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Dieses Thema hat 11 Antworten
und wurde 945 mal aufgerufen
 Edgar-Wallace-Forum
Jan Offline




Beiträge: 1.753

22.08.2006 14:00
Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Hallo liebe Filmgemeinde,
Alfred Vohrer und Harald Reinl. Die wohl zumindest finanziell erfolgreichsten Regisseure des deutschen Nachkriegsfilms sind ja karrieretechnisch ab den frühen 60er Jahren ziemlich im Parallelflug durchgestartet. Es soll mir hierbei nicht um den althergebrachten Zankapfel gehen, welcher von beiden der bessere oder erfolgreichere Regisseur gewesen ist.

Beim Lesen des Karl-May-Filmbuches kam mir wieder in den Sinn, an was ich schon zuvor häufiger mal gedacht habe: Ob die beiden sich wohl verstanden haben? Oder lebte man in offener Konkurrenz zueinander? Ggf. wäre natürlich auch denkbar, dass sie sich viel zu selten begegneten, so dass erst gar keine Beziehung zwischen beiden bestand.

Charakterlich dürften beide recht unterschiedlich gewesen sein. Zwar nur etwas mehr als zehn Jahre altersmäßig auseinander, kommt aus den diversen Wesensbeschreibungen der unterschiedlichen Filmbücher deutlich zutage, dass sich Vohrer und Reinl kaum ähnlich gewesen sein dürften.
Vohrer, der eher introvertierte und sensible Typ mit dem Hang, seine Homosexualität vor der Welt geheim zu halten und demgegenüber Reinl, der „Mann aus den Bergen“ (O-Ton Götz George), tatkräftig, zupackend und wenig zimperlich, der sich in mehreren Ehen mit etliche Jahre jüngeren Schauspielerinnen „schmückte“!
Filmisch legte Vohrer viel Wert auf genaue schauspielerische Charakterstudien und angemessenem Realismus, währenddessen Reinl ordentlich Action vor malerischer Kulisse anstrebte.
Vohrer legte zur Zeit des Fernsehens mit Serien à la SCHWARZWALDKLINIK oder TRAUMSCHIFF sowie der wohl recht maßgeblichen Beeinflussung der Figur des Erwin Köster (DER ALTE) eine zweite Karriere hin, währenddessen Reinl spätestens zur Mitte der 70er Jahre in der Bedeutungslosigkeit verschwand und vom Fernsehen (gewollt oder ungewollt?!) ignoriert wurde.

Hier sind ja nun die ausgemachten Fans und Insider anwesend und daher auch mal meine Frage in die Runde, ob irgendwer Näheres dazu weiß. Nicht dass das nun von ausgemachter Wichtigkeit für irgendetwas wäre – aber der Gedanke beschäftigt mich doch schon länger!

Bedauerlicherweise gibt es meines Wissens nichts Biografisches der beiden, was über die bekannten Filmbücher (Karl May oder Edgar Wallace) hinaus geht außer einer (verschollenen?) Fernseh-Doku über Dr. Reinl. Zu letzterem stellt sich die beiläufige Frage, warum das eigentlich so ist. Zu jedem unwichtigen Blödsinn wird heutzutage eine 45-Minuten-Reportage vom Schlage 37° herunter gekurbelt. Zu Karl May hat Kabel 1 etwas Ähnliches in Auftrag gegeben und 2004 ausgestrahlt.

Naja, evtl. weiß ja hier jemand mehr!

Gruß
Jan

Fabi88 Offline



Beiträge: 3.894

22.08.2006 14:03
#2 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wann die beiden sich mal getroffen haben könnten. Ich glaube kaum, dass beide mal mit ihren Projekten gleichzeitig in einem Studio befanden. Die beiden könnten höchstens mal bei einer Rialto-Internen-Feier oder Ähnlichem zusammengetroffen sein...
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http://www.agentennetz.de.vu
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Joachim Kramp Offline




Beiträge: 4.901

22.08.2006 15:50
#3 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Hallo,
Dr. Harald Reinl war definitiv der erfolgreichste Regisseur der Nachkriegszeit, wurde dafür auch als bisher einziger Regisseur mit der Goldmedaille des deutschen Films 1965 ausgezeichnet, gefolgt von Werner Jacobs, Kurt Hoffmann, Franz Antel, wobei alle vier Regisseure bereits nach dem Krieg begannen (Hoffmann sogar davor), so fehlen Vohrer die erfolgreichen 50er-Jahre, z.B. hatten Das Wirtshaus im Spessart (1957) oder Die Fischerin vom Bodensee (1956) jeweils rd. 10 Millionen Zuschauer. Kein Vohrer-Film hat keine 5 Millionen. Die drei erfolgreichsten Vohrer-Filme Die toten Augen von London, Das Gasthaus an der Themse und Unter Geiern dürften zusammen nur 10 Millionen Zuschauer gehabt haben. Reinl hat nicht ab den frühen 60er durchgestartet, sondern direkt nach dem Krieg mit Bergkristall(1948). Die danach folgenden Reinl-Filme waren zwar auch erfolgreich, aber sein großer Durchbruch kam 1952 mit Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Danach folgte ein Hit nach dem anderen (z.B. Der Klosterjäger, Rosen-Resli, Die Fischerin vom Bodensee, Die Ptrinzessin von St. Wolfgang, Johannisnacht, Die grünen Teufel von Monte Cassino u.s.w.)
Altersmäßig waren beide nur etwas mehr als sechs Jahre auseinander. Reinl wurde am 09.07.1908 und Vohrer am 29.12.1914 geboren. Darüber hinaus war Vohrer ein großartiger Synchron-Regisseur, mit angeblich über 1000 Arbeiten. Mit seinem Partner Josef Wolf hatte er die Synchronfirma Ultra-Film, die auch einige der ersten Vohrer-Filme produzierte. Lieferte man Vohrer gute Drehbücher so inszenierte er ausgezeichnete Filme (bei schlechten Drehbücher sahen dann die Filme entsprechend aus), über die (meisten) hervorragende Wallace-Filme brauche ich hier nichts zu schreiben, aber auch seine ersten beiden May-Western hat er sehr gut inszeniert. Seine zwölf Filme für Luggi Waldleitner sind ebenfalls nicht zu beanstanden, wobei es innerhalb dieser 12 Filme dennoch große Qualitätsunterschiede gibt. Zu dieser Periode gehören neben sechs Simmelverfilmungen die beiden großartigen Kriminalfilme Sieben Tage Frist und Perrak. Und der Regen verwischt jede Spur hatte er im Fahrwasser von Love Story ein besseres Händchen als Reinl mit Sie liebten sich einenSommer, was bei Reinl an dem äußerst schlechten Drehbuch liegt. Andererseits erwiesen sich die beiden Vohrer-Ganghofer-Verfilmungen zu hölzern gegenüber der recht flotten Inszenierung der beiden Reinl-Ganghofer-Verfilmungen. Dagegen hatten beide etwas Pech mit ihren Konsalikverfilmungen. War das Drehbuch zu Vohrer Wer stirbt schon gerne unter Palmen zu abgehackt, so standen Reinl bei Ein toter Taucher nimmt kein Gold keine Stars à la Lex Barker oder Harald Leipnitz zur Verfügung. Übrigens synchronisierte Leipnitz den Hauptdarsteller in Wer stirbt schon gerne unter Palmen, mir wäre es lieber gewesen wenn Leipnitz direkt die Hauptrolle gespielt hätte. Vohrer beendete seine Kino-Karriere 1976 und inszenierte bis zu seinem Tod ausschließlich fürs Fernsehen. Reinl beendete nicht Mitte der 70er-Jahre seine Karriere, sondern inszenierte neben seinen beiden hervorragenden Dokumentarfilme (Botschaft der Götter, Und die Bibel hat doch recht) noch eine 7teilige Doku fürs Fernsehen und inszenierte 1982 seinen letzten Film Im Dschungel ist der Teufel los. Reinls Vorteil gegenüber war auch die Tatsache, dass er Schnittmeister war und viele seiner Filme selber schnitt bzw. bei der Endfertigung im Schnittraum dabei saß. Vohrer dagegen, sollte man Jutta Herings Aussage glauben, ließ ihr bzw. den anderen Cuttern freie Hand und kümmerte sich nur selten um den Schnitt bzw. segnete die Endfassung nur noch ab. Vielleicht kommt es daher dass Szenen bei Der Bucklige von Soho und Der Mann mit dem Glasauge fehlen? Konkurrenz im eigentlichen Sinnen waren beide nie. Beide hatten mehr „Aufträge“ als sie bewältigen konnten. Und wenn sich einmal zwei vorgesehene Reinl-Filme überschnitten, wie Dynamit in grüner Seide und Der Hund von Blackwood Castle, übernahm Vohrer beim zweiten Film die Regie, aber genauso war es umgekehrt, dass sich 1969 zwei Vohrer-Filme überschnitten (Herzblatt, Dr. med.Fabian) so übernahm Reinl beim zweiten Film die Regie. Filmschaffenden treffen sich immer, auch das ist üblich, so besuchte Reinl Harald Philipp in Jugoslawien bei den Dreharbeiten zu Der Ölprinz, als Reinl dort gerade Winnetou III vorbereitete. Also mir ist kein Zwist zwischen Reinl und Vohrer bekannt.
FAZIT: Bei Regisseure haben sehr viel für den deutschen Nachkriegsfilm getan, und uns viele schöne Stunden hinterlassen. Persönlich ziehe ich zwar Dr. Harald Reinl vor, aber dennoch möchte ich keinen Alfred Vohrer-Film missen.
Joachim.

fritz k Offline



Beiträge: 243

22.08.2006 23:36
#4 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Es gibt im CineGraph zwei sehr ausführliche Essays zu beiden Regisseuren, in denen auch beide verglichen werden. Da wird auch noch einmal unterstrichen, daß Reinl der Action-Regisseur war, dem Landschafts- und Aussenaufnahmen ganz besonders lagen, während Vohrer gar kein großes Vergnügen an Action hatte, sondern durch damals sehr modern wirkende Kamera ( Reißschwenks und Zooms ) immer "Bedeutung" in Dialog und Szenen legen wollte.
In seiner Autobiographie schreibt Horst Tappert, daß er seinen "Lieblings-Regisseur" Vohrer dem Derrick-Produzenten Ringelmann empfohlen habe. Nach zwei Skandal-Derricks von Vohrer ( 1975 zu hart für TV ) wurde er einer der erfolgreichsten Fernsehregisseure.
Ich kann mir vorstellen, daß Reinl als schon relativ alter Regiisseur mit Action-Qualitäten nicht mehr umsatteln wollte.
Ich persönlich mag die Filme von Reinl, ziehe aber Vohrers Filme deutlich vor.

Havi17 Offline




Beiträge: 3.761

23.08.2006 07:50
#5 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten
@Joachim Kramp

Vielen Dank für den ausführlichen Post, es macht mir immer
wieder großen Spaß in diesem Forum so versiert lesen zu
dürfen.

Es beantwortet zwar nicht die ursprünglich gestellte Frage,
doch möchte ich hier kurz meine Meinung zu den beiden
Regisseuren abgeben. Ich verfolge die Arbeiten/Filme schon
über lange Zeit und finde, daß Alfred Vohrer der vielseitigere
von beiden ist, nehmen wir "Wallace", Traumschiff ....
Auch glaube ich, daß er bezogen auf die Menge an Filmen mehr
erfolgreiche Filme für Kino/TV gedreht hat, als Reinl, auch
wenn die Zuschauerzahlen bei einigen Reinl-Filmen höher
waren. Ich kann das leider nicht mit Zahlen belegen, es würde
mich jedoch interessieren, ob ich mit meinem Eindruck richtig
liege.

Gruss
Havi17

Joachim Kramp Offline




Beiträge: 4.901

23.08.2006 11:01
#6 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

@fritz k

Es ist nicht verwunderlich dass Tappert Vohrer als seinen Lieblingsregisseur bezeichnet, denn von seinen ca. 20 Kinofilmen, davon meist in Nebenrollen, verdankte Tappert seine Kinoaufmerksam vor allem Vohrer, mit drei Wallace-Filmen und den Hauptrollen in drei Roxy-Vohrer-Filmen (Und Jimmy ging zum Regenbogen, Perrak, Sieben Tage Frist). Reinl versuchte fast in jedem seiner Filme etwas Action hineinzubringen, das schaffte er sogar in seinem Lümmel-Film Pepe der Paukerschreck mit der Schlägerei im Lokal. Und hier liegt der Vorteil von Reinl da er immer versucht hat einen großen Bogen von Landschaftsaufnahmen, Action und Unterhaltung in seinen Filmen unterzukriegen, damit sie niemals langweilig wirken. Und was die Dialoge betreffen, so lagen diese weder bei Reinl noch bei Vohrer, dies war Sache der Drehbuchautoren. Davon aber abgesehen hat Reinl viele Drehbücher selber verfasst meist in Zusammenarbeit von Jochen J. Bartsch, aber auch mit anderen Autoren muß er ein gutes Verhältnis gehabt haben. Es ist zwar mir nicht bekannt, dass Vohrer selber Drehbücher schrieb (mit Ausnahme von Der Gorilla von Soho, was ja auch nur eine Bearbeitung war), hatte aber auch einige in Zusammenarbeit mit Eva Ebner geändert. Kurios verhielt er sich bei der Simmel-Verfilmung Die Antwort kennt nur der Wind. Das Ende des Drehbuches ist anders als das Ende des Romans und das Filmende hat mit beiden Fassungen nichts zu tun. Da Luggi Waldleitner in Cannes bei den Dreharbeiten nicht immer anwesend war, drehte er mit Absprache des Produktionsleiters das neue Ende, was Waldleitner erst bei der ersten Vorführung erfuhr, als es zu spät war das Drehbuchende, das auf dem Friedhof von Cannes spielt, nachzudrehen. Der Aufwand war für alle Beteiligten zu groß.


@Havi17

Hier behandeln wir nicht die TV-Einschaltquoten, denn dann vergleicht man Äpfel mit Birnen, sondern ausschließlich die Kino-Filme. Und hier sind nicht nur einige Reinl-Filme stärker als Vohrers Filme, sondern unterm Strich haben die Reinl-Filme mehr Besucher als die Vohrer-Filme. Reinls Filmen dürften ca. 130 Millionen Besucher gehabt haben, und Vohrers Filme liegen bei ca. 80 Millionen, wobei es im Grunde heute schwierig ist 100%ig genaue Zahlen zu erarbeiten. Reinl hat in seiner Karriere auch nur einen einzigen Flop gehabt, was bedeutet dass der Film nicht durchgehend im Kinoeinsatz war. Es handelt sich hierbei um Sie liebten sich einen Sommer. Alle anderen Filmen liefen bundesweit in allen Kinos, manche zwar mit minderen Erfolg wie Kommissar X jagt die Roten Tiger, aber sie kamen zum Einsatz, ebenso wie seine Dokumentarfilme. Dass Vohrer 1976 die Konsequenz zog vom Kino ins TV-Geschäft zu wechseln, hängt vermutlich daran, dass er nach zwei Flops an Filmen, die ihm sehr am Herzen lagen keinen Kinofilm mehr drehen wollte. Das war einmal Jeder stirbt für sich allein und Anita Drögemöller, die beide keine 150.000 Besucher gehabt haben.

Joachim.

Jan Offline




Beiträge: 1.753

23.08.2006 12:36
#7 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten
Hallo zusammen, speziell Joachim!
Vielen Dank für Eure sehr ausführlichen Kommentare! Dabei lernt man doch immer wieder Neues. Dass z.B. die Fallada-Verfilmung Vohrer sehr am Herzen lag, wusste ich bislang nicht. Danke für die Info!

Es ist natürlich schwer, dem Ausgangsthema beizukommen, ohne die wohl unklärbare Frage aufzuwerfen, wer denn nun der bessere der beiden gewesen wäre. Ich gestehe ebenfalls, dass ich zu Vohrer tendiere, da mir Reinls -bei allem Respekt!- "Kitschperiode" der 50er deutlich missfällt. Aber das ist nur mein persönlicher Geschmack und nicht relevant für die filmhistorische Einordnung, in der Reinl -betrachtet man die Kino-Arbeiten- ganz bestimmt deutlich vor Vohrer liegt! Wie Joachim schon schreibt, "Freddy" fehlen die 50er Jahre und Synchron-Regie zählt nicht!

Indes meinte ich wirklich den Blick über den Tellerand des Kinos in Richtung TV. Dass Reinl hier praktisch gar nicht vertreten ist, wundert schon. Als TRAUMSCHIFF- oder SCHWARZWALDKLINIK-Regisseur wäre er durchaus denkbar gewesen, zumal seine finanzielle Situation in den 80ern alles andere als exzellent gewesen zu sein scheint. Währenddessen Vohrer quasi im vollen Lebenswerk einem Herzinfarkt erlag, saß Reinl zwar arbeitswillig aber arbeitslos herum.

Mir kam dabei eben nur einige Male der Gedanke, was der extrem erfolgreiche Reinl wohl dachte, als er die Edgar-Wallace-Serie begann, deren erfolgreichste Vertreter dann Vohrer inszenierte, als er Karl May verfilmte und sich Vohrer dank Wendlandt auch darin "breit machte" und sich Entsprechendes bei Ganghofer in den 70ern ja ebenfalls wiederholte. Aber es ist schon richtig, betrachtet man die Fülle an Filmen der beiden in den 60ern, so verwundert es nicht, dass an solches Konkurrenzgehabe evtl. gar nicht gedacht wurde!

Gruß
Jan

Edit: Vohrers Drehbucharbeiten beschränken sich meines Wissens auf DER ALTE. Hier hat er vier oder fünf eigene Bücher beigesteuert, indes auch welche von Willschrei, Müller oder sogar Oliver Storz für die Serie verfilmt. Seine eigenen Beiträge zur Serie schwanken dabei zwischen realitätsfremden Psycho-Quatsch und erstklassigen Folgen (so z.B. DIE TOTE HAND).

Sir John Offline



Beiträge: 16

25.09.2006 15:58
#8 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Ich vermisse in der obigen Diskussion über die Erfolge von Regisseuren und ihren Filmen ein paar wesentliche Aspekte.

Der Erfolg eines Films manifestiert sich nicht allein in Zuschauerzahlen und Einspielergebnissen. Diese sind natürlich ein elementarer Bestandteil des Filmgeschäftes, überlebenswichtig für alle Beteiligten, denn nur sie garantieren in der Regel den nächsten Job. Doch viele Filme, die bei ihrer ersten Auswertung ein großes Publikum erreichen, sind so sehr an den Zeitgeist gebunden, dass sie von späteren Generationen nicht mehr konsumiert werden und von der Bildfläche verschwinden. Sie erhielten ihre ursprüngliche Wirkung durch rein zeitgenössische Bezüge, wie z.B. Stars, die kurzzeitig populär waren oder Themen, die die Öffentlichkeit für einen Augenblick bewegten. Für den Filmemacher bringt das Arbeit, Brot und Aufmerksamkeit - doch wirklicher Erfolg ist etwas anderes.

Erfolg bedeutet, mit einem Film etwas zu schaffen, das die Zeit überdauert. So gibt es Filme (von CITIZEN KANE über HALLOWEEN bis zu DONNIE DARKO), die zunächst ein relativer Flop sind, in der Versenkung verschwinden und dann im Laufe der Zeit ein breites Publikum erreichen und Klassiker werden. Sie entfalten ihre Wirkung nicht mit Hilfe einer kurzfristigen Mode, sondern durch andere, nachhaltigere Eigenschaften, die im Laufe der Jahre nicht schwächer sondern stärker werden und die dazu führen, dass jeder, der den Film gesehen hat, davon schwärmt und ihn weiterempfiehlt - ein Prozess, der sich über viele Generationen hinweg fortsetzen kann. Denn andersherum betrachtet: Etwas, über das man nicht mehr spricht, existiert de facto auch nicht mehr.

Gute Einspielergebnisse und hohe Zuschauerzahlen können natürlich einen Erfolg bedeuten - es muss aber nicht der Fall sein. Erst die dauerhafte Popularität von Filmen enthüllt deren wahre Qualitäten. Sie sichert ihnen eine Anhängerschaft aus Fans und Kritikern und damit eine Aufmerksamkeit, die über die ursprüngliche Kinoauswertung hinausgeht und schließlich zu einer filmhistorischen Einordnung der betreffenden Filme führt. Das gilt für Chaplin, Laurel & Hardy, Hitchcock, Leone, Polanski, Spielberg und all die anderen, also auch für Edgar-Wallace-Filme und damit für Alfred Vohrer und Harald Reinl.

Die vielen Filme der Wallace-Reihe verdanken wir natürlich ihrem Erfolg an den Kinokassen. Nur bei ausreichendem Gewinn wurde ein weiterer Film produziert. Doch den Kultstatus, den sie heute erreicht haben, kann man damit nicht erklären; auch nicht die vielen Fans aller Altersstufen, die über vierzig Jahre nach Entstehung der Filme ihre Freizeit z.B. in diesem Forum verbringen. Betrachtet man also die Wallace-Filme unter dem entscheidenden Gesichtspunkt ihrer langfristigen Beliebtheit und Popularität, so hat meiner Meinung nach Alfred Vohrer eindeutig die Nase vorn:

1. Ikonographie

Vohrer hat fast alle wesentlichen Merkmale beigesteuert, die die Wallace-Filme unverwechselbar machen: die Schüsse im Vorspann, die berühmte "Hallo"-Stimme, die farbigen Titel-Credits, den massiven Einsatz von Nebelmaschinen, die Erarbeitung der markantesten Kinski-Figuren und des Sir-John-Charakters, ein Skelett in jedem Film, und vieles mehr. Außerdem hat keiner so viele markante Haupttäter durch seine Inszenierung definiert, wie er - man denke an den blinden Jack, den Hai, den Hexer, den Unheimlichen oder den roten Kapuzenmönch (letzterer wird z.B. auf Internetseiten und in der Sekundärliteratur oftmals als Symbol für den Wallace-Krimi schlechthin benutzt.)

2. Genredefinition

Vohrer hat die Filme gedreht, die den deutschen Wallace-Film als eigenständiges Genre unverwechselbar machen. Nur durch die Reihe TOTEN AUGEN - GASTHAUS - ZINKER - HEXER - MÖNCH MIT PEITSCHE - BLACKWOOD CASTLE - UMHEIMLICHER entsteht das Wallace-Feeling, das jeder kennt und liebt. Harald Reinl hätte das mit FROSCH - FÄLSCHER - UNHEIMLICHER MÖNCH alleine nicht geschafft. Vohrer ist es auch, der zusammen mit Herbert Reinecker eine filmische Wallace-Sprache entwickelt hat, die für sich alleine steht und von den literarischen Vorlagen unabhängig ist. Nur diese eigenständige Filmsprache macht die Rialto-Wallace-Filme zu dem, was sie sind. (Betrachtet man beispielsweise Agatha-Christie-Verfilmungen, so ist es nur den vier Margaret-Rutherford-Filmen gelungen, eine eigene Sprache zu finden.)

3. Tempo/Rythmus

Vohrer hat ein ausgesprochenes Talent dafür, die Handlung seiner Filme voranzutreiben. Man kann sich aus einem Vohrer-Wallace jede beliebige Szene herausgreifen, sie treibt grundsätzlich den Plot des Films vorwärts und gefällt sich nicht darin, nur ein stimmungvolles Bild zu sein. Vohrer punktet deshalb nicht immer in Sachen Visualität, dafür kommt fast nie Langeweile auf. Es ist dieses Tempo, das für den heutigen Betrachter zeitgebundene Aspekte von Wallace-Filmen unwichtig erscheinen lässt.
Im Übrigen ist immer wieder zu lesen, Reinl sei ein guter Action-Regisseur gewesen, noch dazu ein Visionär, während Vohrer sehr von der Qualität seiner Drehbücher abhängig gewesen sei. Solche Darstellungen greifen zu kurz und sind nicht differenziert genug, um die Stärken und Schwächen von Regisseuren zu beschreiben. Keiner inszeniert aktionsorientierter als Vohrer. Außerdem inszeniert er mit Tempo und Witz über Drehbuchschwächen hinweg, die bei anderen Regisseuren leerlaufende Szenen und peinliche Arrangements entstehen lassen, die aus heutiger Sicht dilettantisch wirken (besonders deutlich ist dies bei einigen BEW-Filmen der CCC nachzuweisen). Details würden an dieser Stelle zu weit führen. Eine genaue und fundierte Untersuchung der Regie- und Drehbuchleistungen der deutschen Wallace-Filme, die meiner Ansicht nach ein wesentlicher Bestandteil der Wallace-Forschung sein sollte, gibt es bislang nicht. Alfred Vohrer würde im Mittelpunkt solcher Untersuchungen stehen.

4. Humor

Im Gegensatz zu allen anderen Regisseuren inszeniert Vohrer grundsätzlich mit einem Augenzwinkern. Das kommt in allen seinen Wallace-Werken zum Ausdruck, in der Kameraarbeit, der Schauspielführung und den vielen kleinen Gimmicks am Rande. Er hat seine Wallace-Krimis mit der nötigen Leichtigkeit betrachtet und das Ganze nicht zu ernst genommen. Es ist Vohrers ironische Distanz zur Materie (mag er ab und zu in Sachen Humor auch mal über die Strenge schlagen), welche die Wallace-Filme so zeitlos macht. Denn sie kommen nicht daher und wollen uns ernsthaft erschüttern oder betroffen machen, so wie es Reinl immer wieder versucht. Vohrer hingegen lässt uns wissen, wieviel Spaß er beim Inszenieren hatte. Das war sicher ehrlich von ihm und diese Ehrlichkeit ist es, die man in seinen Filmen spürt. Deshalb lassen sich so viele Menschen immer wieder auf Wallace-Filme ein.

Alle diese Aspekte verdienen eine noch viel genauere Untersuchung. Nur so kann man dem Geheimnis des Erfolges der deutschen Wallace-Krimis filmhistorisch fundiert auf die Spur kommen. Die Ergebnisse einer solchen Untersuchung würden meiner Ansicht nach zeigen, dass es Alfred Vohrer war, der die Wallace-Filme unsterblich gemacht hat. Reinl lieferte ihm dafür mit seinen ersten Wallace-Filmen die Steilvorlage. Auf lange Sicht wird deshalb Alfred Vohrer, gleichberechtigt neben Harald Reinl, als einer der erfolgreichsten Regisseure des deutschen Films zu betrachten sein.

Havi17 Offline




Beiträge: 3.761

25.09.2006 18:49
#9 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Danke Sir John für Deine Ausführungen, Du hast es für mich auf
den Punkt gebracht, ich finde es gut, daß Du das Thema Erfolg
so differenziert hast.

Zum Einen den bei der Einspielung und zum Anderen den langfristigen,
die Dinge welche einen Kult-Status erzeugen. Auch die Thematik der
schönen Bilder wo Reinl sicher bei den Winnetou Filmen hervorragend
gearbeitet hat und das Tempo "Vohrer hat ein ausgesprochenes Talent
dafür, die Handlung seiner Filme voranzutreiben" dem stimme ich voll
zu. Man schaut sich einen Vohrer-Film an und wundert sich, daß 90 Min
schon vorüber sind, das ist Antizapping pur.

So muß ich meine Definition von Erfolg aus meinem ursprünglichen Post
präzisieren, Danke Sir John, ich meine damit Erfolg im Sinne von Genre-
Definition und hier ist für mich Vohrer der Inbegriff.


Gruss
Havi17

KlausS Offline



Beiträge: 278

27.09.2006 11:15
#10 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Hallo Sir John,

spiegelt Dein Posting Deine eigene Meinung wieder oder lese ich zwischen den Zeilen "allgemeingültige Thesen"? Wenn ersteres der Fall wäre, habe ich nichts einzuwenden. Jedem steht seine Meinung zu.

Viele Grüße
KlausS

fritz k Offline



Beiträge: 243

27.09.2006 12:27
#11 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

@ Sir John
Tolle Ausführungen, entspricht absolut meiner Ansicht.
@ Klaus S
Sir John beschreibt schon begründete Thesen, d.h. seine Ausführungen sind schon mehr als eine private Meinung. Privat kann natürlich jeder meinen, was er möchte; nur muß man trotz Privatmeinung akzeptieren, daß es darüberhinaus einfach Schlußfolgerungen gibt, die nicht wegzudiskutieren sind. Wenn Objektivität bei Film auch letztendlich relativ bleibt, gibt es doch Wahrheiten, wie z.B., daß ein Film von Hitchcock künstlerisch wertvoller als einer von Franco ist. Auch wenn man trotzdem gerne Franco-Filme sieht.

KlausS Offline



Beiträge: 278

27.09.2006 13:19
#12 RE: Alfred Vohrer und Harald Reinl Zitat · Antworten

Hallo fritz k,

es ging mir da auch weniger um den ersten Teil der Ausführungen, sondern da wir die Vohrer/Reinl-Diskussion schon einige Male hatten, wollte ich mir den Atem sparen und nicht im 5-Monatstakt die Argumente pro-und-contra dieser beiden Regisseure ewig wiederholen, die zwangsläufig zu einigen der Behauptungen kommen müssten.

Viele Grüße
KlausS

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