Zitat von Georg im Beitrag #16Maigret und der Verrückte, der 39. Folge der BBC-Serie aus den 1960ern mit Rupert Davies, Drehbuch: Roger East, Regie: Andrew Ostborn Auch wenn Georges Simenon immer betonte, Rupert Davies sei der ideale Maigret, mit der Verfilmung seines Buches kann er nicht einverstanden gewesen sein. Drehbuchautor Roger East hat viel zu viel verändert, ganze Kapitel weg gestrichen und wichtige Ereignisse ausgelassen. Das Schlimmste ist jedoch, dass er die Dramaturgie gänzlich ändert: Maigret sitzt in einem Sitzabteil, man sieht von Anfang an den Verrückten und er steigt ganz normal aus. Maigret verfolgt ihn nicht, sondern steigt zufällig zu früh und an der selben Haltestelle aus. Dann sieht man - und das ist der größte Fehler - wie der Verrückte erschossen wird. Genau diesen Clou serviert Georges Simenon erst in der Mitte des Romans und Mario Landi benutzt diese Stelle in der unten von mir besprochenen Adaption mit Gino Cervi als tollen Cliffhanger. Roger East nimmt damit dem Film ein wichtiges Spannungsmoment. Weitere Änderungen sind, dass Maigret nie als Verdächtiger geführt wird und sich auch nie im Hotel von dem Attentat erholt. Schauspielerisch ist gegen die Folge nichts zu sagen, aber ich war selten so enttäuscht von einer Romanadaption. Nun müsste man die weiteren Fälle mit Rupert Davies auf die Romantreue prüfen.
Zumindest teilweise kann ich hier zustimmen. Für sich genommen ist die Episode zwar passable Unterhaltung, aber verschenkt auch bei Nichtkenntnis der Buchvorlage einiges an Potential. Der Kardinalfehler ist (wie bereits angesprochen), daß der Zuschauer schon zu Beginn gezeigt bekommt, daß der Verrückte erschossen wird, das nimmt der Story einiges an Spannung. Daß Maigret hier nur versehentlich zu früh aussteigt und den Mann eher zufällig verfolgt, kann man noch hinnehmen, und er wird durchaus anfangs verdächtigt (wenn auch nicht lange). Auch das Ermitteln vom Krankenbett aus deckt sich ungefähr mit der Vorlage.
Diese Folge könnte ohne Frage viel besser sein, der Bearbeiter hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, aber ein völliger Rohrkrepierer ist sie auch wieder nicht. In Sachen Werktreue nahmen sich die BBC-Adaptionen oftmals einige Freiheiten, ließen die Kriminalfälle an sich aber meistens intakt. Im Kanon der Davies-Serie ist "Maigret und der Verrückte" dagegen leider nur unterer Durchschnitt. Die Vergleichsmäglichkeit mit der Cervi-Fassung fehlt mir leider, aber ich gehe tatsächlich davon aus, daß diese die bessere Verfilmung ist.
Das sehe ich etwas anders. Der Zuschauer weiß doch gar nicht definitiv, ob der Mann, der zu Beginn erschossen wird, der Verrückte ist. Es handelt sich lediglich um einen namenlosen, alten Mann, der Kommissar Maigret im Zug seltsam anstarrt. Dass seine Identität von Beginn an feststeht, würde ich nicht sagen, denn immer wieder werden Zweifel daran gestreut, ob der Verrückte nicht doch noch am Leben ist - zumal nach dem Überfall auf Francoise. Dass ihre Schwester Germaine diese Aussage als Lüge bezeichnet, muss durchaus nicht der Wahrheit entsprechen, da sie die Geliebte ihres Mannes ganz offensichtlich hasst. Außerdem bleibt meiner Meinung nach durch die nicht aufgeklärten Umstände des Todes des alten Mannes - wer und warum hat man ihn getötet? - durchaus noch genügend Spannung.
Dass Maigret eingeschlafen ist, noch schlaftrunken die Durchsage des Bahnhofsvorstehers nicht recht mitbekommt und sich deshalb in der Station irrt, ist fast nachvollziehbarer als dass er im Roman aus einem plötzlichen Gefühl heraus dem Unbekannten hinterher springt und sich danach selbst am meisten über diese ihm unerklärliche Impulsivität ärgert, zumal er sich anschließend eine Kugel einfängt.
Natürlich wird Maigret auch in der Verfilmung kurzzeitig - im Roman dauert es auch nicht länger - der Taten des Verrückten verdächtigt, und der ortsansässige Polizeikommandant würde dem ihm missliebigen Kommissar wohl bis zum Schluss gern diese Verbrechen anhängen. Interessant ist auch, dass fast alle der durchaus profiliert gezeichneten und alles andere als unbescholtenen Nebenfiguren Kommissar Maigret, der in dem "Sündenbabel" Vervac in ein richtiges Wespennest gestochen hat, feindselig gegenüber stehen. Der Polizeikommandant Fouchè äußert finster, es gäbe viele Möglichkeiten dem "Schnüffler" aus Paris seine Neugier abzugewöhnen, und Francoise Beausoleil spricht ganz offen von Hass und Mordgedanken.
Mir bereitet gerade "Maigret und der Verrückte" ganz besonderes Vergnügen, eben weil es einmal etwas anderes ist, dass der Kommissar abseits des Quai des Orfèvres ermittelt und noch dazu vom Krankenbett aus, wobei er sich auf die Mitarbeit seiner Frau stützt, die ihn nicht nur liebevoll umsorgt - der ewige "Kampf" der Beiden wegen des ihm auferlegten Rauchververbots ist sehr amüsant - sondern selbst Ermittlungen anstellt. Der Auftritt von Joan Young als Madame Beausoleil - Maigrets größter Fan - ist ein besonderes Kabinettstück. Als positiv empfinde ich auch die zahlreichen Außenaufnahmen, die der Studioatmosphäre entgegenwirken.
Variationen der literarischen Vorlage nehme ich da gern in Kauf.
Cervis Maigret untersucht übrigens den Mord an der Tänzerin Arlette, was seinerzeit auch der erste Fall von Rupert Davies war. Und kurz vor Weihnachten erscheint dann auch noch die aktuelle Variante mit Rowan Atkinson. Nach "Kommissar Maigret stellt eine Falle" scheint mir dies der beliebteste Maigret-Stoff ru sein...
Als Vorabinfo: Der 2. Préjean-Film, der gerade auch schon synchronisiert ist/wird, erscheint dann wenig später unter dem Titel Maigret und die Frau ohne Kopf.
Das ist fantastisch. Die alten Maigret-Filme sind bestimmt sehr stimmungsvoll. Und was man hinzufügen muss: Du hast ja selbst das Synchronbuch geschrieben - es ist also eine weitere VÖ, die ohne dich überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Chapeau, Monsieur Georg(es)!
Die Originalsynchro ist leider verschollen und so wurde der Film komplett neu synchronisiert. Der alte dt. Kinotitel Maigret und sein schwierigster Fall wurde aufgrund der Verwechslungsgefahr mit dem Rühmann-Film geändert, ich habe mich für Maigret und die Frau ohne Kopf entschieden. Auch hier stammen die Übersetzungen aus dem Französischen für die Synchro wieder von mir, was diesmal oft gar nicht einfach war, da der Originalton an manchen Stellen so schlecht war, dass nicht einmal ein Franzose die Stellen verstehen konnte :). Aber alles geht :).
Der Titel erinnert an die Romane "Maigret und die kopflose Leiche" und "Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes" und steht damit in ganz guter Gesellschaft.
Den Originaltitel habe ich übrigens bewusst nicht gewählt, weil dieser zu sehr spoilert: er nimmt ein Ereignis, das erst nach 2/3 des Films eintritt, schon vorweg. Das finde ich schade.
Interessant auch, dass der Regisseur Maurice Tourneur, der seit 1913 Filme drehte, der Vater des Hollywood-Spielleiters Jacques Tourneur ("Katzenmenschen", "Goldenes Gift") war.
Folgende sehr sehenswerte Maigret-Verfilmung gibt es aktuell im Pidax-Shop für schlappe 4,90 €...
Maigret und der Würger von Montmartre (Maigret a Pigalle, I/F 1967)
Regie: Mario Landi
Darsteller: Gino Cervi, Lila Kedrova, Raymond Pellegrin u.a.
Eine Tänzerin wird erwürgt in ihrer Wohnung aufgefunden, bereits wenig später wird eine weitere Frau ermordet. Ein Fall für Kommissar Maigret…
„Maigret und der Mörder von Montmartre“ bietet erstaunlich gut konsumierbares, sehr atmosphärisches Endsechziger-Krimikino. Gino Cervi agiert ausgesprochen überzeugend in der Rolle des Kommissar Maigret, die er zuvor schon in einigen TV-Filmen bekleidet hatte. Darüber hinaus ist der Film mit sehr vielen Außenaufnahmen aus der französischen Metropole garniert, was dem Film einen unheimlichen Flair verleiht. Zu letzterem trägt auch der hörenswerte Score von Armando Trovajoli bei. Der Film ist trotz seiner Entstehungszeit nicht sonderlich explizit und bezieht seine Spannung aus der Frage, wer hinter der Mordserie steckt. Die Auflösung kann denn auch durchaus mit einer kleinen Überraschung aufwarten. Schade, dass es bei einem einzigen Einsatz im Kino für Gino Cervi geblieben ist. Hier wäre noch mehr als beim fast zeitgleich produzierten Rühmann-Film Potential für eine Reihe vorhanden gewesen.
Die DVD von Pidax bietet überwiegend ein gutes Bild mit kleineren Schwächen zu Anfang. Als Bonus gibt es neben dem Booklet eine Bildergalerie sowie den deutschen Vorspann inklusive Constantin-Fanfaren. In Summe für den kleinen Preis absolut zu empfehlen.
Sehenswerte Maigret-Verfilmung mit einem überzeugenden Gino Cervi. 4,5 von 5 Punkten.