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Dieses Thema hat 38 Antworten
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 Edgar-Wallace-Forum
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Reinhard Offline



Beiträge: 1.373

23.08.2007 03:26
Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

Hallo zusammen,

einigen dürfte inzwischen sicherlich bekannt sein das zu meinen persönlichen cinastischen Steckenpferden neben den Wallace-Filmen oder dem italienischen sowie auch internationalen Genre-Kino auch das klassische Autorenkino und aktuelle Arthouse-Filme gehören. Die Frage, was mich dennoch an diesen vermeintlich "trivialen B-Movies" so sehr reizt, ist bei genauerer Betrachtung nicht leicht zu beantworten.

Daher meine Frage an euch: Sind die Wallace-Filme eurer Meinung nach nur einfache Unterhaltungskost oder bergen diese "Krimimärchen" (Christoph Petzel) auch einige subtilere Botschafen, Gesellschaftskritik, cineastische Reflexionen, Versuche der Bewältigung des deutschen Nachkriegstraumas, satirische Töne, psychologisch komplexe Konstrukte, differenzierte Spiegelungen ihrer Zeit und ähnliches? Können die Edgar Wallace-Filme ihre Zuschauer nicht nur mit ihrem naiven Charme sondern auch mit "intellektuellem" Gehalt in ihren Bann ziehen? Besitzen sie etwa sogar einen pädagogischen Wert?

Meiner Meinung nach teils ja, teils nein. Bei Filmen wie diesen die man unter Umständen schon über zehnmal gesehen hat, beginnt man automatisch, die eigenen Gedanken dazu auszubauen und sie mit anderen Augen zu sehen - denn die Filme verändern sich nicht, die eigene Persönlichkeit und Filmrezeption schon. Als Gegenstück zu den Heimat - und Revuefilmen der 50ziger und 60ziger hatten die Filme sicherlich einen nicht zu unterschätzenden Wert. Während die besagten Heimatfilme eine heile, künstliche Welt voller materieller Sicherheit, Liebe und Heiterkeit zeichneten beschäftigten sich die Wallace-Filme zumindest oberflächlich mit einem anderen Land - Großbritannien - das schließlich schon immer als wohlhabend und unabhängig galt. Gleichzeitig waren sie aber durch ihre Konfliktbereitschaft und das nicht selten überzeichnete Abhandeln sozialer Schwierigkeiten - denn aus jenen entsteht schließlich Kriminalität - ungleich geerdeter und dürften den Zuschauern, die wohl auf "cineastische" Therapierung aus waren, sich von den platten und illusionreichen Heimatfilmen nicht angesprochen fühlten, ehrlicher und wahrhaftiger erschienen sein. Und eine klare Trennung von Gut und Böse, von Wohlstand und Glück ist hier letztlich ja unverkennbar. Denn die Helden der Wallace-Filme sind nur in wenigen Fällen Angehörige der Oberschicht, leben letztendlich auf einem durchschnittlichen Standard und nicht in Saus und Braus - ihrem Alltag gegenüber wirken die rauschenden Hochzeiten und Feste der Heimatfilme beinahe schon absurd.

Als Zeit-Dokumente sind sie nicht minder interessant, meiner Meinung nach insbesondere in Hinsicht auf ihre weiblichen Protagonisten zwischen 1959 und 1968. Wenngleich man sich offenbar nur langsam dazu durchringen konnte, den Zeitgeist zu akzeptieren - die ersten fünf Filme bis zu "Die toten Augen von London" strahlen eine außerordentliche Konservativität aus und lassen, abgesehen von ihrer Ausstattung und der Mode kaum erahnen, aus welche Zeit sie stammen. Ab "Die toten Augen von London" beginnt allerdings jene reflektive Entwicklung, die in Filmen wie "Der Mann mit dem Glasauge", "Das Gesicht im Dunkeln" und "Die Tote aus der Themse" ihren - wohlgemerkt dennoch niedrigen - Höhepunkt fand. Der Zeitgeist und die neuen gesellschaftlichen Regeln wurden so gut als möglich - denn neben der modernen Jugend wollte man schließlich auch die übrigen Gesellschaftsschichten und Generationen ansprechen - eingebunden. Karin Baals Charakter in "Die toten Augen..." weist beiläufig aber bestimmt auf ihre Unabhängigkeit hin, ist - ganz im Gegensatz zu den Frauenfiguren der vorangegangenen Filmen - eine relativ emanzipierte Single. Das sie sich dennoch gerne und unterwürfig von Larry Holt retten und beschützen lässt ist Zugeständnis ans deutsche Publikum und ökonomische Versicherung zugleich. Die kratzbürstige Anne Ryder in "Das Geheimnis der gelben Narzissen" und die selbstbewusste Jane in "Der Fälscher von London" stehen ganz in dieser neuen Linie und geben sich mehr als alle Heldinnen zuvor oft kratzbürstig den männlichen Protagonisten gegenüber und gelegentlich auch unnahbar. In diesem Zuge wird auch das Männerbild der Filme einem Wandel unterzogen: Der Peter Clifton von Helmut Lange ist der erste männliche Hauptcharakter innerhalb der Reihe, der sich freiwillig und nicht nur erzwungenermaßen in die zwischenmenschliche Abhängigkeit begibt, sowohl gegenüber seiner Frau als auch seinem Freund Bourke (Siegfried Lowitz) als auch seinem Arzt (Victor de Kowa) gegenüber). Passend dazu gesellt sich denn auch das Thema einer erzwungenen, unfreiwilligen Zweckheirat, die nicht mehr länger ein geachtetes und normales Phänomen darstellt. Auch arbeiten sowohl Rathonyij in "Das Geheimnis..." als auch Reinl im "Fälscher" ganz bewusst mit moderner Ausstattung und einer Abkehr von populären Erzählmustern. Die Schlussequenz von "Das Geheimnis der gelben Narzissen" überlässt dem Zuschauer die Entscheidung ob - wie naheliegend - Ann ohne weiteres von dem Trauma dieses Erlebnisses loskommen wird oder ob hier tatsächlich "nur" eine glückliche Vereinigung zweier Liebender stattfindet. Denn die Liebe zwischen Ann und Jack Tarling wird nur einmal direkt ausformuliert und selbst nach diesem Moment, diesem Abschied am Bahnhof, handelt Ann noch eigenmächtig. Auch das könnte diese Geste, dieses "Anlehnen an seine starke Schulter" in dieser Schlussequenz sein - ein Ausdruck ihrer seelischen Aufgewühltheit, aus der eine Ratlosigkeit resultiert die sie zunächst zu dieser Handlung antreibt. Und schließlich wird Jack Tarling die eigene Sicherheit immer wieder von den schnellen Erfolgen Ling Chus (Christopher Lee) - eines Chinesen!!! - unterminiert.

Einen Rückfall in den konservativen, schwarzen Mief bedeutet "Die seltsame Gräfin", interessanterweise von dem damals über 60jährigen Joseph von Baky und dem bekanntermaßen politisch leicht spießigen Jürgen Roland (vgl. "Die vier Schlüssel") inszeniert. Margaret Reddle ist ein unsicheres, verängstigtes Huscherl, ihr Peiniger ein geistig Kranker, dem diese Schandtaten nur möglich sind, weil er auf Ausgang war, ihr Begehren groß, als Sekretärin von einer Anwaltskanzlei in ein Schloss als Privatsekräterin einer Gräfin (die Aristokratie ist in den Wallace-Filmen bis zum italienischen Einstand 1969 stets rückständig dargestellt) und der gegen die angestaubten Werte seiner Mutter aufbegehrende Sohn der Gräfin ein spleeniger Vogel, den man nicht so recht ernstnehmen kann. Diese Fülle damals unzeitgemäßer - wenngleich offenbar immer noch weiter verbreiteter Werte - fügt sich dem Konzept, alte UFA-Zeiten wieder auferstehen zu lassen, perfekt an. Ob dies nun die Ursache war, die Romanvorlage / das Drehbuch oder die Gesinnung der beiden Regisseure - es erschließt sich nicht ohne weiteres.

Daher umso interessanter, das der nächste Film - "Das Rätsel der roten Orchidee" - eine schwarze Gangsterkomödie nach amerikanischer Spielart ist und sich sowohl ideologisch als auch inszenatorisch weitgehend von den bekannten Vorgaben verabschiedet. Hier wird offenherzig der dezent zynische Witz des Film noir und der französischen Gauner-Filme zitiert, sexuelle Flexibilität scheint nicht länger verpönt - Marisa Mell spielt mit sichtlichem Vergnügen erotisch aufgeladene Rollenspiele mit ihren männlichen Partnern Adrian Hoven und Pinkas Braun - was szenenweise schon beinahe an die Filme von Paul Verhoeven erinnert. Persönliche Rache-Motive und Erbschaften sowie explosive Banküberfälle sind für diese "Gangster in London" - nebenbei ein weiteres Indiz für die Vorstellung der Deutschen von den USA als modernerem, liberalerem Land - nicht länger interessant. Hier wird elegant und wohlüberlegt vorgegangen und erst im Notfall das Maschinengewehr ausgepackt. Das mutet zwar unrealistisch an - schließlich sind gerade die USA für ihre militante Bereitwilligkeit bekannt -, spiegelt jedoch sehr schön wieder, wie man sich in Deutschland amerikanische Kriminalität in England (!) vorstellt. Ein ganz besonderes Kuriosum der Reihe dessen Ende - die eher blond & blauäugig gezeichnete, puppenhafte Frau eines Gangsterbosses erschießt aus Rache den ebenfalls mafiösen Mörder ihres Mannes - ausgezeichnet in die Linie der "toten Augen" und "Narzissen" passt.

Während der nachfolgende "Die Tür mit den sieben Schlössern" als eher trashige und somit durchaus amüsante Melange kitschiger Gruselfilm-Bausteine daherkam, stellt "Das Gasthaus an der Themse" einen der interessantesten weil deutschesten Wallace-Filme dar. Hier schimmert auf direktem Wege deutsche Befindlichkeit durch. Zumindest Outdoor im schäbigeren Teil von Hamburg gedreht und im Hafenviertel von London - St. Pauli! - angesiedelt, sieht man hier das Schäbige, den Dreck, die soziale Ungerechtigkeit, die Rückstände eines großen gesellschaftlichen Krachs der weite Kreise gezogen hat. Eine Tochter aus gutem Hause als "Sklavin" in einer üblen Hafenkaschemme unter lüsternen Matrosen und ein Mörder, der aus dem Drang, von der Gesellschaft wahrgenommen zu werden, mordet - zwei Motive die bezeichnend für unterschwellige gesellschaftliche Frustrationen der damaligen Zeit sein dürfte. Der Einzelne fühlt sich im Zuge des sich am Horizont abzeichnenden Wirtschaftswunders seiner Individualität beraubt und sieht zumindest anfänglich keine Möglichkeit, sich von diesem Zwang zu befreien, will er ein wichtiges Bindeglied der sozialen Strukturen sein.

Der Kontrast zu den nun folgenden Filmen ist groß. "Der Zinker", "Der schwarze Abt", "Das indische Tuch" - sie alle verdienen mehr denn je die Bezeichnung "Krimimärchen" und sind befreit von diesem Zeitcoleur (das zumindest in "Der Zinker" noch stellenweise durchschimmert und in den Figuren des Krishna, des Joshua Harras und der Beryl eine oberflächliche Entsprechung findet). Erst "Zimmer 13" stellt die Verbindung zu seiner Entstehungszeit wieder her indem der reale Eisenbahnraub von 1963 verarbeitet wird und die Ermittlungen mit vergleichsweise couragierter Konsequenz im Rotlichmillieu von statten gehen. Die Figur des Sir Robert Marney wirkt seltsam antiquiert in dem erfrischend modernen Film in dem auch Joachim Fuchsberger nicht mehr als strahlender Held erscheint - er ist ein Weiberheld (als Sir Robert ihn anruft wälzt er sich gerade mit einer namenlosen Blondine im Bett und auch die Striptease-Einlagen im Highlow-Club beobachtet er mit sichtlichem Wohlgefallen) mit dem sich die Drehbuchautoren zaghaft an die Lockerheit des neuen internationalen Superhelden James Bond annähern, genauso wie auch die von Karin Dor dargestellte Denise Marney eine der ersten großen tragischen Figuren der Reihe ist. Spätestens das niederschmetternde, düstere Ende verdeutlicht eine neue Strömung die sich in den folgenden Filmen - schwankend zwischen dem Wunsch, sich nicht zu sehr von den eigenen Wurzeln zu entfernen und dem Bestreben, ein liberales Publikum nicht vor den Kopf zu stoßen - in sehr unterschiedlicher Konzentration bemerkbar machen wird. Während "Die Gruft mit dem Rätselschloss" und mit Einschränkungen auch der extrem antiquierte "Hexer" in die gleiche Kerbe wie die drei 1963ziger Filme schlagen, bestätigt "Das Verrätertor" die These, das man bei aller Konventionalität sehr schnell einen Schritt zu weit gehen kann wenn man eine im Kern durch und durch deutsche Reihe internationalen Standards angleichen will. Sieht man von dem vom Drehbuch vernachlässigten Charakter der Hope Tayler und den deplazierten Klamauk-Einlagen Eddi Arents ab, ist Freddie Francis' Film unter den s/w-Filmen auch deshalb ein Außenseiter weil er die Antagonisten zu Protagonisten und die eigentlichen Protagonisten zu Nebendarstellern erhebt. Diese Vorgehensweise, die sich damals im internationalen Genre-Kino zunehmend verbreitete, auch durch die neue Popularität des Italowesterns mit seiner Neigung zum "Antihelden" nimmt sich im Film zwar sehr passend aus und ist vorsichtig und mit Bedacht angewendet worden, zugleich mutet Francis seinem deutschen Publikum etwas zu, das sich kaum mit dessen überwiegender Erwartungshaltung vereinbaren lässt. Der kommerziell eher durchschnittliche Erfolg des Films hat vielleicht unter anderem auch in diesem Umstand seine Ursachen.

Auch wenn ein Jahr später "Neues vom Hexer" mit der Margie Fielding (Barbara Rütting) eine Figur aufbrachte, die dem pittoresken Klischee einer alleinstehenden Frau, in diesem Fall auch noch einer Künstlerin (!) 1A entsprach, ist er - ebenso wie der Nachfolger "Der unheimliche Mönch" - auch eher fabelhafter Natur wenngleich ausgerechnet der zwei Jahre zuvor noch für "Zimmer 13" verantwortliche Harald Reinl interessanterweise versucht, den Zeitkolorit des Jahres 1965 mitzunehmen und an diesem Vorhaben, das er primär im Spiel der Jungdarstellerinnen zu erreichen trachtet, kläglich scheitert - eingeworfene Fetzen wie die von Uta Levka gespielte Lola, die Dialoge der Mädchen oder die Ansichten von London machen noch keine ganze Miete, auch wenn sich Reinls Film zusammen mit anderen Vertretern der heute als "Europloitation" geltenden Gattung einfacher Genre-Filme damals in bester Gesellschaft befand und nicht unbedingt staubig-steif inszenierte. Gleiches gilt auch für den britisch produzierten Thriller "Circus of fear".

Geglückt ist hingegen Alfred Vohrers mutmaßliches Ziel, mit "Der Bucklige von Soho" einen reißerischen Exploitationfilm zu inszenieren. Von Liberalität keine Spur, stattdessen frönt Vohrer ebenso wie zahlreiche europäische und asiatische Kollegen in diesen Jahren mit steigender Tendenz dem Schund- und Schmuddelkino. Aufreizende Mädchen im heißen Wasserdampf hinter Gittern, überwacht von einer "züchtigen", strengen Oberin mit Gerte geben den Ton an und die Handlung des Films sowie seine verschiedenen Stationen sind eindeutig dazu angetan, die niederen Instinkte des männlichen Zuschauers zu befriedigen. Die Offensichtlichkeit, mit der Vohrer sich hier darum bemüht trägt nicht unwesentlich zum Unterhaltungswert bei, ebenso wie der erstaunlich billige, dillettantische Gesamteindruck.

Diesen Weg werden die übrigen Filme bis 1968 ebenfalls gehen - mit Ausnahme von "Das Geheimnis der weißen Nonne", einem der für die Entwicklung des europäischen Genre-Kinos neben "Das Geheimnis der gelben Narzissen" und "Zimmer 13" wohl wichtigsten Wallace-Filme. Ebenso wie der erstgenannte Film greift auch Cyril Frankels Werk wichtige Mechanismen des sog. Giallo, des italienischen Horrorthrillers vor, dessen Entstehung 1964 Mario Bava mit seinen Filmen "Das Mädchen, das zuviel wusste" und "Blutige Seide" in die Wege leitete. Das heißt: Lustvolle Betonung sexueller Details im Dunstkreis der Mordszenen und ein stiefmütterliches, von romantischer Verklärung jedoch freies Frauenbild. Und - um einen für das Subgenre unbedeutenden doch stets als Merkmal klassifizierten Faktor hinzuzufügen - einen Killer in schwarzer Lederkluft. Gemäß den Ansprüchen im internationalen Genre-Film dieser Jahre ist "Das Geheimnis der weißen Nonne" auch ein Beleg für die neue "Gewaltgier" des Publikums, geweckt insbesondere von den europäischen Agentenfilmen, den Horrorfilmen und Italowestern der Vorjahre. So unerbittlich grausam und qualvoll und insbesondere ausgiebig wurde in noch keinem Wallace-Film gestorben. In langen Szenen werden die Opfer ertränkt, erwürgt, verbrannt, vergast und erschossen. Das kann auch hier als "modern" und "zeitgenössisch" gelten. Nicht so der Umstand, das der Regisseur, bzw. das Drehbuch Trudy Emberday während ihrer finalen Hassode gegen die Männlichkeit offenbar am liebsten wiedersprechen würde denn die Prämisse, einen Nonnenorden als gemeingefährliche, profane Mörderbande dazustellen wird hier nur ansatzweise ausgekostet, die Rollenverteilung Mann-Frau zwischen Coopersmith und Polly steht von Beginn an fest.



Fortsetzung folgt, ich möchte diese Kette gerne noch zuende bringen, allerdings nicht mehr heute.

Inzwischen freue ich mich auf ausgiebige Antworten eurerseits! Wie seht ihr die Wallace-Filme aus der ganz oben () beschriebenen Perspektive

http://www.ofdb.de/view.php?page=poster&...view&Name=24510

Markus Offline



Beiträge: 683

23.08.2007 09:14
#2 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten
Fürs erste mal einen Literaturtipp:
Der Psychologe Gerhard Bliersbach hat in seinem Buch "So grün war die Heide. Der deutsche Nachkriegsfilm in neuer Sicht" (Weinheim/Basel: Beltz 1985) auch den Wallace-Filmen ein Kapitel gewidmet. Er analysiert vor allem den Film "Der grüne Bogenschütze".

Gruß
Markus
Reinhard Offline



Beiträge: 1.373

23.08.2007 09:34
#3 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

War das jetzt ironisch oder ernst gemeint? Sollte letzteres der Fall sein (wovon ich jetzt ausgehe;-), vielen Dank! Wenn mir der Schmöker in der hiesigen Filmbibliothek über den Weg läuft werfe ich vielleicht einmal einen Blick auf das entsprechende Kapitel. Aber dieses filmwissenschaftliche Gesabbel (leider verdient es nur allzu oft diese Bezeichnung) ist ja meist nicht auszuhalten.

http://www.ofdb.de/view.php?page=poster&...view&Name=24510

Markus Offline



Beiträge: 683

23.08.2007 10:28
#4 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten
Das war schon ernst gemeint, und nur als Ergänzung zu deinen interessanten Überlegungen - falls du wissen magst, was ein Akademiker darüber denkt. Bliersbach schreibt eigentlich sehr leserfreundlich, und egal wie man dann zu seinen Thesen stehen mag, ist das Buch ganz spannend und nicht so von oben herab wie einige Einlassungen zu "Opas Kino".

Bliersbach beschäftigt sich etwa mit der Figur des Amerikaners Bellamy, der ins westdeutsche England poltert. In anderen Kapiteln geht es um Hitchcock und Heinz Rühmann als Pater Brown.

Gruß
Markus
Lutz Offline



Beiträge: 397

23.08.2007 10:31
#5 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

In Antwort auf:
Daher meine Frage an euch: Sind die Wallace-Filme eurer Meinung nach nur einfache Unterhaltungskost oder bergen diese "Krimimärchen" (Christoph Petzel) auch einige subtilere Botschafen, Gesellschaftskritik, cineastische Reflexionen, Versuche der Bewältigung des deutschen Nachkriegstraumas, satirische Töne, psychologisch komplexe Konstrukte, differenzierte Spiegelungen ihrer Zeit und ähnliches? Können die Edgar Wallace-Filme ihre Zuschauer nicht nur mit ihrem naiven Charme sondern auch mit "intellektuellem" Gehalt in ihren Bann ziehen? Besitzen sie etwa sogar einen pädagogischen Wert?


Hi,
das solltest du vielleicht mal die Herren Wendlandt / Brauner fragen . Na ja, Spaß beiseite, ich glaube nicht an irgendwie geartete Botschaften. Die Filme sind Kommerz, ihr einziges Ziel war Geld zu verdienen, nicht mehr und nicht weniger. Wenn jemand da irgend etwas hineininterpretiert ist das zwar schön für ihn, entspricht aber absolut keiner Wirklichkeit. - Merke:Nur Geld regiert die (Film)Welt (OK, es gibt da ein paar Ausnahmen)

Tschüss
Lutz

Fadecounter Offline




Beiträge: 2.081

23.08.2007 12:22
#6 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

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Aber dieses filmwissenschaftliche Gesabbel (leider verdient es nur
allzu oft diese Bezeichnung) ist ja meist nicht auszuhalten.
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Reinhard,
diesem Ausspruch schließe ich mich voll und ganz an.
Es trifft besonders auf den ersten Beitrag in diesem Thread zu.

Gruß Fadecounter

DanielL Offline




Beiträge: 4.155

23.08.2007 12:59
#7 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten
Zunächst, um auf die Eingangsfrage einzugehen: Die Wallace- Filme sind Unterhaltungskost. Punkt. Das ist unbestritten. Das sich in einer über 13 Jahre erstreckenden Filmreihe dennoch zahlreiche Rückschlüsse auf den Zeitgeist und seinen Wandel finden lassen, ist aber dennoch eine andere Sache. "Subtilere Botschaften" oder "Reflexionen der Gesellschaft" ergeben sich dann mE zwangsläufig mal aus der Modifikation des Krimi-Stils, aber es hat sich sicher kein Herbert Reinecker oder Harald G. Petersson vor die Schreibmaschine gesetzt um den Filmen interlektuelle Fingerzeige oder inhaltliche Doppelbödigkeit zu verleihen.

Dennoch sind deine Beobachtungen interessant zu lesen und größtenteils schlüssig gefolgert. Insbesondere bei den Kommentaren zu den frühen Filmen lässt du aber völlig außer Acht, dass es sich hier noch meißt um originalgetreue Romanverfilmungen handelt. Einzig in Nora Ward aus den TOTEN AUGEN VON LONDON erkenne ich in der Verfilmung unwesentlich mehr Selbstständigkeit als in der gleichnamigen Romanfigur. Die unschuldige Ella aus dem FROSCH MIT DER MASKE existiert bereits so bei Wallace, ebenso wie Laila aus dem GASTHAUS- hilflos, unschuldig, jungfräulich. Obwohl es auch in Wallace' Romanen immer mal wieder starke Frauenfiguren gibt, zum Beispiel Mrs. Milton, die Frau des HEXERS. Auch wird in der Romanvorlage DAS GASTHAUS AN DER THEMSE auf die soziale Unterschicht focusiert, während sich andere Romane fast ausschließlich im "Spätadel" ansiedeln, mit ausnahme von ein oder zwei bitterbösen Gangstern, die aus der Londoner Unterwelt auftauchen und in die heile Zone der Reichen eintauchen.

Sehr interessant finde ich deine Meinung zur SELTSAMEN GRÄFIN. However- Erst Ende der sechziger Jahre -nach Originalverfilmungen und dem ein oder anderen Experiment- reagieren die Filme auf die Umbrüche dieser Zeit mit einer einschlägigen Änderung des Stils. Ab jetzt beginnen die Filme trashig zu wirken. Man führe sich den Gegensatz von DIE TOTEN AUGEN VON LONDON oder auch noch DER UNHEIMLICHE MÖNCH, klassische Kriminalfilmstrucktur, aufgebaut ähnlich klassischer Filmreihen nach Doyle oder Christie, zu dem Trash-Krimi DER BUCKLIGE VON SOHO vor Augen- schmuddelig und surreal. Der "billige" Charakter passt zum Thema und daher verstehe ich den Stil als gelungene Rückkopplung zur Geschichte. Gepeinigte Mädchen im Wasserdampf halten auch Einzug, in einer Zeit in der Filme mit Titeln wie "Sex im Frauengefängnis" die Akzeptanzgrenze, und damit die Messlate für Aufmerksamkeit und morbide Neugier an Geschichten, verschoben haben.

Ich finde Rückblickend ist vor allem der filmästhetische Stil der Filme viel bedeutender, denn eine solche realitätsfremde, surreale Schauderwelt wie sie in den Wallace-Filmen erschaffen wurde ist heute eigentlich nur noch bei Comic- Verfilmungen oder Persiflagen gegeben- und das sehr erfolgreich. Man denke an SIN CITY oder die Tarantino- Filme, die ähnlich überspitzte Welten zeichnen bzw. dieses noch weiter spinnen. Heute als Genial angesehen. So, mit aufwendigem visuellem Konzept, könnte auch eine Wiederauferstehung des Grusel-Krimis möglich sein und nicht in billiger TV-Produktion.

Gruß,
Daniel

Markus Offline



Beiträge: 683

23.08.2007 13:26
#8 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

"Alfred Vohrer is a genius !"
(Quentin Tarantino)



Gruß
Markus

DanielL Offline




Beiträge: 4.155

23.08.2007 13:33
#9 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

In Antwort auf:
"Alfred Vohrer is a genius !"
(Quentin Tarantino)


Stimmt. Brüllte er mal bei einem öffentlichen Auftritt quer durch einen Kinosaal.

Gruß,
Daniel

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

23.08.2007 14:34
#10 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten
In vielen Punkten gebe ich Daniel völlig Recht. Ich denke, folgende drei Grundaspekte sollte man immer im Hinterkopf haben, wenn man sich mit einer solchen Frage beschäftigt:

- Die Edgar-Wallace-Filme sind Unterhaltungsfilme, keine intellektuell höchst anspruchsvollen Genreproduktionen.
- Unterschwellige Botschaften sind, falls vorhanden, nicht absichtlich, sondern durch zeitgeschichtliche Gepflogenheiten eingebracht.
- Die Rolle der Frau in den frühen Edgar-Wallace-Filmen entspricht weitgehend dem Gegenpart im Original-Roman.

Besonders der letzte Punkt ist hier besonders herauszuheben, denn was du als Intention des Regisseurs oder Drehbuchautoren bezeichnest, auch als "Modernität im Wallace-Krimi", ist in Wahrheit oft gar keine Modernität, denn schon im Originalroman enthalten, der zum Zeitpunkt der Verfilmungen bereits vierzig Jahre auf dem Buckel hatte. Nora Ward etwa als moderne Figur der 1920er? Ja. Als moderne Figur der 1960er - nur teilweise geeignet.

@ Reinhard:

Doch nun der Reihe nach: Auch deine eingangs formulierten Unterschiede zwischen Wallace-Krimi und Heimatfilm kann man so nicht stehen lassen, sind die Wallace-Filme doch nicht entstanden durch die Intention, einen Gegenpart zur heilen (?) Heimatfilmwelt zu schaffen, sondern - wie allgemein bekannt sein dürfte - aus Zufall beim Betrachten des Films "The Ringer" von 1952, der (ebenso wie die Rialto-Filme) einen Wallace-Roman verarbeitete und sich mit dem literarischen Schaffen eines Autors auseinandersetzte, der als einer der größten Trivialliteraturschriftsteller überhaupt gilt und somit eben TRIVIALE LITERATUR schuf. Die Verfilmungen von TRIVIALER LITERATUR sind weitgehend TRIVIALE FILME. Da sollte man, was Fadecounter vielleicht mit seinem Posting ausdrücken wollte, nicht allzu viel hineininterpretieren, was nicht in die Filme hineingehört.

Schließlich entstanden die Filme (ja, ich wiederhole mich) als Adaption eines Romans bzw. als Geistesblitz eines Drehbuchautors, sind also nichts weiter als bemüht, die literarische Vorlage effektvoll und publikumswirksam (hier kommen dann die zeitgeschichtlichen Faktoren dazu - WAS ist publikumswirksam? WAS will WELCHE ZIELGRUPPE sehen? - Als Beispiel etwa deine passende Erörterung zum "Buckligen von Soho") umzusetzen, dem Publikum das anzubieten, was es sehen möchte. Daher der Begriff "unterhaltsam".

Alles in allem, auch wenn ich deine (pseudo?)-intellektuellen Beiträge sehr schätze (sie bereichern das Forum auf eine ganz besondere Art und Weise und ich meine das "pseudo" ganz bestimmt nicht böse, das kannst du wissen!), aber ein "echter Wallace-Film" (also die mehr oder weniger originalgetreue Adaption eines Wallace-Romans) ist weder "psychologisch komplex" noch "pädagogisch wertvoll" (letzteres vielleicht nur in der Hinsicht, als dass der Täter am Ende gefasst wird und der (vor allem männliche) Wallace-Nachwuchs lernt, wie man eine schicke Braut auf relativ konservative Art und Weise erobert). Dass die späteren Gialli-artigen Wallace-Koproduktionen mit Italien durchaus auf einer anderen "psychologisch komplexen", aber dann noch viel weniger "pädagogisch wertvollen" Schiene fahren, kann und möchte ich keinesfalls bestreiten.

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Reinhard Offline



Beiträge: 1.373

23.08.2007 15:29
#11 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

Jede Menge neuer Stoff - ich komme heute Abend darauf zurück.

http://www.ofdb.de/view.php?page=poster&...view&Name=24510

Fabi88 Offline



Beiträge: 3.905

23.08.2007 16:04
#12 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

Auch ohne mir hier wirklich ALLES durchgelesen zu haben, rate ich davon ab, irgend etwas in die Filme herein zu interpretieren. Edgar Wallace hat nie mehr geschrieben als (meist eher mittelmäßige) Kriminalromane. Die Filme sind reine Unterhaltungsfilme, zwar mit den damals besten deutschen Schauspielern, aber doch eben nur bloße Unterhaltung, wenn wir ehrlich sind, zumeist sogar sehr auf plumpe Effekte ausgerichtet, da wird sich wohl kaum eine subtile Botschaft dahinter verstecken...
Unbewusst kann vielleicht etwas hereingeraten sein, aber das könnten selbst die damals Beteiligten wohl kaum noch rekonstruieren...

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Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

24.08.2007 14:07
#13 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

Zitat von Fabi88
Edgar Wallace hat nie mehr geschrieben als (meist eher mittelmäßige) Kriminalromane.

Also hier stimme ich Dir absolut nicht zu. Sicher, bei einer solchen Anhäufung von Romanen (es sind ja weit über 100 Krimis!), sind nicht nur Reißer dabei. Zugegeben, es waren sind ein paar echte Langweiler darunter, aber der Großteil der Romane bewegt sich doch im überdurchschnittlichen Bereich. Einige waren bzw. sind sogar hervorragend. Wie sonst wäre der mittlerweilen neun Jahrzehnte währende Erfolg und die Begeisterung an Edgar Wallace und seinen Romanen zu erklären?

Fabi88 Offline



Beiträge: 3.905

24.08.2007 14:27
#14 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

Es ist unbestreitbar, dass mehr als die Hälfte seines Werkes keine hohe Qualität aufweist, daher ist es legitim zu sagen, dass es eben "meist eher mittelmäßige" Kriminalromane waren. Außerdem wollte ich mit dem Satz:
"Edgar Wallace hat nie mehr geschrieben als (meist eher mittelmäßige) Kriminalromane."
nur sagen, dass er nie mehr gewollt hat als unterhaltsame Kriminalromane zu schaffen. Er hat nie Anstalten gemacht, sozialkritische Studien zu betreiben oder politische Vorgänge in seinen Romanen aufzugreifen. Wieso sollte sich so etwas dann in den Verfilmungen finden lassen?

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Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

24.08.2007 14:46
#15 RE: Die Wallace-Filme und ihr "Gehalt". Zitat · Antworten

Zitat von Fabi88
Er hat nie Anstalten gemacht, sozialkritische Studien zu betreiben oder politische Vorgänge in seinen Romanen aufzugreifen.

Auch das ist nicht ganz korrekt. In seinen Afrika-Romanen und Erzählungen über seine Erlebnisse im Burenkrieg (leider nie übersetzt) greift Wallace sehr wohl politische Vorgänge auf. In seinen Krimis jedoch, und hier hast Du Recht, natürlich nicht. Trotzdem widerspreche ich Dir, dass mehr als die Hälfte seines Werkes nicht gut sein soll. Sicher ein Teil seines Werkes, aber bei weitem nicht die Hälfte!

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