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Dieses Thema hat 187 Antworten
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 Film- und Fernsehklassiker national
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Dr. Staletti Offline




Beiträge: 51

18.04.2008 05:58
#91 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Yeap, danke ... bin wieder auf dem Wege der Besserung! Fahrzeug leider nicht, der bekam gestern Nachmittag den versicherungstechnischen Gnadenschuss!
Aber die Schuldfrage des Unfallgegeners wurde mittlerweile auch geklårt und somit steht einer Auszahlung nix mehr im Wege!

Gruss

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

07.12.2008 14:40
#92 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Sechs unter Verdacht"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 6. Folge am 29. Dezember 1958)

mit: Josef Sieber, Rainer Penkert, Ingrid Mirbach, Elfie Szillat, Eva Sommer, Kurt Fischer-Fehling, Friedrich Schütter, Hans Peter Scholz, Wolf von Gersum, Jochen Sostmann u.a. | Regie: Jürgen Roland



Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit ist es mir ein Anliegen, an diese zumeist unterschätzte "Stahlnetz"-Episode zu erinnern. Sie passt hervorragend in diese hektischen Tage, da sie relativ kurz ist (knapp eine Stunde Spielzeit) und kein falsches Pathos verbreitet, sondern den Weihnachtsglanz kritisch hinterfragt.
Die Kamera zeigt dem Zuschauer die belebten Einkaufsstraßen mit den tausend Glühbirnen, Girlanden und reich geschmückten Auslagen der Geschäfte, in denen sich Menschen tummeln, die das Glück kaufen möchten. Doch nicht in allen Herzen wird es warm, nicht überall schweigen Kummer und Harm. Das Leben geht weiter, auch wenn der Dezember vortäuscht, alle Sorgen und Probleme wären für kurze Zeit vergessen. Im Alltag, den die Hamburger Kriminalpolizei so eindrucksvoll aufzeigt, geht das Tagesgeschäft weiter. Kommissar Wissmann und sein Assistent Schreivogel ermitteln im Fall einer Urkundenfälschung. Ein/e Angestellte/r einer Kleinbank hat die Unterschrift eines Kunden auf einem Scheckformular gefälscht und ist somit auf die schiefe Bahn geraten. Ihn oder sie gilt es zu enttarnen, um die anderen fünf Mitarbeiter von einem erdrückenden Verdacht reinzuwaschen.

Die Verdächtigen werden uns nacheinander vorgestellt. Unauffällige Angestellte, die alle ihre kleinen Geheimnisse und großen Sorgen mit sich herumtragen. Ohne sich lange mit Rührseligkeiten aufzuhalten, zeigt die Episode kurz und präzise, welche Gründe die einzelnen Personen gehabt haben könnten, das Geld zu unterschlagen. Der Kommissar und sein Mitarbeiter haben es nicht mit Schusswechseln und gefährlichen Verfolgungsjagden zu tun, sondern ermitteln innerhalb der ihnen zur Verfügung stehenden Grenzen (Personenkarteien, Auskünfte von Kollegen aus anderen Dienststellen, Beschattungen, Verhöre und Telefonate). Die realistische Darstellung der "Stahlnetz"-Folge hängt u.a. von den begleitenden Kommentaren aus dem Off und dem überzeugenden Ensemble ab, das aus begabten, natürlichen Darstellern besteht.
Vor allem die Wahl der beiden Polizeibeamten demonstriert, dass es keine klingenden Namen (Lange, Engelmann, Saebisch oder Platte) braucht, um einen guten Kriminalfall zu rekonstruieren. Rainer Penkert und Josef Sieber agieren ganz selbstverständlich und sehr menschlich.
Hervorzuheben sei auch die private Welt des Kommissars, der alleinerziehend für einen pfiffigen Pflegesohn (Manfred Kunst) verantwortlich ist. Diese Momente sorgen für erfrischenden Humor und geben der Folge einen weiteren lebendigen Anstrich. Ganz unspektakulär endet die Episode mit der Entlarvung des Täters, der glaubhafte Motive für seine Tat ins Feld führt und vom Kommissar mit in die Geisterbahn genommen wird ("Vielleicht gruselt es uns doch ein wenig.")

Abgerundet wird "Sechs unter Verdacht" durch das Erklingen der typischen "Stahlnetz"-Melodie, die diesmal von einer Jahrmarktorgel gespielt wird.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

06.01.2009 18:07
#93 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Saison"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 13. Folge am 24. April 1961)

mit: Grit Böttcher, Hans Hessling, Richard Lauffen, Dieter Eppler, Klaus Kindler, Tilly Lauenstein, Werner Buttler, Thomas Braut, Marina Ried, Vasa Hochmann u.a. | Regie: Jürgen Roland



Die Geschichte spielt in einem kleinen Kurort im Harz. Polizeimeister Henry Wohlers (gespielt von Hans Hessling) ist in seiner Funktion als Exekutive der Kleinstadt für die Sicherheit und Ordnung zuständig. Als mitten in der Wintersportsaison ein Mord geschieht, ruft er erst einmal vorschriftsgemäß den Staatsanwalt in Goslar (gespielt von Richard Lauffen) und den Kriminalkommissar in Braunschweig (gespielt von Dieter Eppler) an. Bei dem Opfer handelt es sich um eine 25jährige Frau, die ein Zimmer in der Familienpension Schinzel belegt hatte. Die Untersuchung des Falles gestaltet sich akribisch; nach der Spurensicherung wird der Schwerpunkt auf die Zeugenbefragungen gelegt, was manchen Kritiker vielleicht langweilt ...

Zitat von Programmteil der Fernsehzeitschrift GONG
Kriminalistisches Kammerspiel mit endlosen Verhören


..., meines Erachtens jedoch den Reiz der "Stahlnetz"-Reihe ausmacht. Das Porträt der Familie Schinzel wird sehr präzise gezeichnet und der privaten Situation des Polizeimeisters gegenübergestellt. Bei Schinzels arbeitet nur Klara, die Besitzerin der Pension; ihr Sohn Herbert und Schwiegertochter Gisela leben auf ihre Kosten. In der Familie Wohlers teilt man sich die Hausarbeit und bespricht berufliche und private Dinge. Im Mordhaus gibt es dagegen kleine abgeschottete Wohneinheiten und Neid, Eifersucht und Missgunst zwischen den Bewohnern.
Im Zentrum der Ermittlungen steht Gisela Schinzel (gespielt von Grit Böttcher), die an der Seite ihres arbeitsscheuen Ehemanns (gespielt von Klaus Kindler) in den Tag hineinlebt. Wenigstens bereitet sie sich auf ihre Hauptrolle in einer Theateraufführung von "Die heilige Johanna" vor, während Herbert von Tisch zu Bett wechselt und auf die Wohltätigkeit seiner Mutter hofft.

Der Fall ist sehr interessant, da er zunächst unspektakulär erscheint, jedoch viele psychologische Kombinationen zuläßt. Auch die Indizien (Zettel bei der Leiche; kaputte Fensterscheibe im Mordzimmer; Miete, die vom Opfer einen Monat vorausbezahlt wird) regen den Zuseher zum Nachdenken an. Die verschneite Atmosphäre der Kleinstadt, die glaubwürdige Umsetzung des Falles und die netten kleinen Einfälle (Kriminalsekretär, der in seinem Handbuch nachschlägt; Kommissar, der bei einer Zeugin mit Genuss Kuchen isst; Höhepunkt der Theateraufführung fällt mit der Verhaftung zusammen) machen diese Folge wieder zu einem kleinen Juwel. Besonders die ruhige Art von Richard Lauffen (ein Mann, der auf den zweiten Blick gewinnt) und das überzeugende Spiel der jungen Grit Böttcher vermitteln den semidokumentarischen Charakter, der von Roland und Menge beabsichtigt war.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

06.01.2009 18:12
#94 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Wunderbare Zusammenfassung eines wunderbaren TV-Films. Für mich nachhaltig der beste Teil der "Stahlnetz"-Reihe: Die Enge im Hause Schinzel, die zwischen den einfachen Menschen zu Reibungen und Spannungen führt, die dörfliche Stimmung, die durch die Ermittler aus der Stadt aufgebrochen wird, und das erstklassige (!) Spiel aller Hauptakteure machen "Saison" zu einer, wie du auch schon anmerktest, leider unterschätzten Folge, weil sie ihre Bedeutung nicht beim ersten Sehen offenbart.

tenpin302 Offline




Beiträge: 46

12.01.2009 17:37
#95 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Heute abend (12.01.09) um 21:00 Uhr in der ARD (Wenn Frauen morden) kommt der Original-Mordfall aus dem Stahlnetz-Krimi "Das Haus an der Stör". Bitte vormerken!

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

13.01.2009 19:06
#96 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

Leider zum Sehen keine Zeit mehr gehabt. Hier aber eine Rezension aus der Sächsischen Zeitung:

Hart und sachlich
Wenn Frauen morden, ARD
Ein Soldat kehrt heim. Die Frau Ruth Blaue hat einen anderen. Ihr Ehemann verweigert die Scheidung. Da bringt das Paar ihn um. Ihre Tat bleibt unentdeckt. Erst der akribischen Arbeit eines Kriminalkommissars ist es zu verdanken, dass die beiden Täter Jahre später überführt werden, wobei bis heute offen geblieben ist, wer Anstifter und wer der eigentliche Totschläger war: Der Liebhaber beging Selbstmord, die Frau schob alle Schuld auf ihn. Diese Tat geschah im Deutschland der ersten Nachkriegszeit, ging als "Fall Blaue" in die Kriminalgeschichte ein und wurde zweimal fürs Fernsehen verfilmt: in den 60er-Jahren im Film "Das Haus an der Stör" und nun zum Auftakt des neuen Doku-Dreiteilers "Wenn Frauen morden". "Madonna oder Mörderin" hieß der gelungene Film. Die Rekonstruktion des Falles war spannend, sachkundig erläutert wurden die historischen Hintergründe. Psychologen, Juristen, Journalisten und auch Nachbarn sprachen über den Charakter der Täterin und die Motive des Verbrechens.
(E. Bering)

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

24.05.2009 12:42
#97 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Strandkorb 421"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 19. Folge am 24. November 1964)

mit: Hellmut Lange, Cora Roberts, Helmut Schneider, Kurt Jaggberg, Kurt Klopsch, Hans-Jürgen Janza, Peter Herzog, Gerhard Frickhöffer, Friedrich Schütter, Erich Uhland u.a. | Regie: Jürgen Roland



Passend zu den warmen Temperaturen habe ich mir gerade wieder einmal eine "Stahlnetz"-Episode angesehen, die zu den besten innerhalb der Reihe zählt: "Strandkorb 421". Das glänzend aufgelegte Ensemble agiert den Vorgaben nach entweder beherrscht, charmant-zuvorkommend oder kaltschnäuzig. Durch die Balance zwischen Ermittlungsarbeit und Schilderung der einzelnen Schritte des Hoteldiebespaares legt die Folge ein angenehmes Tempo hin, bei dem es nie langweilig wird.
Durch die charakteristische Gratwanderung zwischen Dokumentarspiel und Unterhaltung erhält der Zuseher Einblick in ein typisches Saisonsverbrechen, das dort lauert, wo viele Menschen Urlaub machen und die Banalität des Bösen eigentlich hinter sich lassen wollten. Dadurch, dass die Episode mit der Schilderung des ersten Hoteldiebstahls beginnt und mit den Erläuterungen des Kriminalkommissars Gruhl fortfährt, erhält man alle benötigten Informationen, die lehrreich und auflockernd zugleich sind. Die Kamera verweilt nicht lange an einem Schauplatz, sondern bietet ein abwechslungsreiches Panorama der Insel Norderney, auf der die vorbereitende Arbeit bei Tag gemacht wird, damit das eigentliche Tagewerk der Ganoven bei Nacht stattfinden kann. Helmuth Schneider und Cora Roberts ziehen alle Register ihres Könnens, wobei Schneider der dominante Part des Organisators und Diebs zufällt, während Roberts den Lockvogel für die potenziellen Opfer spielt. Die eigentliche Hauptfigur ist jedoch Gustav Streuner, der sich später als Kriminaloberkommissar Berndorff entpuppt. Hellmut Lange spielt ihn mit sprühendem Witz, Eleganz und Scharfsinn. Es ist ein Vergnügen, ihm zuzusehen und seine Aussagen sorgen für manches Schmunzeln. Während sich das Netz um das Diebespaar immer enger zuzieht, tappen parallel seine Kollegen noch im Dunkeln. Der Kriminalrat Feilberg und sein Kollege Gruhl debattieren in dessen Büro im obersten Stock des Polizeisitzes, während die einfachen Beamten im Sand nach der Patronenhülse suchen oder das Hotelpersonal befragen. Der Blick hinter die Kulissen des Hotelbetriebs und die Überlegungen der Kurverwaltung, wie der Mord vor den Gästen überzeugend vertuscht werden kann, tragen zusätzlich zur Realitätsvermittlung dieser "Stahlnetz"-Folge bei.

Der Zuschauer hat in dieser Episode nicht nur Gelegenheit, die umfangreiche Ermittlungsarbeit der Polizei zu beobachten, sondern darf sogar mit dem Gaunerpaar Bischoff / von Bonin mitfiebern, als nach dem Unfall im Hotelzimmer kein Weg zur Flucht möglich ist und der Schein weiterhin gewahrt werden muss.
Es sind vor allem die darstellerischen Leistungen, die "Strandkorb 421" hervorheben: Kurt Jaggberg mit seiner beruhigenden, sympathischen Art; Hellmut Lange als selbstsicherer, dynamischer Schnüffler; Helmuth Schneider als sich überschätzender Planer; Cora Roberts, die zwischen Unsicherheit und Gefälligkeit pendelt und vor allem die "unbekannten", aber typischen Darsteller der Reihe (Peter Herzog, Kurt Klopsch, Friedrich Schütter).

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

31.05.2009 13:53
#98 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Die Zeugin im grünen Rock"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 10. Folge am 6. April 1960)

mit: Richard Lauffen, Ruth Hausmeister, Wolfgang Völz, Herbert Tiede, Josef Sieber, Walter Clémens, Maya Maisch, Vasa Hochmann, Reinhold Nietschmann, Benno Gellenbeck u.a. | Regie: Jürgen Roland



Die Folge beginnt bei einem vergnügten Zusammensein in einem öffentlichen Lokal (ähnlich wie bei "Saison"). Es ist die Silvesternacht, in der auch die Angestellten der Kriminalpolizei den Alltag vergessen und -je nach Einkommen- bei Feiern in eleganter oder rustikaler Umgebung anzutreffen sind. So sehen wir in einer Parallelmontage, wie eine unscheinbare Frau mittleren Alters zur Polizeistation radelt, während rings um sie auf den Straßen geböllert und in den Häusern gefeiert wird. Sie meldet einen Mord und sofort setzt sich der Polizeiapparat in Bewegung. Alle verfügbaren Kräfte werden mobilisiert und die einzelnen Beamten aus ihrem privaten Umfeld geholt. Nach und nach treffen alle am Tatort ein, der im frappierenden Kontrast zu den eben noch gezeigten hell erleuchteten Festsälen steht. Licht und Schatten, Leben und Tod liegen nah beieinander und die Armut in Teilen der Bevölkerung bzw. die Schlichtheit der vorhandenen Möglichkeiten (so hat z.B. die örtliche Polizeistation kein Telefon) werden wie so oft innerhalb dieser Reihe eindrucksvoll hervorgehoben, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben.
Eine Reihe vertrauter Gesichter (der ernsthafte Josef Sieber, der joviale Wolfgang Völz) führt den Zuseher durch den Mordfall Walter Burlitz. Immer wieder wird betont, dass alle Fälle für die Polizei gleich bedeutend sind und so kehren die Ermittler immer wieder in die Büros und Konferenzräume zurück, um Informationen auszutauschen, Spuren auszuwerten und Erkenntnisse zu vergleichen.
In mühsamer Kleinarbeit wird jedem Hinweis nachgegangen. Obwohl die Episode mit 55 Minuten recht kurz ist, gelingt es Wolfgang Menge und Jürgen Roland ein umfassendes Bild der verurteilten Mörderin Frau Kurz zu zeichnen, die zwischen Resignation, Trotz und Verzweiflung schwankt. Ruth Hausmeister erweist sich hier als vortreffliche Darstellerin, die das Porträt der Verdächtigen realistisch wiedergibt. Als ihr wichtigstes Gegenüber während der Vernehmungen sehen wir den Theatermimen Richard Lauffen, der einen korrekten und doch nicht unfehlbaren Kriminalbeamten zeigt, der immer wieder Rücksprache mit Herbert Tiede, seinem Chef, hält, der in einer trefflichen Abendessenszene mit seiner Familie ("Das Kleid ist aus dem Ausverkauf!" - "Ach, aber derzeit ist doch gar kein ...") dem Kollegen mit Rat zur Seite steht.
Der Kriminalfall scheint auf den ersten Blick simpel und das Mordmotiv ist es auch, doch die Charakterstudien, die sich dem Publikum erschließen, machen diese Folge zu einem Abbild des Kleinbürgertums.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

31.05.2009 14:40
#99 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

"Die Zeugin im grünen Rock" gehört in der Tat zu den Episoden, die von ihrem Flair der "einfachen Umstände" leben, von Mittel- und Perspektivlosigkeit mitten in der Wirtschaftswunderzeit. Prädestiniert dafür ist Ruth Hausmeister auf jeden Fall, die wunderbar in diese Umgebung der Schlichtheit hineinpasst, gleichsam aber auch in ganz anderer Rollenausrichtung in der Folge "... in jeder Stadt" überzeugte. Mit Richard Lauffen ist ja auch einer meiner anerkannten Lieblingskommissare im Einsatz, der mit Percy Listers Worten "korrekt und doch nicht unfehlbar" ideal beschrieben ist als ein typischer Gentleman der frühen 1960er Jahre, der neben seiner Linientreue dennoch Menschliches an sich hat, der, trotzdem er weltläufig herausgeputzt ist, einen vertrauten Punkt bildet. Kaum ein Darsteller kommt an die Vereinigung dieser zwei Kontraste so glaubhaft heran, auch nicht All-Time-Favourite Heinz Engelmann, der ja eher einer der "Geradeheraus-Sorte" war, ohne ihm damit etwas absprechen zu wollen.

Besonders reizvoll fand ich in "Die Zeugin im grünen Rock" auch die nostalgisch wertvolle Straßenbahnfahrt, die mich immer wieder begeistert. Solche Szenen sind es, die "Stahlnetz" seinen Charme geben, einen Charme des himmlisch-nostalgischen 1950er- und 1960er-Jahre-Deutschlands, das trotz teilweiser Kargheit dennoch immer heimelig und "zurücksehnenswert" erscheint. Dabei dürfte es in einer TV-Produktion von 1960 übrigens gar nicht so einfach gewesen sein, die Straßenbahnsequenz aufzunehmen, denn ich kann mir vorstellen, dass es schwer war, die großen und umständlichen Kameras und Aufnahmetechnik-Zubehöre in einem solchen Fahrzeug unterzubringen und mit Energie zu versorgen.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

25.10.2009 12:28
#100 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Die blaue Mütze"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 3. Folge am 16. Juni 1958)

mit: Paul Edwin Roth, Wolfgang Condrus, Karin Stoltenfeld, Jella Köppen, Karin Volkert, Willy Witte, Adalbert Kriwat, Kurt Klopsch, Werner Schuhmacher, Willy Wiesgen u.a. | Regie: Jürgen Roland



Die Geschichte eines einfachen Beamten der Kriminalpolizei wird hier erzählt, ein Beamter, der nicht weiter auffällt, dessen Fälle nie auf der Titelseite einer Tageszeitung stehen. Gerade deshalb wird diese Folge gerne vergessen und zählt allgemein nicht zu dem Kreis der prominent besetzten "Stahlnetz"-Folgen wie "Das Haus an der Stör" oder "Verbrannte Spuren". Dennoch lohnt es sich, diese 45 Minuten kurze Episode genauer unter die Lupe zu nehmen, kann man ihr doch auch nach über fünfzig Jahren noch wichtige Aussagen über die Tätigkeit der Ermittler und das damalige soziale Umfeld der Täter abgewinnen. Bezeichnenderweise sehen wir in der Hauptrolle weder den kraftvollen Heinz Engelmann, noch den tüchtigen Herbert Tiede; wir begleiten weder den distinguierten Richard Lauffen, noch den charismatischen Hellmut Lange.
Nein, diesmal steht ein Kriminalsekretär im Mittelpunkt, der vom unauffälligen Paul Edwin Roth mit Ernst und Realitätssinn gespielt wird.
Trotz eines jährlichen Wirtschaftswachstums von durchschnittlich acht Prozent, boten die Fünfziger Jahre naturgemäß nicht für alle den schnellen Reichtum, besonders, wenn es sich um arbeitsscheue Randgruppen handelte, die keiner 48-Stunden-Woche nachgingen. "Die Halbstarken" wurden von der älteren Generation gefürchtet, in diesem Fall vom Seifenhändler Fischer, der von zwei Burschen überfallen wird. Wie unspektakulär und mühsam die Kleinarbeit der Polizei sein kann, wird immer wieder innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe erläutert. Wie einfach und heruntergekommen manche Behausungen, wie schnörkellos und authentisch die Stadtviertel damals waren, zeigt sich besonders in den schönen Berlin-Aufnahmen, die diese Folge so interessant machen. Nach der Entlarvung der Täter, die für den Zuschauer nicht überraschend kommt, da er die beiden schon zu Beginn bei der Ausübung der Tat gesehen hat, widmet sich Kriminalsekretär Wetzlar wieder seinem Tagesgeschäft, das aus Fällen von Kleindiebstählen besteht. Wie wichtig seine Arbeit trotzdem ist, beweist eine Szene, in der er sich mit dem Arbeitgeber des Täters Nummer 2 unterhält. Auch die kleinen Fische müssen ins Netz gehen, um zu verhindern, dass aus ihnen eines Tages große, gefährliche Raubtiere werden.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

01.11.2009 13:30
#101 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "E 605"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 12. Folge am 3. und 4. Oktober 1960)

mit: Heinz Engelmann, Wolfgang Völz, Dieter Eppler, Helmuth Schneider, René Magron, Peter Striebeck, Raymond Joob, Ludwig Meybert, Werner Reinisch, Dinah Hinz u.a. | Regie: Jürgen Roland



Wenn es im Herbst wieder früh dunkel wird und die Temperaturen fallen, so findet man zurück zu den Klassikern deutscher Kriminalunterhaltung. Es verwundert deshalb nicht, dass die Serie "Stahlnetz" hier einen besonders hohen Stellenwert genießt.

Zitat von Der deutsche Fernsehkrimi, S. 115, J.-B.-Metzler-Verlag
Die Zuschauer wurden in den Ermittlungsprozess, der schließlich zur Verhaftung der Kriminellen führte, einbezogen. Sie wurden über jeden Schritt genauestens unterrichtet und konnten miterleben, wie das "Stahlnetz" immer enger um den oder die Verbrecher gezogen wurde.


In der vorliegenden 12. Episode der Serie sehen wir zuerst die Täter, die akribisch planen und überlegen, wie die Tat ausgeführt werden kann. Man sieht ihr Lebensumfeld und die Arbeitswelt der künftigen Opfer. Erst nachdem der Überfall geschehen ist, hört man die Stimme des Hauptermittlers aus dem Off. Er stellt sich und seine Abteilung vor und erläutert, welche Schritte unternommen werden, um die Täter zu fassen. So pendelt die Geschichte immer wieder zwischen den Räubern und Kommissar Opitz, dem Leiter des Raub-Dezernats, hin und her. Der besondere Reiz liegt darin, dass es nicht, wie anfangs vermutet, nur darum geht, die Identität der Täter aufzudecken, sondern, dass der Fall mit der Ermordung eines der beiden Haupttäter eine andere Wendung nimmt. Es gereicht der Folge deshalb zum Vorteil, dass man den komplexen Fall (wie später bei "Spur 211") in zwei Hälften unterteilt hat. Der überraschende Mord an Elling, mit dem man so unvermittelt nicht gerechnet hat, wird fast beiläufig eingeleitet. Eben noch scherzte man ("Lass Dich einbuddeln!"), in der nächsten Szene wird bereits das Loch zugeschaufelt, in das die Leiche versenkt wurde. Dadurch, dass der Mord nicht gezeigt wird, verhindern Roland und Menge, dass sich das Publikum bereits in dieser Phase von den Tätern abwendet. Durch das Einführen einer weiteren Person, die an der Durchführung der Tat indirekt beteiligt war, wird der "Schwarze Peter" an den Mann weitergereicht, der die Polizei und seine Komplizen ab sofort durch die ganze Stadt narren wird, was besonders dem Kriminalobersekretär einige bemerkenswerte Auftritte (im Kaufhaus, in der Fußgängerzone) bescheren wird. Peter Striebeck verkörpert Eigenschaften, die ihn zum absoluten Unsympathen dieser Episode werden lassen: Faulheit, Feigheit, Opportunismus und Dummheit.
Hier haben es Helmuth Schneider und Dieter Eppler einfacher; der erste fällt zwar durch seine ruppige Art gegenüber seiner Ehefrau unangenehm auf, gewinnt jedoch durch seine ungerechtfertigte Ermordung wieder Pluspunkte; der zweite agiert lässig und zielstrebig wie wir es aus den Edgar-Wallace-Filmen gewohnt sind und verfügt über einen Sympathie-Bonus, der auch seine Bösewichte immer menschlich und verletzlich wirken läßt (siehe: "Die Bande des Schreckens").

Die Episode versorgt das Publikum mit vielen Ermittlungsdetails (Auskünfte über das Anfertigen eines Nummernschildes, Fahndung nach Fahrzeug, Erkundigungen im Krankenhaus), was für den einen oder anderen Zuseher vielleicht als langwierig empfunden wird. Dennoch sind diese Kleinigkeiten wichtig für die Aufklärung und machen "E 605" zu einer Folge, die zwar nicht so leichtfüßig und charmant daherkommt wie andere Episoden der Reihe, bei mehrmaliger Betrachtung jedoch dazugewinnt.
Dafür sorgen u.a. der feine Humor von Wolfgang Völz, der im Zusammenspiel mit Heinz Engelmann zur Höchstform aufläuft; die Ironie der Schnitte bzw. verwendeten Insider-Scherze (Lokal "Glücksrad" / Mordschauplatz, Roman "Der rote Kreis" für 95 Pfennige auf dem Wühltisch, "Eine Insel des Glücks wünsche ich mir so sehr" (Platte, die Eppler nach dem Verbrechen auflegt etc.) und die koordinierte Arbeit der Polizei, die in dynamischer Weise dem Publikum nähergebracht wird.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

02.11.2009 20:14
#102 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Der fünfte Mann"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 21. Folge am 23. August 1966)

mit: Werner Pochath, Hellmut Lange, Friedrich Georg Beckhaus, Kurt Jaggberg, Jürgen Janza, Fred Berthold, Toni Strassmair, Karl Obermayr, Georg Lehn, Wolfgang Kaus u.a. | Regie: Jürgen Roland



Eine der populärsten Folgen der "Stahlnetz"-Reihe ist zweifellos "Der fünfte Mann". Allein durch die Darsteller-Riege ist die Episode sehenswert. Hinzu kommt noch die gut aufgearbeitete Geschichte, die auf dem Fall des Bankräubers Dieter Freese beruht, der Anfang der Sechziger Jahre vierzehn Überfälle auf kleine Sparkassen verübte und seinen ersten Fehler beging, als er mit einer Gruppe arbeitete. In der Hauptrolle brilliert Werner Pochath, dem man ein Ermittlerteam gegenüberstellt, das aus unterschiedlich begabten Kriminalisten besteht, die dem Publikum bereits aus anderen Folgen der Serie bekannt sind. An ihrer Spitze steht Hellmut Lange, der sein Team ohne authoritäre Väterlichkeit, sondern diszipliniert und motivierend führt.

Zitat von Der deutsche Fernsehkrimi, S. 120 f., J.-B.-Metzler-Verlag
Der Chef-Ermittler wurde als unanfechtbar dargestellt: sachlich, kompetent, umsichtig und unermüdlich, nachsichtig gegen die Opfer, unerbittlich gegen die Täter. Das Privatleben des Ermittlers spielte in der Regel keine Rolle, er wurde als reiner Funktionsträger dargestellt.


Die Verhörszenen bergen jede Menge Humorpotenzial und zeichnen den Arbeitsstil der einzelnen Beamten nach, die je nach Charakter entweder forsch (Fred Berthold), gereizt (Friedrich Georg Beckhaus) oder besonnen höflich (Kurt Jaggberg) agieren. Abwechslungsreich gestaltet sich die Jagd nach dem Flüchtenden, die in einer spektakulären Verfolgung inmitten des Bayrischen Waldes gipfelt, die dem Kamerateam und dem Hauptdarsteller einiges an Kraft und Ausdauer abverlangt, führt die Route doch durch den Tiefschnee, an den die beiden Beamten, die von den bayrischen Darstellern Karl Obermayr und Thomas Alder gespielt werden, sicher besser gewöhnt sind. Im Grunde genommen gliedert sich die Handlung in drei Teile: der erste Teil zeigt den Räuber bei seinen Banküberfällen und den Versuchen der Polizei, ein Täterprofil zu erstellen; der zweite Teil bringt die vier Männer ins Spiel, die mit Dieter Hesse eine größere Sparkasse überfallen und im dritten Teil ist Hesse wieder auf sich allein gestellt. So endet die Geschichte dort, wo sie begonnen hat: hinter den Gefängnismauern, die ein stählernes Netz bilden und den Verurteilten lebenslang beherbergen werden.

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

26.09.2010 14:10
#103 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

BEWERTET: "Rehe"
(Erstausstrahlung innerhalb der "Stahlnetz"-Reihe als 18. Folge am 16. Juni 1964)

mit: Sigurd Fitzek, Werner Bruhns, Olaf Eggers, Rainer Eggers, Doris Masjos, Heinz Engelmann, Helmut Oeser, Helmut Kolar, Horst Beck, Ilse Bally u.a. | Regie: Jürgen Roland



Die Folge beruht auf dem Entführungsfall Joachim Göhner, der im April 1958 in Stuttgart-Degerloch in den Wald gelockt und erdrosselt wurde. Der auf den ersten Blick ungewöhnliche Titel weist darauf hin, dass der Täter den Knaben unter dem Vorwand, ihm Rehe zeigen zu wollen, zum Mitgehen überreden konnte.
Der Fall Göhner war nicht nur der erste Fall von Kindesentführung in der Bundesrepublik, es war auch das erste Mal, dass eine Täterstimme über Rundfunk ausgestrahlt wurde und somit die Öffentlichkeit zur Mithilfe aufgerufen wurde.
Die tragende Rolle des Chefermittlers übernimmt erneut das Aushängeschild der "Stahlnetz"-Reihe: Heinz Engelmann. Er steht für Unerschrockenheit, Rechtschaffenheit und Beharrlichkeit. Kein Wunder, dass in seinem Büro die Nacht durchgearbeitet wird. Wie in kaum einer anderen Folge der Serie zeigt "Rehe", wie präzise die Polizei vorgeht, mit wieviel Aufwand jeder Spur, jedem noch so kleinen Detail nachgegangen wird und wieviel Geduld die Beamten bei ihren Recherchen aufbringen müssen.
Das Buch "Der deutsche Fernsehkrimi" bringt es auf Seite 121 auf den Punkt:

Zitat von Der deutsche Fernsehkrimi, S. 121, J.-B.-Metzler-Verlag
Der Polizeiapparat funktioniert so gut, dass kein Verbrechen ungesühnt bleibt, das war die Botschaft, die am Ende jeder Episode stand. In Schlussszenen und Off-Kommentaren wurde diese Botschaft betont, exzessiv in der Folge "Rehe" (1964).


Es ist ein Grabenkampf zwischen Gut und Böse, zwischen dem Entführer und der Polizei. Kommissar Berenthin und sein Team betreuen den Vater des entführten Jungen, überwachen den Kontakt zum Erpresser und versuchen - möglichst dezent, um das Leben des Knaben nicht zu gefährden - dem Verbrecher eine Falle zu stellen. Siegurd Fitzek in der Rolle des Willi Funke handelt so, wie man es als Zuschauer zunächst nicht erwartet hat; er macht Fehler. Er nimmt Kontakt mit dem Vater des falschen Jungen auf; klebt die Buchstaben auf dem Erpresserbrief unzureichend auf, sodass sie abbröckeln; holt das Geld aus Angst nicht ab und versäumt es, Beweismaterial zu vernichten. Die größte Überraschung für das Publikum ist jedoch die Tatsache, dass er den Jungen bereits am ersten Tag ermordet hat. Dies unterstreicht erneut seine Gefährlichkeit, an der man jedoch ohnehin nicht gezweifelt hat. Fitzek spielt den Mann aus der Unterschicht (der echte Entführer Emil Tillmann war Aushilfsgärtner) überzeugend. Verschrobene, ans Einzelkämpfertum gewöhnte Männer gehören zu seinem Standartrepertoire (siehe: Hausmeister Loisl in "Der Winterurlaub" [Die seltsamen Methoden des Franz-Josef Wanninger], Kellner Wagner in "Die Tote im Dornbusch" [Der Kommissar]). Werner Bruhns obliegt die Aufgabe, den alleinerziehenden Vater als geprüften, aber nicht zu wehleidigen Mann zu zeigen, denn er muss sich im Hintergrund halten. Bei allem Mitgefühl und Verständnis wird nie aus den Augen gelassen, dass die zentrale Aufgabe der Episode im "belehrenden und informativen Gestus" der Reihe liegt. "Er entsprach der erklärten Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, ethisch-moralische Orientierung in einer Zeit zu geben, die von großer Verunsicherung geprägt war." ("Der deutsche Fernsehkrimi", Seite 114) Als sich der Täter am Ende in seiner Zelle befindet, findet der Fall seinen Abschluss. Die Reaktion des Opfers auf die Verhaftung des Mörders wird nicht mehr gezeigt. Lediglich die "Stimme des Volkes" ist zu hören und fordet den Tod durch den Strang für jenen Mann, der eines der abscheulichsten Kapitalverbrechen begangen hat: die Tötung eines Kindes aus niedrigen Beweggründen. Der richtige Täter wählte übrigens bereits in der Untersuchungshaft den Freitod.

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

26.11.2010 15:20
#104 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

VERBRANNTE SPUREN

Eine Feldscheune in der kleinen norddeutschen Ortschaft Breetzin steht eines Abends in hellen Flammen. In den Trümmern finden Feuerwehrleute die verkohlte Leiche einer schwangeren Frau. Die Identifizierung der Toten bereitet der aus Rendsburg herbeigerufenen Mordkommission großes Kopfzerbrechen. Während die Ermittlungen im Dorf ergebnislos bleiben, führt eine Spur nach Hamburg …

Die durchwegs fesselnde Folge erzählt vom hässlichen Verbrechen an einer jungen Frau, die man nur durch ein Foto und den Schilderungen der in den Fall verstrickten Menschen kennen lernt. Dabei fügen sich Spannung, atmosphärisches nordisches Lokalkolorit zwischen Stadt und Land und immer wieder auftauchende skurrile Typen (der wichtigtuerische Landedelmann, der vielbeschäftigte Hamburger Ermittler, der belesene Spurensicherer) und sonstige witzige Sprenkel wie selbstverständlich in die Handlung ein, ohne das dass tragische Geschehen aus den Augen verloren oder verwässert bzw. abgeschwächt wird. Die Folge beginnt mit Bildern der brennenden Scheune, die ihr dunkles Geheimnis noch nicht preisgegeben hat und spannt den Bogen bis zur äußerst dramatischen Schlussszene, in der in einer ähnlichen Scheune die wirklichen Ereignisse rekonstruiert werden.

Karl Georg Saebisch begegnet uns als besonnener, etwas abgeklärter Ermittler, der trotz des schwierigen Falles den Humor behält, Eddi Arent variiert seine Edgar-Wallace-Kriminalassistentenrolle auf recht angenehme, glaubwürdige Weise, ohne in Übertreibungen zu verfallen, auch sein Undercover-Ermittlereinsatz als pferdemalender Jüngling mit amourösen Avancen fügt sich da gut ein, Hela Gruel lässt die Verzweiflung einer einfachen bodenständigen Frau, die mit dem Tod ihres Kindes fertig werden muss, fühlbar werden. Klaus Kindler schließlich glänzt mit einer sehr intensiven Darstellung eines Frauenmörders, von dem nicht klar wird, ob Verzweiflung und Reue echt oder gespielt sind, ob er kaltblütiger Täter oder auch Opfer ist.

Jack_the_Ripper Offline




Beiträge: 388

25.12.2010 20:51
#105 RE: Der Stahlnetz-Grandprix Zitat · Antworten

EIN TOTER ZUVIEL

… liegt auf einem Feld im belgisch-deutschen Grenzgebiet. Ein Privatflugzeug mit einem Ehepaar an Bord stürzt ab, bei den Untersuchungen finden Beamte eine weitere, oberflächlich verscharrte Leiche. Die Identifizierung des verstümmelten Toten gestaltet sich schwierig, Spuren führen schließlich in die Kölner Zuchthäusler- und Gangsterszene …

Die Präsentation in der unterschwellig kalten, fast schmierigen Atmosphäre der Umbruchszeit der späten 60erJahre verleiht der eigentlich einfachen, wenn auch hässlich-brutalen Geschichte um Raub, Verrat und Mord in einer Gruppe misstrauischer und gewaltbereiter, im Grunde schlecht organisierter Verbrecher eine fesselnde Faszination. Verstärkt wird dieser düstere Sog noch durch die körnig-unscharfen Bilder, in denen die Folge vorliegt. Außer einem schäbigen Adventskranz weist kaum etwas darauf hin, dass sich das Geschehen wenige Tage vor Weihnachten abspielt – keiner der in diesen Fall verstrickten Protagonisten kümmert sich um das bevorstehende Fest, kann auf eine Art Erlösung hoffen. Etwas aufgesetzt wirkt für mich das krampfhaft krachende Tsching-Bumm Ende mit Maschinengewehrschießerei und durch Glasscheiben brechende und explodierende Autos – hier hätte mir eine einfache Verhaftung auch genügt.

Lob gilt besonders auch den Schauspielern, die durch ihre glaubwürdige und intensive Darstellung viel zur oben beschriebenen interessanten Sogwirkung beitragen. Besonders Henning Schlüter als feister Gebrauchtwagenhändler in finanziellen Schwierigkeiten und Dirk Dautzenberg (damals ebenfalls noch korpulenter) als sein mehr oder weniger williger Vollstrecker mit breitem Kölner Dialekt und Fremdenlegion-Vergangenheit liefern eine beeindruckende Performance. Henning Schlüter, mir eigentlich nur bekannt als wichtigtuerisch-dusseliger Chef von Kommissar Köster bzw. in manchen Seebär-Auftritten, hätte ich gerne öfter in ähnlichen Rollen gesehen. Jürgen Janza als Dritter im Bunde wirkt dumpf und beschränkt, verzweifelt und heimtückisch, sein Erpressungsversuch wird auch sein Verhängnis. In der letzten der Schwarzweiß-Folgen ermittelt noch mal Stahlnetz-Urgestein Heinz Engelmann, gewohnt forsch und zupackend und gerade deshalb einen idealer Gegenpart in dieser Geschichte. Erwähnenswert noch Peggy Parnass als treu in ihr Schicksal ergebene Gangsterfrau und Zeugin und Rudolf Schündler gewohnt unterwürfig-verhuscht als mehrfach in Bedrängnis geratener Bankangestellter.

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