Ich zitiere mal aus Horst Tapperts Autobiographie (Seiten 113 folgende):
Zu den Dreharbeiten:
Zitat von Horst Tappert: Derrick und ichJohn Olden drehte zuerst den Überfall auf das BOAC-Gebäude am Flughafen Heathrow [...] Wir drehten an Originalorten - ohne Genehmigung. Er stellte einige Posten auf, die uns warnen sollten, falls Polizei auftauchte. Wir wurden nicht gestört, luden Geldkassetten in Rolls-Royce und Bentley-Limousinen, fuhren nach Hampstead. Dort zogen wir uns um und packten das Geld in andere Autos - auf der Straße. Die Passanten schauten nur kurz hin und gingen weiter. Ausnahmsweise war ich froh über das Desinteresse der Engländer an ihrer Unwelt [...]. Auch im Bus hatten wir Glück. Ich mußte mit Grit Böttcher in einem roten Doppeldecker fahren. Wir steigen als normale Fahrgäste an der Haltestelle ein, mit John Olden, der die Kamera halbwegs unter dem Mantel versteckte. Wir lösten die Fahrscheine, sprachen unsere Dialoge, er drehte diskret. Fahrer und Schaffner erhoben keinen Einspruch. Ohne Zweifel sind die "Gentlemen" auch deshalb so ein guter Film geworden, weil wir gezwungen waren, ohne jeglichen Aufwand unter realistischen Bedingungen so unauffällig und schnell wie möglich zu arbeiten.
Zu John Oldens Tod:
Zitat von Horst Tappert: Derrick und ichBevor wir nach Hamburg zurückfuhren [...] feierten wir in Folkstone Abschied von England. [...] Olden sah erschöpft aus an jenem Abend. Das Abenteuer England mit all den Unwägbarkeiten und der Verantwortung war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Wenige Tage später wurde ich in meiner Hamburger Pension aus dem Schlaf geweckt. [...] Vor der Tür stand ein Kollege: "John Olden ist tot, Herzinfarkt." Eine solche Nachricht versetzt allen Produzenten, Regisseuren, Schauspielern einen doppelten Schock. Einerseits trauern sie um den Toten, andererseits denken sie sofort an den unvollendeten Film: Wie soll es jetzt bloß weitergehen? [...] Man teilte uns mit, daß Claus-Peter Witt sich bereit erklärt hätte, die Inszenierung fertigzustellen. Ein mutiger Entschluß, auf den Neuen wartete eine ungeheure Arbeit. Wir hatten nicht chronologisch gedreht, Witt mußte sich jeden Anschluß ansehen, um herauszufinden, wo noch etwas nachzudrehen war. Oldens Art, Regie zu führen, erleichterte die Sache allerdings. [...] Ganz in seinem Sinn konnten wir Witt in den Film einarbeiten, und als guter Regisseur akzeptierte er diese Hilfe sofort [...].
Zitat von Georg im Beitrag #16Ich zitiere mal aus Horst Tapperts Autobiographie (Seiten 113 folgende)
Danke für die interessanten Passagen. Geht Tappert eigentlich in ähnlicher Weise auch auf die Dreharbeiten beim "Kommissar" oder "Derrick" ein? Dann wäre die Autobiografie ja nochmal einen Kauf wert!
Ja, Tappert schildert ganz genau die Dreharbeiten bei "Derrick" (auch Erlebnisse mit Darstellern und Regisseuren), wie er zur Rolle kam, dass er die Rolle im Kommissar nicht spielen wollte (jene in DIE NACHT IN DER BASSECK STARB) und dass er dem Produzenten Ringelmann nur einen persönlichen Gefallen tat, und die Rolle des Barchefs dann annahm.
Tappert war es auch, der Ringelmann Vohrer als Regisseur vorgeschlagen hat. Ringelmann war gar nicht angetan von der Idee, weil dieser doch diese "Wallace- und Simmel-Verfilmungen" gemacht habe.
Tappert geht auch kurz auf seine Rolle bei Durbridge und in den Edgar-Wallace-Filmen ein. Sehr interessant zu lesen!
Nachdem ich zum Weihnachtsfest die DVD bekommen habe, hier mein Review:
Im Vergleich zu den "Stahlnetz"-Folgen des Duos Jürgen Roland und Wolfgang Menge, die ebenfalls mal mehr oder weniger auf tatsächlichen Begebenheiten basieren, bieten die insgesamt 234 Minuten Lauflänge mehr Raum zur erzählerischen Entfaltung, wenngleich sich weder die Inszenierung noch die Dramaturgie wesentlich aufregender präsentiert als in den besten "Stahlnetz"-Episoden. Wie in Heist-Movies meist üblich, wird dem Zuschauer die Story recht trocken und protokollartig präsentiert. Spannung stellt sich dennoch ein, denn der Zuschauer wird hier zum Komplizen gemacht, wird doch findige Vorbereitung, Ausführung des Raubs und die Flucht interessant dargestellt.
Ernüchternd fällt das Resümee über die zwei DVD-Veröffentlichungen von ARD Video aus. Als Bildmaster wurde ein mangelhaftes Betacam SP TV-Master verwendet, welches neben Unschärfe auch einige kleine Tonfehler beherbergt. Nach einer kapitalen Fehleinschätzung in den 80er Jahren wurden die Originalfilmrollen zur Vernichtung freigegeben. Laut Internetquellen steht damit keine bessere Fassung des Films mehr zur Verfügung. Bei der Zweitauflage der DVD (rote statt blaue Verpackung) suggeriert der Aufdruck "restaurierte Fassung" zwar Anderes, hier wurden jedoch lediglich einige Kratzer und Schrammen retuschiert. Immerhin ein ehrenwerter Versuch, doch leider stehen damit einige kleine Verbesserungen einer immer noch für DVD-Verhältnisse mangelhaften Bildfassung gegenüber. Betrachtet man die traurige Materialsituation nicht als Entschuldigung, kann man sich dann schon zu Recht über die Betitelung als "restaurierte Fassung" echauffieren. Hinzu kommt das Fehlen von jeglichem Bonusmaterial auf den Discs, obwohl gerade die realen Hintergründe als auch die ereignisreichen Dreharbeiten massig Grundlage geboten hätten. Zum Erscheinen der Erstauflage wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass Zeitdruck und der zu erwartende kleine Käuferkreis der Grund für fehlendes Bonusmaterial seien. Immerhin muss es aber soviel Nachfrage gegeben haben, dass ein Jahr später eine zweite Auflage produziert wurde. Leider jedoch wieder ohne Bonusmaterial, und dass obwohl es doch für das Studio Hamburg (ARD Video) ein leichtes gewesen wäre, mit Sicherheit vorhandenes Material aus den ARD-Archiven kostengünstig zu nutzen. Immerhin gibt es ein Booklet mit einigen Hintergrundinformationen, die man sich praktischerweise von einer privat betriebenen Internetseite kopieren durfte.
Fazit: Kurzweiliges TV-Bonbon, welches auch heute noch Spaß macht. Seinerzeit durfte der NDR für die ARD die 3-teilige Produktion für damals bemerkenswerte 2,1 Millionen Mark herstellen. Leider war der ARD der Film später nicht mehr so viel wert ...
Im Rahmen der "Straßenfeger"-Edition wird es u.a. eine weitere Neuauflage der "Gentlemen" geben. Hat hier zufällig jemand Informationen, ob man eventuell doch noch ein anderes Master mit brauchbarer Bildqualität auftreiben konnte und / oder ob sich vielleicht im Bonusbereich etwas tun wird?
Am kommenden Freitag (02.08.2013) sendet Arte um 20:15 Uhr anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des legendären Überfalls die zweiteilige Dokumentation Die Gentlemen baten zur Kasse.
Vielen Dank für den Ausschnitt aus der "Hörzu", @Fräulein Janine! Die Farbaufnahmen erinnern ja fast ein wenig an Kinowerbung jener Jahre. Etwas gestutzt habe ich bei dem Bild oben links, das offenbar (ich kann den Text nicht recht lesen) Harry Engel darstellen soll. Weder ist mir aber so eine Szene in Erinnerung, noch sieht der Mann da auf dem Bild sonderlich nach Harry Engel aus. Ansonsten: Angemessene Berichterstattung für so ein Großereignis! 2 Millionen DM waren damals schon 'ne Ansage! Da hat Wolf C. Hartwig mit der Hälfte zwei Kinofilme davon gemacht!
@Jan: Der Text lautet: "Oben: George Slowfoot (Harry Engel) flieht vor der Polizei über die Dächer der Stadt. Die bis zum Rand mit Pfundnoten gefüllte Tasche ist ihm allerdings dabei sehr hinderlich." Ich hab Harry Engel auf dem Bild auch nicht erkannt, vielleicht ist es ein Stuntman bei einer rausgeschnittenen Szene. Auch die Szene mit den buddelnden Mastersons ist im Film nicht zu sehen.
Ich finde es auf jeden Fall immer toll, Farbfotos von Schwarzweiß-Filmen in die Finger zu bekommen.