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Dieses Thema hat 410 Antworten
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 Filmbewertungen
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Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

08.08.2008 15:19
#136 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten


Das Geheimnis der grünen Stecknadel
Cosa avete fatto a Solange? / What have you done to Solange?




Gestern einmal wieder gesehen und folgende Meinung gebildet:

- Darsteller:
Die gelungene Mischung aus bekannten, deutschen Gesichtern und frischen italienischen Einflüssen macht für mich den Reiz der Besetzung von "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" aus. Joachim Fuchsberger in seinem letzten Wallace-Auftritt wäre zunächst besonders hervorzuheben. Vielleicht ist es das einzige Mal, dass er sich nicht selbst spielt. Er wirkt seriöser, routinierter und damit wahrscheinlich auch ein Stückchen glaubhafter als seine vorherigen Ermittler; nicht gealtert, sondern gereift. Er agiert im Film, als wolle er zeigen, welche "kriminalistische Erfahrung" bereits in ihm steckt - ein echter Profi also, dessen andere Auftritte Lehrstunden waren für diese Darstellung. Pauer attestiert dann: Fuchsberger fühlte sich in seiner Rolle sichtlich unwohl. Fuchsberger selbst: Ich war froh, dass ich zu einer Zeit aufgehört habe, als die Edgar-Wallace-Filme ihren wirklichen Höhepunkt hatten. Zwei sehr interessante Statements - eines auf Ablehung von Giallos im Wallace-Kostüm, eines wohl auf Unwissen oder Vergesslichkeit basierend.
Karin Baal als weibliche Hauptrolle in ihrem dritten und besten Auftritt bei Wallace. Zwar gab sie bereits als Nora Ward, ebenfalls mit Fuchsberger in einem Film, eine hervorragende Darstellung, konnte aber nach dem rollenbedingten Durchhänger im "Hund von Blackwood Castle" noch einmal zu voller Leistung auffahren. Günther Stoll in der einzigen Rolle, in der ich ihn passend finde. Rainer Penkert glaubhaft, Claudia Butenuth ebenfalls.
Auf der italienischen Seite sind zwei Parts besonders hervorzuheben. Erstens Fabio Testi als Verdächtiger, der die für Giallos offenbar recht typische Rolle des privaten Ermittlers übernahm und sie auf voller Länge ausfüllte. Auch wenn mir persönlich ein professioneller Detektiv lieber ist, so kann ich mich doch hier mit dem aus eigenen Interessen zur Nachforschung getriebenen Amateur gut anfreunden. Die zweite beeindruckende Darstellerleistung ist die der in Spanien geborenen Christine Galbo, welche die bedachtere der Schülerinnen, die es gleichsam geschafft hat, den Schwarm Enrico an sich zu binden, mit bedrückender Natürlichkeit gibt. Erst als sie "aus dem Weg geschafft ist" (wahrscheinlich der einzige Mord, um den es dem Zuschauer in der Betrachtung im Nachhinein irgendwie leid tut), ist es für Herta und Enrico wieder möglich, nach der Zeit der emotionalen Trennung wieder zueinander zu finden.



- Regie:
Massimo Dallamano beweist von Anfang an Gespür für extreme atmosphärische Dichte. Schon in der ersten Szene, in der sich Enrico und Elizabeth in einem Boot lieben, klingt eine ungemütliche, beinahe verstörende Stimmung auf, die sich auch durch die übrigen Liebesszenen dieses Paares zieht. Man symbolisiert die ungehörige Leidenschaft und das Verbotene hierbei als etwas Unangenehmes.
Die Drehorte, bis auf eine (leider dadurch hervorstechende) Szene in und um London befindlich, verleihen dem Spiel der Akteure in Verbindung mit der Inszenierung eine nachhaltige Wirkung. Dazu tragen auch viele gedankliche und erzählte Rückblenden bei, die der Handlung einen plastischen Eindruck verleihen und die Spannung stark unterstützen. Die Alpträume von Elizabeth, die Erinnerungen Enricos und das Geständnis Brendas sind wichtige Elemente, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehen und ihr somit nicht nur Stringenz, sondern auch Kontinuität verleihen.
Jede Szene erfüllt ihren Sinn, keine wurde aus reinem Spaß an der Freude in den Film integriert, wenn man vielleicht einmal von der Aufregung des Hauseigentümers über Priester absieht. Sogar die Duschszenen sind nicht nur um ihrer selbst willen enthalten; nicht einmal der Ort der Handlung ist willkürlich gewählt, wird doch später enthüllt, dass der größte Moralapostel des Lehrkörpers selbst... - Filmkenner wissen, wie es weitergeht.

- Drehbuch:
Wie es für Giallos typisch ist, wartet das Drehbuch mit einer von vorn bis hinten logischen Geschichte auf. Keine Ungereimtheiten wie bei den alten Schwarzweißproduktionen, keine wichtigen offenen Fragen und keine unbeendeten Handlungsstränge. Durch das Drehbuch wird eines der wichtigsten Merkmale der vorherigen Wallace-Filme, nämlich die Nichtorientierung an der Realität, verworfen. Zwar ist es sicherlich nicht zu einhundert Prozent wahrheitsgemäß, dass die Schülerinnen von englischen Privatschulen bisexuelle Nymphomaninnen sind, aber durch das Zusammenspiel von Script und Inszenierung wirkt es auf den Zuschauer vollkommen glaubhaft - vor allem durch die Zeit, in der die Geschichte spielt.
Den Morden wird verhältnismäßig viel Platz eingeräumt. In bester Giallo-Manier wird meistens spektakulär draufgehalten, anstatt der Fantasie des Zuschauers die Verbildlichung der brutalen Verbrechen zu überlassen. Auch wenn das Drehbuch vorgibt, dass die Befragung eines Mitwissers beim Fotografieren eines Nacktmodells stattfindet, muss man das entweder akzeptieren oder pikiert wegschauen.



- Kamera:
Mit dem Licht spielende Einstellungen, die nicht den Eindruck einer Filmkamera, sondern einer lebendigen Perspektive vermitteln, dominieren den Film. Zu Beginn in unzählige Farbvariationen aus saftigem Grün gekleidet, entwickelt sich der Film immer mehr zu einem optisch-farblichen Genuss mit typischer 1970er-Jahre-Atmosphäre. Die Farben sind Bestandteil der Bildkomposition, ohne dabei den Inhalt zu zerstören; im Gegensatz: Sie bereichern ihn. Da ist es kein Zufall, dass der Professor beim Wiedersehen mit seiner Tochter rote Äpfel auf den Fußboden fallen lässt; dass sich das Treffen von Brenda und Solange auf einem farbenfrohen Rummelplatz abspielt, der der Tragik der Ereignisse zu trotzden scheint; dass der Inspektor ein grünes Hemd trägt und dass die Wohnung des Mörders und die Folterstätte Brendas in einem so auffälligen Kontrast zu einander stehen.

- Musik:
Ebenso wie die Kamera beeinflusst die Musik das Filmempfinden stark. Wie in keinem anderen Edgar-Wallace-Film wirkt sich die musikalische Untermalung so direkt auf die Spannung aus und unterstützt die von Regisseur und Kameramann geschaffenen Impressionen. Alles fügt sich nahtlos zusammen zu einem Gesamtwerk, dessen Leitmotiv ebenso mitreißend ist wie die ohrwurmhafte Melodie der Titel- und Schlussmusik.



- Gesamtwirkung:
Wer Giallos mag, findet hier einen ansprechenden Film dieses Genres, das die Spätphase der Edgar-Wallace- und Bryan-Edgar-Wallace-Filme in nicht zu unterschätzendem Maße prägte.

In fast jedem den Film betreffenden Post lese ich das Prädikat: Vollkommen untypisch! Doch dem ist nicht so, wenn man sich die Mühe macht, sich die Zahlen einmal genauer anzusehen. Nimmt man die Filme der Reihen von Vater und Sohn zusammen, so sind insgesamt acht von 46 Filmen internationale Koproduktionen der späten 1960er- und frühen 1970er Jahre - Giallos, Psychokrimis und spanische Möchtegernfilmchen. Bei einem oder zwei Filmen von "untypisch" zu sprechen, mag korrekt sein, bei dreien ist es schon zweifelhaft, aber bei acht Filmen, was einem Anteil von beinahe 20 Prozent der Filmgesamtanzahl entspricht, ist es schlichtweg falsch.
Natürlich entsprechen sie nicht dem Wort oder dem Geist der Vorlagen von Edgar Wallace, aber dieses Merkmal trifft auch bereits auf Filme der Vohrer-Farbphase oder sogar auf einen nicht unbeachtlichen Teil der Schwarzweißproduktionen zu. Im Vergleich zu Wallace-Romanen müsste man diese dann als ebenso untypisch einstufen, im Vergleich zur Wallace-Reihe jedoch sind sie nichts weniger als das. Warum also nicht Giallos über eine Moderscheinung des damaligen Kinos hinweg auch als gleichwertigen Bestandteil der Wallace-Filmserie akzeptieren?

Also: 5 von 5 Punkten für den vielleicht besten Film der Wallace-Reihe.

DVD-Umsetzung



DVD-Produktionsland: Italien
DVD-Label: IIF Italian International Film Home Video, 01 Distribution
Sprachen: Italienisch, Englisch
Untertitel: Italienisch für Hörgeschädigte, Englisch
Bildformat: 2,35:1 (16:9)
Bonus: Bildergalerie mit Filmscreenshots; Filmtrailer und Werbetafel zu diesem und anderen Filmen; Bildergalerie mit Werbematerialien; Inhaltsbeschreibung in zwei Sätzen; Cast und Crew in unvollständigen Angaben; Biografie Fabio Testi; Filmografien Fabio Testi, Massimo Dallamano, Christine Galbo; DVD-Credits (alle Texttafeln je maximal 8 Zeilen)


Link mit näheren Informationen zur DVD

Die DVD von Italian International Film Home Video bietet ein grandioses und mit Sicherheit aufwendig restauriertes Bild sowie die vom Regisseur beabsichtigte Originalfassung des Films "Cosa avete fatto a Solange?". Somit stellt sie für den Filmfan die optimalste DVD dar. Keine der anderen weltweit veröffentlichten Fassungen kann in puncto Bildqualität mit ihr mithalten.
Der italienische Ton ist vollkommen in Ordnung und beschert (für nicht italienisch Sprechende mit englischen Untertiteln) das wohl reinste Vergnügen dieses Films. Leider kann man den englischen Ton der DVD vergessen. Er wurde durch einen Hall vollkommen unanhörbar gemacht und ist somit nicht als akzeptabel zu bezeichnen.
Die Extras auf der DVD sind mager. Allein der englische Trailer und die Werbematerialien sind einen Blick wert; alles übrige ist substanzlos.

Also: 3,5 von 5 Punkten für hervorragendes Bild, guten Originalton und englische Untertitel, aber auch für einen miesen englischen Ton und "suboptimales" Bonusmaterial.

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Reinhard Offline



Beiträge: 1.373

08.08.2008 16:02
#137 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten
Ich finde es ja sehr bemerkenswert, wie du deine Meinung über den Film leicht, aber signifikant geändert hast. Als du hier eingestiegen bist, warst du imo noch eher ein echter Hardcore-Fan der "klassischen" Wallace-Filme, dass du jetzt schreibst "5 von 5 Punkten für den vielleicht besten Film der Wallace-Reihe." zeigt doch, wie schnell man sich ver- und seinen Geschmack -ändert, es ist immer wieder faszinierend zu beobachten.

Den Film sehe ich inzwischen überhaupt nicht mehr als Wallace, da gibt es schon Gialli, die bedeutend stärker in die Wallace-Kerbe schlagen, z. B. "Sieben Jungfrauen für den Teufel", "Sieben Tote in den Augen einer Katze", "Die Farben der Nacht", "Blutspur im Park", "Das Grauen kam aus dem Nebel"...
Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

08.08.2008 18:28
#138 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten

Kein Wunder, daß der Film nicht in die Edgar-Wallace-Reihe paßt. Der Name Wallace war eben immer noch ein Zugpferd und wurde eben in Deutschland dafür "ausgenutzt", obwohl der Film im Prinzip nichts mit Edgar Wallace zu tun hat.

Joachim Kramp Offline




Beiträge: 4.901

08.08.2008 18:29
#139 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten
Einige Ältere von uns haben den Film seinerseits life im Kino und das im großen CinemaScope-Verfahren (oftmals bei einer Leinwand von 240 qm) erleben können. Und das nicht nur einmal, sondern so oft wie möglich bin ich in einen Ort gefahren um den Film zu sehen. Als Agentur der Constanin haben wir diesen Wallace noch 1978 im Kino ausgewertet unter dem Motto, dass das ZDF diesen Film nicht zeigen durfte (damals wegen Sex and Crime). Dadurch bleibt dieser Film für mich immer ein Wallace, eben ein anderer, und ich bin froh ihn seit langem auch ungekürzt zu kennen. Was Joachim Fuchsberger betrifft habe ich sogar ein Life-Interview aus der "alten Zeit" in dem er sich durchaus wohl in diesem Film fühlte, entgegen anderslauteren Aussagen.

Joachim.
Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

08.08.2008 20:21
#140 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten

@Edgar007:

Zitat von Edgar007
Kein Wunder, daß der Film nicht in die Edgar-Wallace-Reihe paßt. Der Name Wallace war eben immer noch ein Zugpferd und wurde eben in Deutschland dafür "ausgenutzt", obwohl der Film im Prinzip nichts mit Edgar Wallace zu tun hat.
Deine Aussage enthält meiner Meinung nach einen richtigen und einen falschen Teil. Wenn du dich auf die Romanvorlagen beziehst, hast du durchaus Recht, dass der Film "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" nichts mit Edgar Wallace zu tun hat. Allerdings passt der Film trotzdem ganz hervorragend in die Reihe, wie ich bereits mit meinem Absatz in der Beschreibung "Gesamtwirkung" zu erläutern versuchte. Offenbar werde ich hierbei noch einmal ins Detail gehen müssen, denn diese deine Aussage, der Film "passe nicht", ist objektiv nicht haltbar.

Zunächst einmal: Warum passt der Film angeblich nicht in die Reihe? Diese Frage ist einfach gestellt und einfach beantwortet, allerdings lediglich auf subjektiven Eindrücken basierend. Die meisten Wallace-Zuschauer und auch Wallace-Fans, die es eigentlich besser wissen müssten, denken nämlich genau so: Wallace-Filme sind Schwarzweißfilme, die gleichzeitig spannend und lustig sind, die mit einer "typischen" Besetzung inklusive Fuchsberger, Arent, Kinski und Schürenberg aufwarten und - zumindest in Anlehnung - auf einem Wallace-Romanstoff basieren. Sieht man sich die "Stecknadel" an, so steht sie ziemlich konträr zu diesem Gedankenmuster. Sie ist in Farbe gedreht, nicht einmal eine deutsche Produktion und verfügt dementsprechend außer über Fuchsberger über wenige bis keine traditionellen und oft gesehenen Wallace-Darsteller, sie ist in keinster Weise lustig und hat nichts, aber auch gar nichts mit einem Wallace-Originalstoff zu tun.
Insofern könnte man deiner Aussage eigentlich uneingeschränkt zustimmen; alles scheint zu passen. - Nur einen kleinen Haken gibt es - und dieser Haken ist gar nicht so klein, wenn man erst einmal nach ihm gegriffen hat.

Einigen wir uns zunächst, worauf wir die Phrase "typisch für Wallace" beziehen. Auf die Romane oder auf die Filme? Hier, und dies ist von essenzieller Bedingung, um alles weitere nachzuvollziehen, muss ein klarer Trennstrich gezogen werden. Die Bücher sind etwas völlig anderes als die Filme; dies kann man nicht nur an den zwangsläufig unterschiedlichen Medien Buch und (Kino-)Film ausmachen. Weitere Faktoren, die die Filmreihe von den Büchern unterscheidet, sind folgende: die Umversetzung des Zeitkontextes (von den 1920er bzw. frühen 1930er Jahren in einen oft undefinierbaren Abschnitt mit uralten Autos und ganz modernen Damenkleidern, sagen wir: in die damalige Gegenwart, da es in den Filmen zahlreiche technische Errungenschaften der Nachkriegszeit zu sehen gibt), das Einfügen von spannungssteigernden Elementen (Anheben des Bodycounts im Vergleich zum Buch; Zusatz von Prügel- und Einbruchsszenen etc.), die Betonung des Humors (Wallace ist zwar für seine humorvolle Schreibweise bekannt, die jedoch in eine völlig andere und wesentlich dezentere Richtung ging als die teilweise bereits als Klamauk oder Slapstick zu bezeichnenden Einlagen in den Filmen) sowie jegliche weitere Abänderungen des Originals. Allein aufgrund des ersten genannten Unterschiedes kann ein Gleichsetzen von Buch und Roman ohne jegliche Differenzierung nur zum Scheitern verurteilt sein. Das Motto "Andere Zeiten, andere Sitten" gilt.

Ich hoffe, du gehst soweit mit mir mit, denn ich hätte ein Problem, bis hier Ausgeführtes noch stichhaltiger auszuführen.

Bleibt nach wie vor die Frage: "typisch für Wallace-Bücher" oder "typisch für die Wallace-Filmreihe"? Ich möchte im Folgenden also beide Möglichkeiten getrennt von einander untersuchen und beginne, quasi zur Aufwärmung und weil wir hierüber einer Meinung sind, mit dem Vergleich "Stecknadel" und "Wallace-Bücher". Jeder wird einsehen und erkennen, dass "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" weder in der getrimmten deutschen Kinoversion noch in der internationalen Langfassung ein Film ist, der die wichtigen Elemente der Wallace-Romane umsetzt. Der Stil der kompletten "Aufmachung", der Verbrechen, der Schilderung der Ermittlungsarbeit, der Personenzeichnung, der Beziehungen der Protagonisten, der Motive oder der Tathintergründe entspricht sich gegenseitig nicht.

Attest: "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" hat nichts mit den Wallace-Romanen zu tun und bietet somit keine Art der Umsetzung, die man von einer werkgetreuen Verfilmung erwarten würde.

Nun fragen wir uns: "Ist 'Das Geheimnis der grünen Stecknadel' typisch für die Wallace-Filmreihe?"

Du sagtest nein, wohl mit einer ähnlichen Begründung wie ich sie oben zu geben versuchte und in Anführung der offensichtlichen Diskrepanz zwischen der gesamten Filmatmosphäre etwa von "Der Frosch mit der Maske" und "Das Geheimnis der grünen Stecknadel". Nun ist es allerdings so, dass man einen Film von 1959 und einen Film von 1971 nicht gleichsetzen kann. Es müssen sowohl soziale als auch technische Veränderungen sowie die sich wandelnden Wünsche eines zu den jeweiligen Zeitpunkten mit vollkommen verschiedenen Einflüssen konfrontierten Kinopublikums und die von 1959 bis 1971 aufgeweichten Tabustrukturen berücksichtigt werden. Besonders im Medium Film, in dem jedem Trent hinterhergehastet wird, wie ja zahlreiche Epigonenfilme zu erfolgreichen Filmserien belegen, ist es unabdingbar, mit der Zeit zu gehen; Veränderungen auf dem Bildschirm wiederzuspiegeln.

So machte nicht nur die Edgar-Wallace-Serie der Rialto mitsamt Epigonen, sondern auch die CCC- bzw. Terra-Serie der Bryan-Edgar-Wallace-Reihe eine Entwicklung durch. Beide können miteinander in diesem Punkt gleichgesetzt werden, denn sie waren dem gleichen gesellschaftshistorischen Werdegang der 1950er, 1960er und 1970er Jahre ausgesetzt. Kenner kennen den ersten Entwicklungsschritt, der durch die Erwartungen des Kinopublikums zustande kam: Nachdem es nicht mehr genügte, die Handlung in die damalige Jetzt-Zeit zu verlegen und einige wirkungsvolle Zutaten zu geben, kam es zu der Entstehung sich immer weiter von der Romanvorlage entfernender Drehbücher. Angefangen von dem anderen Mörder im "Gasthaus an der Themse" bis hin zur beinahe kompletten Abänderung der Handlung im "indischen Tuch". Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt noch Figuren, die die Namen ihrer Romanpendants trugen (Isla Crane, Lady Lebanon, Mr. Tanner), doch die Charakteristika dieser Figuren entfernten sich merklich von denen in den Büchern. Nur noch Grundideen der Handlung wie Mordarten oder Ausgangspunkte der Storys wurden übernommen bis endlich 1965 mit "Neues vom Hexer" jedweder Halt zu irgendeiner Romanvorlage fallen gelassen wurde und man sich inhaltlich nur noch auf die 1964 entstandene hauseigene "Hexer"-Produktion, nicht aber auf den Roman oder sogar die, wie der Titel suggeriert, zugrunde liegende Kurzgeschichtensammlung bezog.

Noch eindrucksvoller ist diese Entwicklung an den Bryan-Edgar-Wallace-Filmen zu sehen. Streifen wie "Der Würger von Schloss Blackmoor" oder "Der Henker von London" wären mit Sicherheit als "typische" Edgar-Wallace-Filme anerkannt worden, hätte man sie für die Originalserie und nicht für die des Sohnes produziert. Warum? Ganz einfach; weil man sich nicht auf die Stoffe des Sprösslings Wallace junior stützte, sondern auf Erkennungsmerkmale der seit einigen Jahren so erfolgreichen Wallace-Serie.

Diese Entwicklung lief jedoch oftmals unentdeckt ab; Romannichtleser bemerkten sie nicht. Erst 1966 war der Aufschrei groß, als die Rialto-Film ihre Wallace-Produktion auf Farbe umstellte. Nun würden, so beängstigte Kinozuschauer, nie wieder typische Wallace-Filme entstehen. Aber was geschah? Die Wallace-Serie etablierte sich weiter; die Vohrer-Alleingangsphase, der viele anerkannt typische Wallace-Krimis wie "Der Hund von Blackwood Castle" entstammen, entwickelte sich nach wie vor gut bis, für die Verhältnisse der sich dem Ende zuneigenden 1960er Jahre, annehmbar. Die Wallace-Serie hatte einen neuen, akzeptierten Stil gefunden, der so oft wiederholt wurde, dass in den Köpfen der Menschen das neue Wallace-Bild eingebrannt wurde: Kitschige Farbproduktionen mit Effekten, Schlangen und Totenköpfen. Doch anstatt allgemein zu bleiben, zählen wir lieber einmal genauer nach. Wir hätten folgende Filme, die eindeutig zu dieser Phase gehören:
- Der Bucklige von Soho
- Die blaue Hand
- Der Mönch mit der Peitsche
- Der Hund von Blackwood Castle
- Im Banne des Unheimlichen
- Der Gorilla von Soho
- Der Mann mit dem Glasauge
sowie, zwar schwarzweiß, aber, wie bereits oben erläutert, bei einem Blick "hinter die Schwarzweißfassade" definitiv ähnlich gemacht:
- Neues vom Hexer

Insgesamt macht das acht Filme, die niemand als untypisch für die Wallace-Filmserie in ihrem Entwicklungsabschnitt von 1965 / 1966 bis 1968 bezeichnen wird. Im Hinblick auf die Summe aller Wallace- und Bryan-Edgar-Wallace-Produktionen macht diese Phase rund 17 Prozent der gesamten Filmserie aus. Ein knappes Fünftel also. Von "untypisch" kann hier keine Rede sein, schließlich wurden diese bestimmten Merkmale in acht Produktionen gefestigt.*

Später dann ging man dazu über, aus finanziellen wie aus Gründen des Publikumsgeschmacks, internationale Koproduktionen mit Italien und Spanien zu inszenieren, unter denen sich Psychokrimis, spanische Machwerke und vor allem Giallos finden. Diese letzte Periode umfasst die Filme:
- Das Gesicht im Dunkeln
- Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
- Der Teufel kam aus Akasava
- Die neunschwänzige Katze
- Das Geheimnis der grünen Stecknadel
- Das Rätsel des silbernen Halbmonds
- Der Todesrächer von Soho
- Das Geheimnis des gelben Grabes

Im Rahmen dieser ebenfalls acht Filme umfassenden und somit ebenso stark die Serie prägenden Phase, die im übrigen mehr stilverwandte Filme hervorbrachte als die vorige, sogar wenn man die komplette spätere Giallo-Welle in Italien ab 1972 / 1973 ausschließt, wirkt "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" kaum untypisch. Merkmale wie brutale Morde, qualitativ hochwertige Regieleistungen, der Auftritt italienischer und spanischer Darsteller, brillantes Farbenspiel, meisterhafte Filmmusiken und andere ziehen sich, einmal mehr, einmal weniger, durch alle diese acht Filme. Unleugbar gehören sie zu der Wallace-Reihe, die sich durch zeitgeschichtliche Bedingungen in diese Richtung entwickelt hatte. Zweifellos haben sie nichts mehr mit den Stoffen der Wallace-Romane zutun, was aber ebenso auf alle Vohrers Farbfilme ohne Ausnahme zutrifft. Sie sind für die Wallace-Filmreihe also nicht untypischer als die anderen Farbfilme, sind, liberal betrachtet, auch nicht untypischer als die Schwarzweißfilme, die ebenfalls keine werkgetreuen Umsetzungen von Wallace-Romanen sind. Sie haben, und das ist der Knackpunkt, lediglich durch die Art der Inszenierung, wie sie zur jeweiligen Zeit üblich war, gewisse Unterschiede, die teilweise stark ins Auge fallen. Im Endeffekt sind es aber alles mehr oder weniger gute Kriminalfilme, die den Namen "Wallace" als Vermarktungsstrategie benutzten und im Rahmen der (Bryan-)Edgar-Wallace-Filmserie für Unterhaltung in deutschen Filmtheatern sorgten.

Manch einer fühlt sich eher zu den klassischen Filmen hingezogen, ein anderer zu den Giallos. Dass die Masse auf Seiten des ersten stehen wird, begründet sich nicht zwangsläufig durch die Qualität der Filme oder durch ihre geistige Nähe zu Edgar-Wallace-Romanen, sondern schlichtweg dadurch, dass die Schwarzweißfilme stärker beworben werden, dass sie gegenwärtiger sind, dass 1961 mehr Leute in die Kinos gingen als 1971 und somit mehr Profit gemacht wurde (was schließlich zu der Folgerung führte, die ersteren Filme seien beliebter), dass prägende Werbestrategen und Buchautoren sowie viele Freunde des "alten deutschen Kriminalfilms" eine persönliche Abneigung gegen grelle, ungemütliche und brutale Sex-and-Crime-Filme haben und dass das Fernsehen in den vergangenen 40 Jahren die Schwarzweißfilme wesentlich öfter ausgestrahlt hat.

So wird einem suggeriert, dass die Filme, die schließlich das Ende der Wallace-Reihen (Edgar- und Bryan-Edgar-) einleiteten (eben, weil damals die Kinowirtschaft "auf dem absteigenden Ast" war und die unter dem Namen Wallace vertriebenen Produkte einem so starken Wandel unterlegen waren, dass soeben beschriebene Abneigungen zutage traten), untypisch für die Wallace-Reihe sind. Das Gefühl sagt es vielen weiterhin, die eigentlichen Zahlen sprechen, bei entsprechender Auslegung, eine andere Sprache.

Sicher wird es für immer ein strittiges Thema bleiben und ich erwarte nicht, dass du mir zustimmst; aber es würde mich freuen, wenn du meine Sichtweise auf dieses Thema ebenso verstehst, wie ich deine zu verstehen versuche, und wenn nicht nur du Aussagen wie die oben kritisierte in Zukunft etwas differenzierter formulieren könntest.



*) "Die Tote aus der Themse" gehört nicht in diese Periode, da hier zwar Merkmale übernommen, allerdings Darsteller und Drehstab differierten und vor allem der zeitgeschichtliche Kontext von 1971 ein ganz anderer war. Darüber hinaus ist der Film inspiriert durch den Erfolg von Filmen der letzten, der Koproduktions-Phase.


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Joachim Kramp Offline




Beiträge: 4.901

08.08.2008 21:31
#141 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten
...wahnsinnig gut formuliert. Besser hätte ich auch keinen Vergleich ziehen können. Bravo! Gubanov!!

Joachim.

P.S.:Hinzuzufügen wäre noch, dass der Ursprunng von "Die Tote aus der Themse" ja ein Drehbuchentwurf zu "Die blaue Hand" von 1966/67 war und nur von Philipps im Dezember 1970 auf den neuesten Stand - sprich Zeitkolorit - gebracht wurde.
Havi17 Offline




Beiträge: 3.764

09.08.2008 00:19
#142 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten
In Antwort auf:
Unter den nachfolgend genannten Filmen
- Das Gesicht im Dunkeln
- Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
- Der Teufel kam aus Akasava
- Die neunschwänzige Katze
- Das Geheimnis der grünen Stecknadel
- Das Rätsel des silbernen Halbmonds
- Der Todesrächer von Soho
- Das Geheimnis des gelben Grabes
halte ich um bei den "Edgar Wallace Verfilmungen" zu bleiben "Das Geheimnis
der grünen Stecknadel und "Das Rätsel des silbernen Halbmondes" deutlich
für am untypischsten. Als ich diese zum ersten Mal sah, war ich sehr enttäuscht
wie weit man sich vom Stil der 60er Verfilmungen mit diesen beiden entfernt
hat. Die Gründe für diese Produktionen wurde ja bereits mehrfach diskutiert.
Sehr schade finde ich es, daß bei den Edgar Wallace Verfilmungen immer wieder
vergessen wird, daß auch Abenteuerromane verfilmt wurden und diese weitaus näher
an Edgar Wallace sind als die "Gialos". Ich kann es verstehen, daß man natürlich
gerne am Stil der 60er Verfilmungen möglichst lange festhält, man sollte sich und
da entferne ich mich etwas von der Literatur, jedoch auch zugestehen, daß man
sich von Edgar Wallace immer mehr entfernt hat.

Als ich die klassischen Wallace Verfilmungen stückchenweise verteilt über viele
Jahre sehen durfte, sehnte ich mich natürlich nach Verfilmungen des gleichen
Stiles. Ich muß jedoch zugeben, daß mich weder Halbmond noch Stecknadel da
vertrösten konnten, im Gegenteil ich fand einige Verfilmungen die den Wallace
Filmen sehr ähnlich sind , ein Teil davon wurde auch in der Literatur als
Epigon aufgeführt.
Ich finde es garnicht abwegig, was Edgar007 deutlich und kurz formuliert
hat, das kann ich nachvollziehen und ich fand es später auch im Buch von Florian
Pauer so beschrieben.

Gruss
Havi17

DanielL Offline




Beiträge: 4.155

10.08.2008 16:52
#143 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten
Tatsächlich werden wohl STECKNADEL, HALBMOND und GESICHT IM DUNKELN immer heiß diskutierte (Wallace-) Filme bleiben. Eigentlich drehen sich die Parteien (Befürworter und Gegner der genannten Filme) mit den Diskussionen hier seit Jahren im Kreis. Gubanovs Argumentationsoffensive und die Chance, mit Joachim Kramp auch mal nicht einer Meinung zu sein ;-), regt mich hier an meine Sicht der Dinge genauer zu spezifizieren.

Vorrausschicken möchte ich, dass die meisten Wallace-Fans wohl heute einen üblichen Weg gehen: Sie lernen die Wallace Filme durch das Fernsehen kennen, also meist zuerst die oft gesendeten und mutmaßlichen Genre-Highlights wie DER HEXER. Vielleicht bemerken sie die von Gubanov ganz richtig benannten Unterschiede der Filme 1959 bis 1966/1967 und 1966/1967 - 1969. Aber aus der Erfahrung aller Neuankömmlinge hier im Forum und aus meiner Eigenen, kann ich feststellen: Die Allermeisten können beim ersten Kontakt mit den Italo-Wallace mit den Filmen absolut nichts anfangen. So war es auch bei mir.

Beim Edgar Wallace Festival 2001 sagte StefanK mir einen Satz der mir in Erinnerung geblieben ist. Damals konnte ich, wenn die Sprache u.a. auf verschiedene italienische Giallis kam, nur die Achsel zucken. Darauf sagte er: "Wart's ab, Edgar Wallace ist nur die Einstiegsdroge!" Und genauso war's. Auf Wallace folgen alle deutschen Krimis der sechziger Jahre, die Früh- oder Spätwerke der Wallace Regisseure und man stößt zwangsläufig am Ende von Wallace auf die härtere Welle der vorwiegend italienischen Spannungsfilme der 70er.
Mittlerweile bin ich zwar alles Andere als ein Experte des Giallos aber immerhin habe ich verschiedene Filme kennengelernt und daher auch die Italo-Wallace unter anderen Gesichtspunkten gesehen, nicht als Wallace-Krimi.

Und hier beginnt für mich der Diskussionsbedarf. Viele, wie auch Gubanov, gehen diesen Weg genauso. Sie beurteilen die Italo-Wallace später unter anderen Gesichtspunkten und ändern dann postum ihre Einschätzung der Filme als Wallace-Filme. Genau dies handhabe ich Anders. So habe ich geschrieben, dass DAS GESICHT IM DUNKELN mit etwas mehr Mühe einen genialen Psychothriller hätte abgeben können und attestiere HALBMOND auch Spannung aber als Film der Edgar Wallace Reihe können all diese Filme bei mir keinen Blumentopf gewinnen, selbst nicht der geniale (von mir als Thriller geliebte) DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE.

Richtig ist, das Anfang der Siebziger ein anderer Zeitgeist herrschte. Krimiserien mit Realismus-Touch sind im Fernsehen eingeschlagen, Geschehnisse wie der Terrorismus haben sich in harten Thrillern wie BLUTIGER FREITAG widergespiegelt. Na klar, der naive Ray Bennet aus dem FROSCH wäre 1972 sicherlich deplaziert gewesen.

Aber kurzum, Filme wie DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE oder DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL haben ihren ganz eigenen, anderen Reiz. Sie als Edgar Wallace Filme zu vermarkten, hat weder den Filmen noch der Filmreihe geholfen. Die Filme wurden in der Außenpräsentation ihrem individuellen Charakter beraubt und als Wallace mit härterem Touch verkauft, was sie nicht nötig hätten. Die vorhandenen Wallace Filme wurden verraten, weil sie durch diese Maßnahme im Prinzip durch ihre eigenen Väter als antiquiert abgestempelt wurden.

Die deutschen Wallace Filme waren so außergewöhnlich durch ihre Fantasie und ihren Witz, sodass sie auch im europäischen Ausland für Furore sorgten. Nichts von den Wallace Merkmalen der ersten 10 Jahre findet sich in den Italo-Wallace. Binnen zwei Jahren wurden die Schlüsselmerkmale als hinfällig erklärt. Stattdessen spielen zwei bis drei deutsche Darsteller in den italienischen Filmen aus Marketing Gründen oft die zweite oder dritte Geige. Blacky Fuchsberger ist in der STECKNADEL nahezu unbedeutend, Günther Stoll trifft es noch schlimmer im GESICHT IM DUNKELN. Wie es mit Zeitgeist geht, ohne gleich alle Wallace-Gesetze über Bord zu werfen, zeigt ja DIE TOTE AUS DER THEMSE. Während man bei der Stecknadel noch mal schnell an der Towerbridge vorbei filmt, macht man sich beim HALBMOND erst garnicht mehr die Mühe, die Geschichte in London durchzubringen. Wäre auch wieder schlecht für den Film als eigenständiges Werk gewesen, der in Italien eben viel besser aufgehoben ist. 1971 hatte die Wallace Reihe niemanden mehr, der Lust hatte mit Energie neuen Schwung in die Reihe zu bringen. Die meisten Beteiligten waren nach all den Jahren wohl was Wallace betrifft verständlicherweise ausgebrannt und wandten sich anderen Projekten zu (Fuchsberger-> Fernsehen, Wendlandt-> Tobis) und dazu der allgemeine Abschwung des dt. Kinos.

Also, die Italo-Filme in allen Ehren, aber für mich ist hier, wenn als Wallace Film diskutiert, zu betrachten, was man Ende der 70er aus der Reihe gemacht hat.

Letztlich sind ja auch sämtliche Italo-Wallace im Hauptproduktionsland als eigenständige Werke erschienen. Daher sind und bleiben die 3 Italo-Wallace einfach eine Mogelpackung. Da spielt es keine Rolle welche Quantität die ital. Produktionen am Ende unter Einberechnung der Epigonen haben.

Gruß,
Daniel

Havi17 Offline




Beiträge: 3.764

10.08.2008 19:27
#144 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten
Zitat von Daniel Lantelme
Wie es mit Zeitgeist geht, ohne gleich alle Wallace-Gesetze über Bord zu werfen, zeigt ja DIE TOTE AUS DER THEMSE.
Dieser Film hat mich auch sehr angenehem überrascht und ich zähle ihn heute, wenn auch sehr spät produziert und farbig, zu den Ur-Wallace-Filmen.

Bei aller Liebe zu den Filmen, zu Argumenten die sich gerne für den Begriff Edgar Wallace Krimi
finden lassen, finde ich es gut Daniel, daß Du hier díe Sichtweisen präzisiert hast.

Ich denke da nicht an mich, Gubanov, oder Joachim, sondern an neue Forenmitglieder. Wir wissen
warum wir bestimmte Einschätzungen haben, doch ich fände es fatal, daß ein Newcomer aufgrund
der Diskussionen gar zu dem Eindruck kommt, die Gailos seien die echten und besten Edgar-Wallace
Krimis und die Zeit davor war nur schwarzweiß.

Gruss
Havi17

Gubanov ( gelöscht )
Beiträge:

10.08.2008 20:00
#145 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten

Danke, Daniel. Das ist doch endlich einmal eine vernünftige Darlegung des "anderen Standpunktes", mit der man etwas anfangen kann. Bis zu dem Punkt, an dem bei dir "der Diskussionsbedarf beginnt", stimme ich dir vollkommen zu. Wallace als Einstiegsdroge - so ist es sicher bei jedem, der sich wirklich intensiv mit den Filmen beschäftigt. Man kommt zu den Epigonen; zunächst zu den Schwarzweißfilmen und dann zur Farbära. Dabei, und hier möchte ich nicht missverstanden werden, betrachte ich doch vor allem die Giallos zuallererst einmal als eigenständige Filme. Wenn ich mir die "Stecknadel" in der internationalen Schnittversion auf Italienisch ansehe, so betrachte ich mir ja schließlich den Film, den Massimo Dallamano als typisches Zeitprodukt der Giallo-Welle in Italien schuf. Erst in zweiter Linie versteckt sich dahinter ein Wallace-Film, der durch die deutsche Schnittfassung der Universum-Box symbolisiert wird.

Aber diese zweite Linie ist nicht völlig auszuschließen. Immerhin saß da einmal ein namhafter Produzent und befand, einfach gesprochen, über das "Schicksal" der Wallace-Serie. Dies taten er und andere jedoch mutwillig, das heißt sie wussten von Anfang an, dass aus diesen italienischen Produkten einmal Wallace-Filme werden würden. Für so ungeeignet kann die Giallo-Welle in diesem Zuge also nicht befunden worden sein.
Interessant ist auch, wie sich im 1966 entstandenen Wallace-Film "Das Geheimnis der weißen Nonne" bereits erste Merkmale finden, die in Giallorichtung tendieren. Hier waren beide Produktionsländer und alle am Dreh beteiligten eins darüber, dass daraus ein Wallace-Film entstehen soll.

Vielleicht bietet der Nährboden "Wallace" auch allein schon einige Anreize für die Entwicklung des Giallo-Kinos. Clevere Kriminalfälle, spannende Morde und atmosphärischen Licht- und Musikeinsatz gab es auch schon vorher in der Filmreihe. Anstatt sich auf die Unterschiede, die ja offensichtlich sind, zu versteifen, kann man auch nach Gemeinsamkeiten suchen.

Auch dein Kommentar, Havi, gefällt mir gut, denn er zeigt, dass wir unsere Meinungen gegenseitig akzeptieren und verstehen. Das kommt mir nämlich unausgesprochen nicht immer so vor. Wie auch immer: Ich hoffe, kein Newbie hier im Forum wird durch meinen Beitrag auf die Idee kommen, nur Giallos seien ordentliche Wallace-Filme. Diese Ansicht habe ich nicht damit verfolgt. Auch befindet sich in meiner persönlichen Wallace-Top-Fünf nur dieser eine Film aus der letzten von mir aufgezeigten Phase (bei Bryan Edgar Wallace sieht das aber völlig anders aus, da gefallen mir die Giallos tatsächlich am besten).

Das "vielleicht" in meiner von Reinhard so hervorgehobenen Kurzwertung (und diese fallen - eben aufgrund ihrer Kürze - immer etwas ungenau aus) bezieht, wie zu erahnen, auf die "toten Augen von London". Dieser Film liefert sich ein hartes Duell mit "Stecknadel" um meine Gunst an der Spitze der Serie und man kann wahrlich behaupten, dass er völlig anders geartet ist als der hier zur Besprechung stehende Film.


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Percy Lister Offline



Beiträge: 3.589

10.08.2008 20:01
#146 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten

Ich denke, wenn uns EW-Fans "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" nicht quasi aufgezwungen
worden wäre ( durch die DVD in der Edition 8 bzw. den Wunsch nach Komplettierung ),
hätten die meisten von uns nie Bekanntschaft mit diesem Meisterwerk gemacht.

Ich gebe zu, anfangs ebenfalls sehr skeptisch gewesen zu sein. Trotzdem habe ich dem Film
eine Chance gegeben, eben weil die Qualitäten dieser Produktion in diesem
Forum ausführlich dargelegt worden sind.

Lassen wir Neulingen im Genre Zeit, sich an diesen Film heranzutasten. Es ist sicher auch
eine Frage der persönlichen Reife und des Geschmacks, ob man sich mit "Cosa avete fatto
a Solange" anfreunden kann. Wir sollten uns jedoch immer vor Augen halten, dass es sich
um eine Weiterentwicklung des Wallace-Themas handelt. Wie Joachim in seinem Buch sachlich
anführt, gibt es vier verschiedene EW-Phasen und dieser Film gehört zur letzten, farbigen,
italienischen Phase der Serie. Niemals sollten wir ihn deshalb in einen direkten
Vergleich mit Filmen der späten 50er Jahre ( "Frosch" ) einbringen.

StefanK Offline



Beiträge: 936

10.08.2008 22:49
#147 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten

Ich kann Daniel eigentlich nur zustimmen. Die Italofilme sind sehr gute Filme, aber halt nicht als "typischer" Wallacefilm, sondern eben als Giallos. Und ich denke auch, dass der "durschnittliche" Zuschauer, der mehr oder weniger zufällig bei einem Wallacefilm im TV hängen bleibt eher die typischen Klischees (Erbin, Schlösser, Nebel, London, Gags von Eddi Arent, usw.) erwartet. Gubanov ist da eher "wissenschaftlich" rangegangen. Aus dem Blickwinkel gesehen macht die Ausführung auch durchaus Sinn! Nur dürfte dies bei den besagten Durchschnittszuschauern aus diversen Gründen halt nicht greifen. Von den genannten 8 Filmen liefen gerade mal 3 (die Rialtos) mehr oder weniger häufig im TV, die Handschuhe wenn überhaupt meist zu nachtschlafender Zeit und dürften somit nicht unbedingt in Zusammenhang mit den "typischen" Wallacefilmen gebracht werden.

Edgar007 Offline




Beiträge: 2.595

11.08.2008 18:39
#148 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten

Zitat von Gubanov
Einigen wir uns zunächst, worauf wir die Phrase "typisch für Wallace" beziehen. Auf die Romane oder auf die Filme? Hier, und dies ist von essenzieller Bedingung, um alles weitere nachzuvollziehen, muss ein klarer Trennstrich gezogen werden.

Das ist ja das typische bzw. untypische an diesem Film. Er hat weder mit dem Roman (oder den Romanen im Allgemeinen) noch etwas mit den "echten" Wallace-Filmen etwas zu tun. Er wurde eben nur in der BRD unter "Edgar Wallace-Film" vermarktet.

"Typischer Edgar Wallace-Film" hat m.E. nicht unbedingt damit zu tun, ob der Film nun in schwarz-weiss oder in Farbe gedreht wurde. Von den Anfängen (FROSCH) bis zu den letzten Filmen (z.B. Tote aus der Themse) liegen vor allem auch ein paar Jahre dazwischen - und die Entwicklung stand auch zu dieser Zeti nicht still, was sich natürlich auch, meistens leider nagativ, auf die Filme ausgewirkt hat. Allerdings finde ich auch ein paar Farbfilme gut, wie z.B. den Buckligen oder einen der letzten, in meinen Augen "echten" Wallace-Film, DIE TOTE AUS DER THEMSE.

Joachim Kramp Offline




Beiträge: 4.901

11.08.2008 19:16
#149 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten
Daniel erkannte es richtig: Hier drehen wir uns im Kreise. Die Einen sind für den Film, die anderen dagegen.

Wallace ist tatsächlich eine Droge – für mich seit 1967 als ich die erste „Injektion“ durch den Trailer „Der Mönch mit der Peitsche“ erhielt. Anders alle andere Wallace-Einsteiger ab den 80er Jahre hatte ich meinen Einstieg durchs Kino und zwar durch die von Gubanov „beschwörte“ Vohrer-Ära. 1969 habe ich innerhalb von 14 Tagen „Das Gesicht im Dunkeln“ und „Das Verrätertor“ gesehen. Und „Das Verrätertor“ hat mir mehr zugesagt. Was aus „Das Gesicht im Dunkeln“ hätte werden können wurde ja bereits mehrmals besprochen.
Wenn irgendwo in einem Kino ein Wallace angekündigt wurde, habe ich versucht ihn mir anzusehen. So habe ich nach und nach „Der Bucklige von Soho“, „Die blaue Hand“, „Der Mönch mit der Peitsche“ und „Das Geheimnis der weißen Nonne“ mir angesehen, wobei ich mir Letzteren zweimal an zwei Tagen hintereinander ansah um mit dieser „anderen Art“ mich auseinandersetzen zu können. Dann kam 1970 „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ – neunmal damals hintereinander im Kino gesehen – und von Mal zu Mal war ich begeisterter. Dann kam „Die Tote aus der Themse“ zu dessen Premiere ich von Rialto-Film nach Saarbrücken eingeladen wurde, die dann aber durch Werner Peters’ Tod „ins Wasser fiel“. Meine Begeisterung stieg mal wieder. Im Juli 1971 folgte dann „Die neunschwänzige Katze“. Ein CinemaScope-Film auf einer 240qm Leinwand – einfach genial – man war in Mitten dem Geschehen. Dass das damals Giallos sind habe ich erst viel, viel später erfahren. Wir wollten einfach nur einen neuen „Wallace“ sehen – ob Vater oder Sohn – das war uns seinerzeit völlig egal. Wir alle warteten nur auf den nächsten „Wallace“. Das war dann „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“. Und wieder waren wir alle begeistert. Dass es auch noch „andere“ Wallace gibt – wussten wir zwar – aber man konnte sich diese nicht ansehen (Ausnahme: „Der Hexer“ – ab 22.00 Uhr durfte ich kein Fernsehen sehen und bei der Ausstrahlung von „Die seltsame Gräfin“ lief in der ARD „Einer wird gewinnen“ was mein Mutter sehen wollte.) Also konnte ich zu die „richtigen“ Wallace-Filme erst ab 2.Oktober 1973 mir ansehen.
Soweit mein Einstieg zur Wallace-Droge als Zeitzeuge. Fünf Jahre lang 12 Farb-Wallace plus „Das Verrätertor“ sowie „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ und „Die neunschwänzige Katze“ haben schon geprägt.

In einer Sache muß ich Daniel widersprechen dass der Name „Edgar Wallace“ den Filmen nicht geholfen hätte. Ganz im Gegenteil – die Filme bzw. Giallos, die ohne den Zusatz „Wallace“ liefen waren ganz einfach Flops – keiner ging wegen den Filmen ins Kino. Hierzu zählen die Filme „Sieben Jungfrauen für den Teufel“, „Vier Fliegen aus grauem Samt“, „Sieben Tote in den Augen der Katze“, „Das Messer“ und „Das Geheimnis des gelben Grabes“. Filme wie „Profondo Russo“ veröffentlichte man erst gar nicht in Deutschland. Ihr seht also, dass der Name „Wallace“ auch noch 1970/72 zog wenn auch nicht mehr mit solchem gigantischen Erfolg wie 10 Jahre zuvor.

Zu „Das Geheimnis des gelben Grabes“ hatte man bewusst oder unbewusst den Namen „Wallace“ bei der Werbung weggelassen.

Die Projekte „Das Geheimnis der schwarzen Rose“ (später: „Das Messer“) und „In der Dunkelheit des Schreckens“ waren für 1973 als Wallace Nr. 33+34 vorgesehen. Nachdem GFH die Drehbücher zu beiden Filmen als zu „lasch“ beurteilte gab’s zwar zum „Geheimnis der schwarzen Rose“ noch ein überarbeitetes Drehbuch, das aber GFH ebenfalls ablehnte, so dass Constantin Rialto kein „grünes Licht“ (d.h. keine Garantie leisten wollte) für diese beiden Projekte gab. Der erste Film wurde dann italienisch ohne dt. Beteiligung realisiert und von Warner-Columbia in die dt. Kinos gebracht. Als Totalflop. Ob„In der Dunkelheit des Schreckens“ je realisiert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

Anläßlich des Startes von „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ hieß es in der Presse:
„Auch weiter steigende Tendenz bei Edgar-Wallace“
Das ist unübertrefflich, dass eine Filmserie den Erfolg gepachtet hat. Seit 13 Jahren lässt Edgar Wallace überall die Kassen klingeln. Nicht, weil man ein Patentrezept gefunden hat, das über Jahre immer wieder kopiert wird, sondern weil die Wallace-Serie die Stilwandlungen des modernen Kriminalfilms mitgemacht hat. Weil man sich auf den gewandelten Geschmack eingestellt hat.
„Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ ist ein moderner und aktueller Thriller. Er macht rundherum Freude. Den Besuchern, weil sie perfekt und spannend unterhalten werden, den Theaterbesitzern, weil die Kasse stimmt!
Hier ein Beispiel für viele: 1. Sonntag im Mathäser-Filmpalast, München DM 19.728,80 Kasse – und überall meldet der Film-Sonderdienst „Sehr gutes Geschäft!“

Ich möchte hiermit zwei Dinge verdeutlichen, einmal, dass wir als Wallace-Einstieg (ohne Fernsehen, Video, DVD) nur die Farbfilme sehen konnten und dass der Name „Wallace“ noch bis 1972 viele Menschen ins Kino lockte.

Um auch mich nicht mißzuverstehen, ein heutiger Wallace-Neuling sollte sich die zuletzt produzierten Filmen nicht als Einstieg nehmen, sondern immer mit Filmen der s/w-Ära beginnen.

Joachim.

P.S.: Percy Lister schreibt, dass uns dieser Film als Komplettierung quasi von Universum aufgezwungen wurde. Das ist falsch. In Deutschland war und ist es ein Wallace, viel eher wurde uns „Wartezimmer zum Jenseits“ „aufgezwungen“, denn dies war ja tatsächlich kein Wallace.
Der unheimliche Mönch Offline




Beiträge: 299

11.08.2008 21:34
#150 RE: Bewertet "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (31) Zitat · Antworten

Ich muss auch zugeben, als ich den Film zum ersten mal sah fand ich ihn nicht so toll.
Jetzt finde ich den Film genial . Obwohl ich Giallos überhaupt nicht mag

Wenn Dummheit ein Verbrechen wär, wäre die Welt ein großes Gefängnis.

Eddi Arent

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