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Dieses Thema hat 79 Antworten
und wurde 8.714 mal aufgerufen
 Filmbewertungen
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.11.2017 14:40
#61 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten



Louis Weinert-Wilton: Die weiße Spinne


Kriminalfilm, BRD 1963. Regie: Harald Reinl. Drehbuch: Albert Tanner (d.i. Egon Eis) (Romanvorlage, 1929: Louis Weinert-Wilton). Mit: Joachim Fuchsberger (Ralph Hubbard), Karin Dor (Muriel Irvine), Horst Frank (Kiddie Philips), Werner Peters (Sergeant Meals), Dieter Eppler (Anwalt Summerfield), Friedrich Schoenfelder (Sir James), Mady Rahl (Mrs. Falk), Paul Klinger (Inspektor Dawson), Chris Howland (Gideon), Gerd Frickhöffer (Lord Ensfield) u.a. Uraufführung: 5. April 1963. Eine Produktion von Arca-Winston-Film Berlin und Hans-Oppenheimer-Film Berlin im Constantin-Filmverleih München.

Zitat von Die weiße Spinne
Muriel Irvine beklagt das Ableben ihres Gatten, eines gewohnheitsmäßigen Spielers, der den Abend seines Todes im übel beleumundeten Club der 55 verbrachte. Die Versicherung wittert ein abgekartetes Spiel und selbst Scotland Yard schaltet sich ein, als Anzeichen auftauchen, dass Irvine dem Auftragsmörder-Syndikat „Die weiße Spinne“ zum Opfer gefallen sein könnte. Oder ist der Tote womöglich ein anderer und Irvine noch am Leben? Muriel wird von der „weißen Spinne“ unter Druck gesetzt und weiß bald nicht mehr, wem sie noch vertrauen kann. Dem eifrigen Anwalt Summerfield, dem hartnäckigen Sergeant Meals oder gar dem ehemaligen Sträfling Ralph Hubbard?


Mit dem „Teppich des Grauens“ auf Erfolgskurs gegangen, wagte sich Harald Reinl nun sogar noch einen Schritt weiter und schuf mit „Die weiße Spinne“ jene Epigone, die neben dem „Würger von Schloss Blackmoor“ am stärksten an die originalen Edgar-Wallace-Filme erinnert. Dabei ist vom produktionshistorischen Standpunkt aus das Kuriosum anzumerken, dass es sich bei den Louis-Weinert-Wilton-Filmen nicht wie bei Rialto-Wallace, BEW oder Mabuse um eine klar umrissene Serie aus einer Hand handelte, sondern dass LWW den Schmieden dreier verschiedener Produzententeams entsprang: der International Germania Film mit Produktionsleiter Frank Thierry („Teppich“ / „Witwe“), der Arca-Winston / Hans Oppenheimer mit den Produzenten Gero Wecker und Oppenheimer („Spinne“) und der berüchtigten Rapid-Film von Wolf Hartwig. Wecker entschloss sich wie auch bei „Das Wirtshaus von Dartmoor“ für eine stilsichere 1:1-Kopie jener Elemente, die die Wallace-Filme so beliebt gemacht hatten, was gerade in „Die weiße Spinne“ für Spannung und Atmosphäre im Übermaß sorgt.

Dem Film wird oft vorgeworfen, er sei zu voraussehbar, weil seine Täterauflösung sich wie im „Hexer“ auf Maskeraden des Hauptschurken verlässt, ohne ihn dabei jedoch von einem anderen Schauspieler doubeln zu lassen. Natürlich sorgt dieses ungewohnte Fairplay (obgleich unterstützt von gelungenen Nachsynchronisierungen) dafür, dass es dementsprechend einfach erkennbar ist, wer da ein falsches Spiel spielt. Aber dies tut dem Film für mein Dafürhalten kaum Abbruch: Zu viele Ablenkungsmanöver schickte der Wallace-Ur-Drehbuchautor Egon Eis ins Rennen, um die Zuschauer mit kleineren und größeren Rätseln abseits des Weges abzulenken. Ist Richard Irvine noch am Leben? Kooperierte Muriel mit dem Syndikat bzw. welche Verbindungen dazu hatte ihr Mann? Wer steckt hinter dem geheimniskrämerischen Inspektor Conway? Welcher Helfershelfer bediente sich der Haupttäter und wie wird er sich ihrer entledigen? Und hinter wie vielen Masken versteckt er sich überhaupt? Während nämlich einige wirklich leicht zu durchschauen sind, dürfte selbst der gewiefteste Zuschauer vielleicht nicht jede einzelne auf Anhieb erkannt haben. Das Mit-Aufspüren gerät so zur aktiven Involvierung des Publikums und auch der Clou, dass Eis die Täterfigur aus dem Roman gegenüber dem Film veränderte, hatte sich in „Das Gasthaus an der Themse“ bereits als erfolgreicher Kniff erwiesen. Zu guter Letzt gibt sogar das ewige Traumpaar Dor / Fuchsberger Rätsel auf:

Zitat von Norbert Menzel: Die vergessenen Morde des Louis Weinert-Wilton, In: Klugmann, Mathews (Hrsg.): Schwarze Beute 2, Rowohlt 1987, S. 62ff
[Weinert-Wilton] versuchte sich mit allen Mitteln an den Welterfolg von Wallace anzuhängen. [...] Dabei wird auf jedes Mal – ähnlich wie im Zinker und im Hexer mit einer Mehrfach-Identität gespielt. Bei Weinert-Wilton haben stets sowohl der Held als auch der Oberschurke, manchmal sogar die bedrohte Schönheit eine Mehrfach-Identität. Zum Exzess wird das in der weißen Spinne getrieben. Dort haben der Bösewicht eine dreifache [im Film sogar mehrfache, Anm. d. Verf.], die bedrohte Schönheit und der Detektiv je eine doppelte Identität.


Vor allem ihre anfänglichen, beiderseits etwas zwielichtigeren Parts nutzten Karin Dor und Joachim Fuchsberger, um ein unkonventionelles Paar darzustellen. Dass Fuchsberger erst recht spät auf der Bildfläche erscheint, lässt die Verwicklungen, in die Dor gerät, umso schwerwiegender, stellenweise sogar aussichtsloser erscheinen, zumal der Mord an Inspektor Dawson, dem vermuteten Hauptermittler, in der 18. Filmminute Krimifreunde nachhaltig verunsichern wird. Unverhohlen brutale Mord- und Actionszenen, die großteils überaus stimmig gefilmt und ausgeleuchtet sind (man denke vor allem an das Hauptquartier des Chefs im Theaterviertel und den Fenstersturz von Kiddie Philips), unterstreichen die handfeste Inszenierung ebenso wie Verweise auf die Vergangenheit des Verwandlungskünstlers, der nun die Auftragsmörder-Agentur „weiße Spinne“ betreibt. „Der große Falconetti“ erwies sich als so einprägsame Schurken-Figur, dass man sie für den BEW-Film „Das 7. Opfer“ nochmal auferstehen ließ.

Dieter Eppler weiß als schmieriger Anwalt restlos zu überzeugen – die qualitative Diskrepanz zwischen diesem seinem ikonischsten Krimi-Auftritt der Sechzigerjahre, und jenem als überkandidelter Butler in „Der Würger von Schloss Blackmoor“ überrascht insbesondere deshalb, weil in beiden Fällen Reinl für die Schauspielerführung verantwortlich zeichnete. Dem Regie-Routinier gelang mit der „weißen Spinne“ nicht nur die vielleicht stärkste Schwarzweiß-Epigone überhaupt, sondern auch ein besonderer Glanzpunkt unter den eigenen Regiearbeiten (die Original-Reihe eingeschlossen). Das liegt nicht zuletzt auch an der einzigartigen Kombination aus der 1963 auf ihrem Höhepunkt befindlichen cineastischen Sixties-Gemütlichkeit mit dem an frühe Wallace-Krimis erinnernden echten britischen Flair, das trotz Spandau-Lastigkeit der Außenaufnahmen mit geschickten Archivaufnahmen-Einstreuseln, ungewohnt liebevoller Studioausstattung und guter Kostümwahl erzeugt werden konnte.

Hier haben wir es mit einem rundum gelungenen Sechzigerjahrekrimi zu tun. Ein vielschichtiges Drehbuch mit einer schier unüberschaubaren Anzahl von Rätseln und Wendungen füllt die 100-minütige Spielzeit lückenlos, zumal Reinl sich hier in absoluter Top-Form zeigt und auf eine traumhafte Besetzung zurückgreifen konnte (selbst Chris Howland überzeugt). Wahrlich ein verdienter Sieger des Epigonen-Grandprix 2017! 5 von 5 Punkten.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

26.11.2017 14:43
#62 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Louis Weinert-Wilton: Die weisse Spinne (1963)



Regie: Harald Reinl

Produktion: BRD, 1963

Mit: Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Horst Frank, Werner Peters, Dieter Eppler, Friedrich Schoenfelder, Mady Rahl, Paul Klinger, Gerhard Frickhöffer, Chris Howland


Handlung:

Der spielsüchtige Gatte der hübschen Muriel Irvine kommt bei einem Autounfall um's Leben. Seine Witwe bekommt anschließend Probleme mit der Versicherungsgesellschaft und wird neben dem Mordverdacht, in den sie unverhofft gerät, auch noch mit der Frage konfrontiert, ob ihr Gatte tatsächlich tot ist. Eine heiße Spur führt zu dem dubiosen Spielsalon "Klub der 55" und zu einem geheimnisvollen Verwandlungskünstler namens Falconetti, dessen wahres Gesicht niemand kennt und der gerne mit einer heimtückischen Drahtschlinge mordet. Sein Markenzeichen scheint eine kleine weiße Spinne zu sein und sein "Handels-Produkt" ist der "Tod auf Bestellung"...

Anmerkungen:

Nachdem Harald Reinl mit dem "Teppich des Grauens" einen ungewohnt schwachen Start der Louis-Weinert-Wilton-Reihe ablieferte, fand er spätestens hier wieder zu seiner üblichen Form zurück. Erneut sind viele bekannte Gesichter aus den Edgar-Wallace-Filmen präsent und es ist diesmal auch kein qualitativer Unterschied zur "Mutter-Reihe" mehr spürbar. Peter Thomas recht schwungvolle, aber sehr passende, Titelmelodie und Dieter Eppler als einäugiger Glatzkopf liefern schon mal einen angebrachten Einstieg, der auf ein handwerklich gelungenes Krimi-Abenteuer hoffen lässt - und man wird dabei auch nicht enttäuscht.

Die Kameraarbeit und die Auftritte Falconettis in allen möglichen Verkleidungen machen diesen Reinl-Film zu einem wirklich sehr unterhaltsamen Vergnügen. Und das, obwohl er mit dem "Whodunit" auch beim allerbesten Willen nicht punkten kann. Wer einigermaßen mit dem Genre vertraut ist, wird Dieter Eppler in den diversen Masken natürlich sofort erkennen. Lediglich bei seinen Auftritten als alter Mann und alte Frau wird man anfangs doch hinter's Licht geführt. Besonders bei Letzterer darf man annehmen, dass sie gar nicht von ihm gespielt wurde. Am besten wirkt er als Mr.Corner, Manager des "Klub der 55". Augenklappe, Glatze, das starre Gesicht, die tiefe sonore Stimme, unterstrichen von einem selbstsicheren Auftreten, machen die Figur für das Genre besonders wirksam. Dieter Eppler hat diese Gelegenheit, eine größere Rolle zu bekleiden, wirklich am Schopfe gepackt und seinem schauspielerischen Potential uneingeschränkt freien Lauf gelassen. Es ist anzunehmen, dass ihm gerade dieser Film wohl besonders großen Spaß gemacht haben muß.

Horst Franks Kiddie kann sich als ersklassiger Klaus-Kinski-Ersatz übrigens auch sehen lassen. Zu bemängeln gib es lediglich, dass sehr viele Aufnahmen im Freien überbelichtet erscheinen, was etwas schade ist. Ferner passen Schatten und Stimme des "gesichtslosen" Inspektor Conway ganz und gar nicht zu der Person, als die er sich schließlich entpuppt. Chris Howlands humoristischer Part ist recht dezent angelegt, was sich angenehm auswirkt.

Ansonsten ist der Film viel runder, klarer strukturiert und nicht so wirr, wie der "Teppich des Grauens", was natürlich durch das wesentlich bessere Drehbuch bedingt ist. Kampf- und Actionszenen sind flott und professionell inszeniert. Nach dem Motto "viele Köche verderben den Brei" ist es offensichtlich von Vorteil, dass man von einer Co-Produktion wieder zu einem rein deutschen Film zurückgekehrt ist.

Fazit:

Als einer der besten Wallace-Epigonen reiht sich die "Weiße Spinne" mühelos in die Riege der qualitativ gehobenen Filme des deutschen Sixties-Krimi-Genres ein und ist ein Film der Freude macht. Es handelt sich hierbei auch um den Höhepunkt der Louis-Weinert-Wilton-Reihe. Gute 4 von 5 Punkten.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

26.11.2017 15:24
#63 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Zitat von patrick im Beitrag #62
Zu bemängeln gib es lediglich, dass sehr viele Aufnahmen im Freien überbelichtet erscheinen, was etwas schade ist.



Habe mir grade sagen lassen, dass die Überbelichtung ein Fehler bei der DVD-Umsetzung ist. Das macht den Kritikpunkt natürlich ungültig. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es damals im Fernsehen aussah.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

26.11.2017 15:30
#64 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Das Problem betrifft auch den "Teppich des Grauens". In beiden Filmen sind teilweise extreme Helligkeits- und Kontrastschwankungen zu bemerken; definitiv Schwachpunkte der sonst recht soliden Filmjuwelen-Umsetzung.

Georg Offline




Beiträge: 3.259

01.10.2018 19:27
#65 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Nachdem dieser Film hier im Forum ja so weit oben rangiert mal eine Frage... Zweifellos ist der Film ein Highlight der Epigonen, schauspielerisch, dramaturgisch und weitgehend inszenatorisch fehlt ihm nichts. Die Musik ist Klasse, die Locations stimmen und der Humor passt.
Aber - was mich jetzt auch wieder beim Wiedersehen störte: die Identität der 'Spinne' ist doch selbst für den ungeschulten Seher recht rasch klar, weil das Maskenspiel des Täters zwar gut, aber doch eindeutig ist und man stets erkennt, wer darunter steckt. Das schmälert doch das Sehvergnügen für mich ein wenig. Bei einer Romanlektüre kann man das noch gut 'übersehen', aber in einem Film hätte man sich vielleicht irgendwie anders (ich weiß aber auch nicht wie) behelfen können. Dem Kinopublikum von damals muss doch auf der großen Leinwand auch recht rasch klar gewesen sein, dass viele Figuren von EINEM Darsteller gespielt werden.
Im Falle der alten Frau hat man sich ja dann doch nicht getraut, den männlichen Darsteller als solche agieren zu lassen, sondern man hat dafür eine Darstellerin genommen, die erst später zum Verkleidungskünstler wird.

Geht es denn keinem der Spinne-Fans hier so? Stört Euch dieses für einen Krimi doch nicht unwesentliche Detail überhaupt nicht?

P.S.: Noch ein Regiefehler, der mir aufgefallen ist: am Ende entdeckt die Polizei die Utensilien, die der Täter zur Verkleidung benützt hat, darunter auch eine Schnur, die der Mönch als Gürtel trägt. In der nächsten Einstellung hat der Täter genau diese Verkleidung an - samt Schnur, die gerade vorhin von Scotland Yard gefunden wurde!

Ray Offline



Beiträge: 1.929

01.10.2018 21:15
#66 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Klar ist das ein wesentlicher Punkt und deshalb ist es m.E. auch ein bisschen zu viel der Ehre, "Die weiße Spinne" als besten Stilverwandten anzusehen, da sind "Der Würger von Schloss Blackmoor", "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" und der hier im Forum nicht ganz so geschätzte "Hotel der toten Gäste" für meine Begriffe im Gesamtpaket besser.

Dennoch muss man natürlich auch sehen, dass dieser Makel ab der zweiten Sichtung nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, denn dann weiß man bei den Konkurrenz-Filmen i.d.R. auch noch, wer der Mörder bzw. der "Boss" ist. Was mich da eher noch stört, ist, dass sich der Film gefühlt zu 70% in der Gasse vor dem Club bzw. im Club abspielt, da fehlt mir in Sachen Drehorten ein bisschen die Varianz. Z.T. sehen die Kulissen auch ein bisschen billig bzw. lieblos aus. Trotzdem würde ich den Film zu den 5-6 besten Stilverwandten zählen.

schwarzseher Offline



Beiträge: 626

02.10.2018 10:59
#67 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Wenn die Verwandlung/Maske sich am wirklichen Schauspieler vollzieht bleibt es wohl nicht aus das es etwa "durchsichtig " wird .Da wird der Zuschauer ja auch irgendwie wissend mitgenommen.Andernfalls bleibt nur das Kostüm ( zB. Frosch usw.)oder die geniale angedeutete Verwandlung bei Fantomas und dann das agieren der "echten" Person mit absichtlichen kleinen Abweichungen.
Aber das "verkleiden "von bekannten Schauspielern wird wohl immer mit dem "aha.....oder "wieso sieht das keiner " der Zuschauer einher gehen.
Um etwas glaubwürdiger zu sein würde ich eine Maske immer vorziehen. Auch da darf man natürlich nicht ins Detail gehen ( Frosch und dann der dazugehörige Schauspieler )
Aber was solls.........

Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

02.10.2018 13:57
#68 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Natürlich stellt man als Zuschauer sofort eine Verbindung zwischen dem Clubmanager und der maskierten "weißen Spinne" her. Es fällt auf, dass es sich hier um den selben Mann handelt. Was jedoch die weiteren Verkleidungen des Verbrechers angeht (Father Riley, die alte Dame im Büro und der Anwalt Summerfield), liegen die Dinge nicht so klar. Diese Masken sind meines Erachtens recht gelungen und überzeugend und verleihen dem Verwirrspiel einen gewissen Charme.

patrick Offline




Beiträge: 3.245

02.10.2018 21:34
#69 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Zitat von Georg im Beitrag #65

Geht es denn keinem der Spinne-Fans hier so? Stört Euch dieses für einen Krimi doch nicht unwesentliche Detail überhaupt nicht?

P.S.: Noch ein Regiefehler, der mir aufgefallen ist: am Ende entdeckt die Polizei die Utensilien, die der Täter zur Verkleidung benützt hat, darunter auch eine Schnur, die der Mönch als Gürtel trägt. In der nächsten Einstellung hat der Täter genau diese Verkleidung an - samt Schnur, die gerade vorhin von Scotland Yard gefunden wurde!


Eher nein, da ich denn Film nicht sosehr als Whodunit betrachte. Ich sehe die Wallace-Filme und die besseren Stilverwandte als kleine Kunstwerke mit ihrer typischen Atmosphäre und charakteristischen Merkmalen. Wenn das bedient wird, bin ich rein unterhaltungstechnisch zufrieden. Freilich setzt ein guter Whudunit dem ganzen die Krone auf und wertet ein Wallace-Filmchen dann noch mehr auf. Drum gehören Filme wie Frosch und Henker zu meinen absoluten Lieblingen. Aber bei echter Wallace-Atmosphäre kann ich auch ohne Whudunit gut leben.

Solche Regiefehler gibt es in nahezu allen Filmen und das macht auch nichts. Da fällt mir die Unterwasser-Szene im Bond-Film Feuerball ein, wo Connery die Tauchermaske eines zu Tode Harpunierten aufsetzt und in der nächsten Einstellung wieder seine ursprüngliche auf hat. Viele Fans laben sich ja daran, solche Feinheiten zu entdecken.

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

03.10.2018 08:36
#70 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Die Kritik an der Erkenntlichkeit der Masken scheint mir doch etwas generalisiert. Wie auch @Percy Lister würde ich davon ausgehen, dass man zwar manche, aber eben nicht alle Verkleidungen auf Anhieb erkennen kann, z.B. den Pater oder den Hausmeister. Ich kann auch @Ray und @patrick zustimmen: Der Whodunit ist bei so zentralen Wallace-Filmen oder -Epigonen, die man nicht nur alle paar Jahre sieht, um sich dann wieder aufs Neue überraschen zu lassen, sondern die man praktisch wie seine Westentasche kennt, eh nur beim ersten Sehen relevant. Meine Sicht hatte ich auch bereits in der ausführlichen Besprechung dargelegt:

Zitat von Gubanov im Beitrag #61
Dem Film wird oft vorgeworfen, er sei zu voraussehbar, weil seine Täterauflösung sich wie im „Hexer“ auf Maskeraden des Hauptschurken verlässt, ohne ihn dabei jedoch von einem anderen Schauspieler doubeln zu lassen. Natürlich sorgt dieses ungewohnte Fairplay (obgleich unterstützt von gelungenen Nachsynchronisierungen) dafür, dass es dementsprechend einfach erkennbar ist, wer da ein falsches Spiel spielt. Aber dies tut dem Film für mein Dafürhalten kaum Abbruch: Zu viele Ablenkungsmanöver schickte der Wallace-Ur-Drehbuchautor Egon Eis ins Rennen, um die Zuschauer mit kleineren und größeren Rätseln abseits des Weges abzulenken. Ist Richard Irvine noch am Leben? Kooperierte Muriel mit dem Syndikat bzw. welche Verbindungen dazu hatte ihr Mann? Wer steckt hinter dem geheimniskrämerischen Inspektor Conway? Welcher Helfershelfer bediente sich der Haupttäter und wie wird er sich ihrer entledigen? Und hinter wie vielen Masken versteckt er sich überhaupt? Während nämlich einige wirklich leicht zu durchschauen sind, dürfte selbst der gewiefteste Zuschauer vielleicht nicht jede einzelne auf Anhieb erkannt haben. Das Mit-Aufspüren gerät so zur aktiven Involvierung des Publikums und auch der Clou, dass Eis die Täterfigur aus dem Roman gegenüber dem Film veränderte, hatte sich in „Das Gasthaus an der Themse“ bereits als erfolgreicher Kniff erwiesen.

Man sollte sich nicht zuletzt fragen: Was wäre denn die Alternative gewesen? Dass Falconettis Rollen wie bei "Hexer" oder "Fantomas" von anderen Schauspielern gespielt werden? Das wäre in diesem Fall kaum aufgegangen, weil der Täter sich so vieler Identitäten bedient und obendrein nicht einmal mit seiner einen großen charakteristischen "Hauptmaske" (der des Clubbesitzers) enttarnt wird. Folglich wäre es ohne konstruierte Erläuterungen oder Geständnisse letztlich überhaupt nicht nachvollziehbar gewesen, wer alles "echt" und wer nur ein Alias von Falconetti war. Zudem wäre diese Herangehensweise auch ein Stückweit unfair gegenüber dem Zuschauer gewesen, der laut klassischer Krimiregeln eigentlich immer ein Anrecht darauf hat, die Indizien zum Erraten des Täters während des Lesens / Sehens offen dargelegt zu bekommen.
Zitat von Georg im Beitrag #65
P.S.: Noch ein Regiefehler, der mir aufgefallen ist: am Ende entdeckt die Polizei die Utensilien, die der Täter zur Verkleidung benützt hat, darunter auch eine Schnur, die der Mönch als Gürtel trägt. In der nächsten Einstellung hat der Täter genau diese Verkleidung an - samt Schnur, die gerade vorhin von Scotland Yard gefunden wurde!

Netter Fund. Hoch lebe das Ersatz-Zingulum!

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 643

04.08.2020 18:30
#71 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Der Film Die weiße Spinne – man nehme eine Romanvorlage eines Autors, der ganz offensichtlich bemüht war, den Stil des von ihm verehrten Edgar Wallace zu kopieren, und füge das Ganze in eine lose Reihe von Filmen ein, die die sehr erfolgreiche Edgar-Wallace-Welle nachzuahmen versuchte. Herausgekommen ist eine erstaunlich gute Epigone, die den besten Vertretern der Original-Filmreihe in nichts nachsteht. Liegt vielleicht auch daran, dass Weinert-Wiltons Erstling noch besonders stark von Wallace’ Schreibe inspiriert ist, die liebenswert-naive Handlung ist vollgestopft mit Klischees des bewunderten Thriller-Kings.
Bei näherer Sicht hat man auch überraschend viel aus dem Buch in den Film übernommen. Das Hauptmotiv, der Mörder mit der Drahtschlinge, der unter verschiedenen Identitäten auftritt, ist vorhanden. Ebenso etwa der Mordanschlag mit dem Wurfmesser auf die weiße Hemdbrust des sinistren Kommissar Conway oder auch später die Schießerei unter Mitwirkung von Mr. Hubbart im «Grünen Salon» des Spielclubs, wobei der Kamin eine große Rolle spielt. Die ehemals bezaubernde heißblütige und nun frustrierte alternde Gattin des Haupttäters kommt in einer ähnlichen Rolle im Film vor, auch der einäugige Ganove Connor (ein echter Wallace-Name) sowie der Rechtsanwalt Summerfield, wenngleich die dort kurzerhand von dem Darsteller der «weißen Spinne» vereinnahmt wurden. Oder ein Mann namens Lewis, der unter geheimnisvollen Umständen im Spielclub erhängt vorgefunden wurde, ähnlich wie der Steward im Film. Sogar den schweigsamen Sergeanten Gibbs als einzigen Vertrauten von Conway lässt man auftreten. Natürlich gibt es auch jede Menge Abweichungen, die man sogar als «Modernisierung» begreifen kann und die größtenteils gelungen sind. Aus dem «Club der 77» ist aus irgendwelchen Gründen eine Schrumpfung auf «55» erfolgt. Mrs.Irvine ist nicht mehr die Inhaberin eines Warenkaufhauses, sondern nur noch Angestellte einer karitativen Vereinigung mit einem Herz für reuige Sünder. Wobei Ralph Hubbart kein korrekter Mitarbeiter von Mrs. Irvine mehr ist, sondern einen viel zwielichtigeren Part als vorbestrafter Herzensbrecher hat, der nicht unbedingt mit Leib und Seele bei seiner neuen ehrlichen Arbeit dabei ist. Richard Irvines Rolle war ein wenig anders, er hauchte sein nichtsnutziges Leben erst gegen Ende aus, wenngleich es nie so hitchcock-mäßige Botschaften in der Wohnung seiner Ehefrau gegeben hat. Die größte, aber auch stimmigste Abweichung ist wohl die Umfunktionierung der weißen Spinne zum «Mördersyndikat», die eine bessere Erklärung für die ganze Sache gibt als die nebulösen Argumente im Buch. Dass die mörderische Hauptfigur des Romans im Film nur eine Nebenrolle auf Seiten der Schurken zugewiesen bekommt, während das Syndikat ja quasi ein Ein-Mann-Unternehmen unter vielen Identitäten ist, kann man schon als sehr starke und freizügige Ausweitung des Stoffes deuten. Hinzugekommen ist die Figur des Sittlichkeitsverbrechers und Schergen des Bösen, Kiddie Phelps, während man die mannstolle Geschäftsführerin Mrs. Babberly aus dem Roman unter den Tisch hat fallen lassen (Eigentlich schade, die wäre ja dann dem Blacky unentwegt auf die Pelle gerückt…).

Die Garde der Schauspieler tut ihr Bestes. Immer wieder schön. Das Krimi-Traumpaar Joachim Fuchsberger und Karin Dor ist nun mal Kult, ihr Spiel macht immer wieder Freude. Chris Howland als Eddi-Ersatz war auch schon einiges schlimmer gewesen. Horst Frank anstelle von Kinski kommt wirklich ekelhaft fies rüber. Sein Fenstersturz sieht -im ersten Moment- viel professioneller aus als der von Kläuschen bei den toten Augen. Doch auch hier sieht man einen derben Fehler, die Puppe sollte mit dem Kopf nach hinten auf dem Bauch landen, während der echte Darsteller dann mit dem Kopf zur Kamera auf dem Rücken liegt.
Für Dieter Eppler war es wohl so etwas wie die Rolle(n) seines Lebens. Bei aller Unsinnigkeit, aber die vielen Verkleidungen finde ich sehr gelungen. Als ich den Film vor langer Zeit mal irgendwann spätabends im ZDF gesehen habe, ist mir das gar nicht aufgefallen. Zumindest den alten Hausmeister oder auch Pater Reilly erkennt man nicht auf den ersten Blick, wobei mir der Gangster Connor immer noch am besten gefällt, so ein richtig feiner Klischee-Schurke. Damals war der Film aber auch nicht so überblendet, so dass man hinter den Lampen auf Conway Schreibtisch wirklich nur eine dunkle Silhouette mit dem weißen Hemd gesehen hat.
Tatsächlich kann man hier aber sehen, wie schwierig es ist, sich wirksam zu verkleiden. Das wird in vielen Kriminalromanen mal so lapidar erwähnt, Holmes etwa tritt in vielen Identitäten auf. Auch in Agatha Christies erstem Krimi verkleidet sich eine Frau als Mann, den es zudem auch noch in echt gibt, und das soll keinem auffallen…? Dabei ist es sehr schwierig, wie man sieht.
Werner Peters als unterwürfiger Sergeant Meals mit dem schlechten Charakter und der einzigartigen Scotland-Yard-Karriere entspricht schon seiner literarischen Figur, mit der bewussten großen Ausnahme.

Mit der Logik der Geschichte ist es genauso wenig ernst wie bei den richtigen Wallaces. Viele arge Fehler sind ja schon genannt worden. Generell ist es unglaubwürdig, an wie vielen Stellen sich die «weiße Spinne» kurz nacheinander in unterschiedlichen Identitäten aufhält, der Mann scheint überall gleichzeitig zu sein, besonders wenn man bedenkt, dass er sich zum Umkleiden ja jedes Mal in sein Quartier im alten Theater in der Mitte des «Spinnennetzes» zurückzieht. Die letzte Verkleidung als alte Frau, die dem Maulwurf beim Yard ihre Befehle gegeben hat, ist auch unpassend, da sie ja im Gegensatz zu den anderen Identitäten auch noch mal als reale Person, also im Prinzip doppelt, auftritt. Wenn man da weiter überlegt, sieht man, wie unlogisch das Ganze ist. Die Frau ist wirklich echt, erst später bei der Balgerei wird sie gegen einen Mann eingetauscht. Irgendwie erinnert das an die dritte Folge der französischen Fantomas-Serie von 1980, wo es auch so eine unangenehm wirkende alte Frau gab, hinter deren Maske sich dann auch der allbekannte Bösewicht verbarg.
Außerdem ist der Zusammenhang auf der Strecke geblieben, wieso man plötzlich Kiddie Phelps und Lord Ensfield polizeilich sucht. Wegen des Zahnstochers am Ort der getöteten Erbtante ? Irgendwie doch nur ein schwaches Indiz, man ging ja offiziell außerdem nur von einem Unfall aus ?
Außerdem ist es auch wenig sinnvoll, wenn sich das Ehepaar Irvine wild streitet, der Mann im Spielclub ein letztes Mal alles auf eine Karte setzen will und sich sonst droht umzubringen, und seine Frau schläft später seelenruhig im Bett und tut ganz überrascht, dass ihr Gatte gar nicht neben ihr liegt… Usw. usw.

Alles in allem bleibt wohl ein Film übrig, der sehr viel Flair hat, mit den üblichen Überdrehungen und Unwahrscheinlichkeiten, doch auch durch die recht drastischen Drahtschlingenmorde mitunter ziemlich brutal wirkt und sehr spannend ist. Volle Punktzahl !

Count Villain Offline




Beiträge: 4.615

27.08.2020 12:51
#72 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Zitat von Dr. Oberzohn im Beitrag #71
Außerdem ist der Zusammenhang auf der Strecke geblieben, wieso man plötzlich Kiddie Phelps und Lord Ensfield polizeilich sucht. Wegen des Zahnstochers am Ort der getöteten Erbtante ?


Speichelreste am Zahnstocher? DNA-Analyse? Abgleich mit bereits vorhandenen Proben Kiddies? Die Forensik der 60er war schon ziemlich weit.

Dr. Oberzohn Offline



Beiträge: 643

27.08.2020 14:43
#73 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Natürlich - eine Topp-CSI-DNA-Spektralanalyse der 60er, die direkt zum Täter führt, ein Fallbeispiel für jede Kriminalistik-Anthologie, legendär als der "Weise-Spinnen-Fall", direkt hinter dem Ruxton-Zykopenaugen-Fall der Dreißiger aufgeführt...
Aber mal im Ernst, so weit ich weiß, konnte man da nur aus dem Speichel die Blutgruppe bestimmen - immerhin was. Wahrscheinlich lief da im Hintergrund beim geheimnisvollen Captain Conway eher die übliche Sherlock-Holmes-Masche - die Zahnstocher von Kiddie Phelps bestanden aus einem ganz besonderen Holz eines madagassischen Baumes, der nur in einem einzigen Geschäft in ganz London verkauft wurde, im letzten Jahr nur an drei Leute, von denen einer im Gefängnis saß, der andere der Premierminister war und zur Tatzeit gerade eine Oberhaussitzung hatte, so dass als Dritter nur Kiddie übrigblieb...

Count Villain Offline




Beiträge: 4.615

27.08.2020 17:25
#74 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Okay, der Punkt geht an dich. Diese Erklärung ist viel einleuchtender.

DanielL Offline




Beiträge: 4.154

27.08.2020 20:23
#75 RE: Bewertet: "Die weiße Spinne" (1963, LWW 2) Zitat · Antworten

Hmm... Ich denke Kiddie Phelips wird von Anfang an überwacht, immerhin hat sich Conway ja sicher nicht grundlos nach Dartmoor eingeschleust und scheint sich seitdem für ihn zu interessieren. Um als Hubbard bei Mrs. Irvine aufzuschlagen, hätten immerhin entsprechende Entlassungspapiere gereicht. Kiddie erkennt ihn jedoch wieder und wundert sich, dass er schon "draußen" sei. Er war also tatsächlich als Hubbard in Dartmoor. Das Kiddie nicht vorher einkassiert wird, dürfte dann Taktik sein, um weiteres über Hintermänner zu erfahren. Als Lord Ensfield im Club auftaucht und den Chef sprechen will, ist Hubbard anwesend. Wenn dann kurz darauf die Tante das Zeitliche segnet, ist der Fall doch eigentlich einigermaßen klar. Fraglich finde ich eher, warum der "Kunde" dann am Ende eigentlich auch Fluchthelfer ist. Aber da hat die Spinne dann wohl einfach die aktuellen Kontakte entsprechend genutzt...

Gruß,
Daniel

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