann, Dieter Pusch, Joachim Rake u.a. sowie die vier "kleinen Detektive" Günther, Heinz, Peter und Eugen | Regie: Jürgen Roland


Zitat von Jürgen Roland: Das Fernsehen: Dein Freund und Helfer. In: Deutsche Polizei 1959, S. 50
Das gedruckte Wort in der Zeitung oder die gesprochene Meldung im Rundfunk waren die bisherigen öffentlichen Fahndungsträger neben den polizeieigenen Möglichkeiten des Plakates und des Handzettels. Jetzt konnten wir Bild und Ton koppeln. Jetzt waren wir nicht mehr dem Zufall ausgeliefert, dass Tante Alma bei der Lektüre ihrer Abendzeitung spätestens beim Studium der Gemüsepreise einnicken würde und das Bild des flüchtigen Brillantenräubers zwei Tage später höchstens noch ein Teil des Einwickelpapiers eben jenes Gemüses werden würde.


Durch die Sendereihe "Stahlnetz" gelang es, das Publikum in unterhaltsamer Weise mit wahren Kriminalfällen bekannt zu machen. Zu Beginn der sehr knapp und präzise inszenierten Episode "Bankraub in Köln" sehen wir deshalb den richtigen Kriminalrat, der damals mit dem Fall betraut war und die Auszeichnung der vier Jungs, die der Polizei wichtige Hinweise geben konnten. Immer wieder wird betont, wie bedeutend die Mitarbeit der Bevölkerung für den Erfolg der Polizeiarbeit ist. Die durchschnittliche Arbeitszeit liegt in den Fünfziger Jahren zwar bei 45,4 Wochenstunden, doch der Kriminalkommissar in der vorliegenden Folge ackert ohne Ruhetag durch und erscheint auch am Sonntag im Büro, wo bereits ein Zeuge auf ihn wartet. Die Omnipräsenz der Beamten steht für die Genauigkeit, den akribischen Eifer und die Hartnäckigkeit, mit der man seinem Beruf nachging. Gerade in den ersten Fällen der Reihe "Stahlnetz" wird dies durch Nennung genauer Ortsangaben und Uhrzeiten, sowie des Datums, das in Form eines Kalenders zentral ins Bild gerückt wird, betont. So erfahren wir bereits in den ersten Minuten, dass die beiden Räuber die Zweigstelle der Sparkasse in der Schlachthofstraße am 13. Januar 1958 um 14.45 Uhr um 52.200 DM erleichtert haben und der Überfall nur drei Minuten gedauert hat.
Helmuth Peine ist das einzige prominente Gesicht in dieser Geschichte. Wir erfahren wenig über ihn, nur, dass auch er mit seinem Geld haushalten muss und Prassen ("700 Mark in einer Nacht?"), sowie Drückebergertum ("Den Krieg haben Sie wohl im Gefängnis verbracht?") entschieden ablehnt. Die Überführung des zweiten Täters erfolgt nach Auswertung aller Untersuchungsergebnisse in der nüchternen Umgebung des Büros, wobei die Scham und Reue des Mannes eine Komponente darstellen, die im Dickicht der "coolen" und ausgebufften Verbrecher sehr selten zu finden ist.

Fazit: Ein schlichtes Frühwerk, das in seiner Kürze besticht und einen Fall präsentiert, der durch Lokalkolorit und Realismus zu überzeugen vermag.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

09.04.2012 20:21
#116 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Nacht zum Ostersonntag"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 20. Folge am 8. Dezember 1965)

mit: Jürgen Draeger, Edith Mill, Herbert Tiede, Gerhard Hartig, Ossi Kolmann, Günter Stoll, Harry Wüstenhagen, Kerstin de Ahna, Jochen Rathmann, Otto Bolesch u.a. | Regie: Jürgen Roland



Der Raubmord an einem Taxifahrer beschäftigt das 1. Kommissariat der Lübecker Kriminalpolizei. Der Mann wurde offenbar hinterrücks von einem Fahrgast erschossen, der nach der Tat türmte, dabei aber von einer Augenzeugin gesehen wurde. Die Beschreibung des jungen Mannes passt auf mehrere vorbestrafte alte Bekannte der Polizei, weshalb in verschiedene Richtungen ermittelt werden muss. Aus Travemünde trifft ein Hinweis auf Martin Postier, den Sohn eines wohlhabenden Fabrikanten ein, der eine Haftstrafe antreten sollte, kurz davor jedoch nach Frankreich geflüchtet ist.
Martin Postier wird vom 25-jährigen Jürgen Draeger gespielt, der sich damals bereits parallel zu seiner Film- und Fernsehkarriere als Kunstmaler betätigte. Er ist in seiner direkten Art das Gegenstück zum biederen Herbert Tiede, der zwar hartnäckig versucht, den jungen Mann zu einem Geständnis zu bringen, seine selbstbewusste Unerschütterlichkeit zunächst jedoch nicht knacken kann. Draeger, der in Auftreten und Gehabe an die Rebellen des amerikanischen Kinos erinnert, wechselt von gelassener Überheblichkeit zu vorlautem Trotz, wobei er in seiner Physiognomie an Norman Bates ("Psycho") erinnert, der von Anthony Perkins 1960 mit ähnlichem Charme verkörpert wurde. Persönlich halte ich Draeger immer noch für die perfekte Besetzung einer deutschen Alternativverfilmung.

Im Vordergrund stehen zunächst die Ermittlungen der Polizei, die auf den Schultern von gewöhnlichen Beamten ruhen, die durch mehr oder weniger gleichmütigen Einsatz ans Ziel gelangen möchten. Je nach Temperament gehen sie an ihre Arbeit. Koordiniert werden ihre Wege, die sie in alle Himmelsrichtungen führen, von Herbert Tiede, der nicht nur das Büro leitet, sondern durch eigene Nachforschungen, bei denen er sich auch der Ratschläge eines befreundeten Zeitungsreporters bedient, mit gutem Beispiel vorangeht. Vielen Spuren muss nachgegangen werden; die Hansestadt Lübeck wirkt hier ebenso weitläufig wie das benachbarte Travemünde. Der Lübecker Dom mit seinen beiden 115 Meter hohen Türmen, die Verabredung zum Fischen in der Trave, die Travemünder Allee und die schnellen Rennboote - all diese Elemente machen Lust auf mehr. Edith Mill, die mit aparter Eleganz in Travemünde Minigolf spielt, wird so stimmig eingesetzt wie die anderen beiden weiblichen Figuren. Kerstin de Ahna als ehemalige Freundin des Luftikus' Portier ist ebenso schonungslos offen wie die eifrige Gerda Maria Jürgens, die immer dann zum Zug kommt, wenn eine geschwätzige Zeugin oder eine scharfzüngige Denunziantin gebraucht werden. Als Opfer in "Die Tote im Hafenbecken" hat sie mir deshalb weniger gut gefallen. Ihre Stärke liegt in den kleinen Nebenrollen, die sie stets mit Verve ausfüllt. Auffallend sind die vielen Anspielungen auf die Zeit des Dritten Reichs, beziehungsweise der Jargon, den die Beamten der Kriminalpolizei benutzen. Pleiken spricht vom Vaterland, der österreichische Ermittler Boysen erklärt, dass "die größten Nazis aus Österreich kommen", der Taxiunternehmer erwähnt Auschwitz und als die Tatwaffe mit Verspätung aus Frankreich kommt, wird vermutet, dass es Leute gibt, die "prinzipiell keine Waffen nach Deutschland schicken". Zudem wird immer wieder die Todesstrafe für den Täter gefordert. Vermutlich wollten Menge und Roland auf die in der Lübecker Bevölkerung bereits in den frühen Dreißiger Jahren vorhandene Sympathie für das Naziregime anspielen; immerhin nutzte die NSDAP im Jahr 1932 erfolgreich den Umstand, dass die Lübecker besonders hart von der Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 getroffen worden waren und sich von dem Mann aus Braunau am Inn eine grundlegende Besserung ihrer Situation erhofften .
In jedem Fall handelt es sich bei "Nacht zum Ostersonntag" um eine vielschichtige Episode, die bei der Erstsichtung noch langatmig wirkt, sich dann jedoch zunehmend entfaltet. Oder, wie das Fernsehmagazin "GONG" schreibt:

Zitat von Programmteil der Fernsehzeitschrift GONG
Auch nach über 40 Jahren unterhält die anschaulich inszenierte Polizeiarbeit bestens [...]. Sehenswerter 60er-Charme.

Lord Peter Offline




Beiträge: 621

10.04.2012 10:33
#117 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Würde man mich nach meiner Lieblings-Folge fragen, wäre das auch "Das Haus an der Stör". Ein an sich unspektakulärer Mordfall (Verbrechen aus Leidenschaft) wird spannend aufbereitet, die Nachkriegszeit derart schlüssig nachempfunden und das Ganze mit einer Top-Besetzung bis in die kleinsten Nebenrollen garniert, daß keine Wünsche offenbleiben.

Umso verwunderlicher, daß diese Folge (wie die meisten) sehr selten ausgestrahlt wird, oft sind es ja nur die üblichen Verdächtigen ("Strandkorb 421", "Nacht zum Ostersonntag" & "Der fünfte Mann"), die von NDR oder RBB en bloc rauf- und runtergespielt werden. Warum eigentlich? Will man den Umsatz der DVD-Boxen steigern?

athurmilton Offline



Beiträge: 1.083

10.04.2012 12:33
#118 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Interessant, dass du sagst, das "Das Haus an der Stör" würde so selten im TV laufen, der rbb hat die Folge vor 3 Tagen nochmal ausgestrahlt, mir scheint, ich sehe sie (gemessen daran, dass es so viele Stahlnetz-Folgen gibt) relativ häufig.

Von 4 Stahlnetz-Episoden gibt es übrigens auch Hörspiele: https://www.ndrshop.de/hoerbuecher/2311

Georg Online




Beiträge: 3.263

10.04.2012 15:24
#119 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Ja, "Haus an der Stör" ist sicherlich eine der besten und repräsentativsten Stahlnetz-Folgen. Subjektiv habe ich jedoch den Eindruck, dass diese Folge (auch wegen ihrer "praktischen" Länge von ca. 90 Minuten) relativ häufig wiederholt wurde.

Lord Peter Offline




Beiträge: 621

10.04.2012 16:40
#120 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Ich hab ja auch nicht gesagt, daß er nie läuft, und er ist sicher öfter im TV als die frühen 35minütigen Folgen. Aber rein subjektiv habe ich das Empfinden, daß "Strandkorb 421" und "Der fünfte Mann" mit Abstand am häufigsten laufen, dicht gefolgt von "Nacht zum Ostersonntag". Bei "Stör" fallen mir spontan nur 3 Ausstrahlungen in den letzten 10 Jahren ein, beim ersten Mal hab ich ihn nur gesehen, beim zweiten Mal auf VHS aufgezeichnet und letzten Samstag dann mit dem Festplattenrecorder mitgeschnitten. (ORF-Ausstrahlungen zählen nicht, das kann ich nicht empfangen! )

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