Naja, ob es nun "fantasielos" ist, wenn man als Zuschauer bei einer deutschen Produktion, die mit deutschen Gesichtern besetzt ist, aber auf "Englisch" macht, oder ob nicht vielmehr die Konkurrenz durch "reale britische Krimis" zu groß ist? Man darf nicht vergessen, dass es eben zur Zeit der Karl May-Filme kaum (noch) amerikanische Western gab, bzw. diese keinen Schwerpunkt mehr auf "Cowboy und Indianer" sowie reine Unterhaltung hatten, sondern durchaus eher kritisch und pessimistisch ausfielen. Da hatten die deutschen Wallace-Filme in ihrer Buntheit und Naivität ihren Reiz. Die Italiener verschoben dann den Schwerpunkt noch mehr auf Gewalt und Pessimismus, bevor sich die Amerikaner den Western dann quasi mit "The Wild Bunch" und anderen Filmen zurückeroberten. Die "Jerry Cotton"-Filme belebten quasi die Gangster- und Detektivfilme der 50er wieder - natürlich mit deutschem Blick und wiederum viel Naivität. Da kam dann mit den "Neo-Noir"-Filmen wie "Point Blank" und den Filmen von Don Siegel und Co Ende der 60er schon zu starke Konkurrenz aus dem authentischen Heimatland. Als die Edgar Wallace-Filme im Kino liefen, wurden in Großbritannien "Kitchen Sink"-Dramen gedreht und auch die Amerikaner produzierten nach dem Ende der Film Noir-Hochphase Ende der 50er kaum noch Krimis. Auch hier verschoben die Italiener mit den Gialli den Trend wiederum bis in die 70er und wenn man so will, holten die Briten sich den Krimi dann Mitte der 70er mit "Sleuth" und anderen Einzelfilmen sowie "Mord im Orient-Expreß" und folgenden Christie-Adaptionen, ab spätestens den 80ern dann auch mit der Jeremy Brett-Sherlock Holmes-Serie und vielen mehr im TV "zurück".
Warum müssen wir denn zwingend unsere Krimis in Venedig oder London spielen lassen? Warum dürfen die handelnden Figuren nicht unsere Nationalität haben und warum sollten ausgerechnet wir Western drehen? Der RTL-Winnetou war gar nicht einmal schlecht, immerhin besetzte man ja auch Old Shatterhand nicht wieder mit einem Amerikaner, sondern beließ es bewusst bei der deutschen Herkunft. Aber davon abgesehen haben die Amerikaner es doch mittlerweile mit "Der letzte Mohikaner" oder "Der mit dem Wolf tanzt" besser gemacht. Wieso knüpfen wir nicht endlich einmal an das Weimarer Unterhaltungskino an oder suchen uns hiesige Vorlagen?
Zitat von Jan im Beitrag #404Ich glaube, dass den Zuschauern anno 2022 aus der Geschichte heraus erklärt werden müsste, warum ein wesentlicher Part einer neuen Edgar-Wallace-Verfilmung mit einem bekannten deutschen Gesicht besetzt wurde. Und da sind wir dann wieder beim Plot, der eben nicht so urdeutsch ist, als dass jede einzelne Wallace-Figur auf einmal einen deutschen Background haben könnte.
Dann sind wir allerdings nicht beim Plot, sondern wieder beim Handlungsort. Beziehungsweise im Endeffekt bei der Tatsache, dass die heutigen Zuschauer zu fantasielos (oder zu kritisch) sind, um eine nationenfremde Besetzung zu würdigen.
In diesem Zusammenhang könnte man aber auch an die Inspektor-Jury-Filme (ORF/ZDF, 2014-2018) denken, die meines Wissens nicht ganz erfolglos waren.
Konkret könnte man aktuell "Der Frosch mit der Maske" erneut verfilmen und in den folgenden Filmen direkt daran anknüpfen.
Mit Richard Gordon als eine Art Sherlock Holmes und Inspektor Elk als eine Art Lestrade.
Weitere Fälle in der Konstellation könnten dann "Die Tür mit den 7 Schlössern", "Der schwarze Abt", "Der Zinker" und (vielleicht als Abschluss) "Das Gasthaus an der Themse" sein.
Das würde mich sehr freuen, wenn man Edgar Wallace mal in einer schönen internationalen Produktion würdigen würde. Er war ja mal einer der meistgelesenen (Krimi)Autoren Englands... Leider hat es nie zu einer wirklich großen Verfilmung gereicht, wie z.B. bei Agatha Christie. Deren Romane fand ich jetzt auch nicht unbedingt besser als die von Wallace. Dass so "altmodische" Filme erfolgreich sein können zeigen ja auch die beiden Poirot-Filme und die Knives out-Filme mit Daniel Craig
Zitat von Edgar007 im Beitrag #410Das würde mich sehr freuen, wenn man Edgar Wallace mal in einer schönen internationalen Produktion würdigen würde. Er war ja mal einer der meistgelesenen (Krimi)Autoren Englands... Leider hat es nie zu einer wirklich großen Verfilmung gereicht, wie z.B. bei Agatha Christie. Deren Romane fand ich jetzt auch nicht unbedingt besser als die von Wallace. Dass so "altmodische" Filme erfolgreich sein können zeigen ja auch die beiden Poirot-Filme und die Knives out-Filme mit Daniel Craig
Die genannten "Knives Out"-Filme sind aber ja eben nur in ihrer Struktur "altmodisch" und füllen diese mit Zeitgeist, modernen Figuren und aktuellen Themen. Christie gibt das her, Wallace eher weniger, weil dort Todesstrafe, zu beschützende Erbinnen und Co zentrale Rollen spielen. Da nun moderne Figuren reinzuwerfen, die mit Handys hantieren, würde kaum noch das Label "Wallace" rechtfertigen. Im Grunde müsste man Wallace-Verfilmungen in der Zeit ansiedeln, in der die Romane erschienen sind. "Moderne" Verfilmungen und Wallace schließen sich in meinen Augen quasi aus. Schon die romangetreueren Verfilmungen der 60er funktionierten nur in einem nostalgisch angehauchten Märchen-Setting. Fraglich, ob man so etwas heute wieder erzeugen könnte.
Zitat von Fabi88 im Beitrag #411"Moderne" Verfilmungen und Wallace schließen sich in meinen Augen quasi aus.
Da hast Du wahrscheinlich Recht. Aber es gibt ja auch wirklich tolle Filme/Serien wie z.B. Babylon Berlin oder Charitè, die in einer früheren Zeit spielen.
Zitat von Lord Low im Beitrag #413Der "King Kong"-Stoff wurde schon mehrfach ziemlich groß verfilmt.
Na ja, das ist ja nicht gerade die Art Edgar Wallace-Film, um die wir hier diskutieren. Außerdem hat Wallace ja keinen Roman KING KONG geschrieben. Auch wurde sein Name m.W. weder in der 1932er noch in der 76er Produktion erwähnt.
Zitat von Lord Low im Beitrag #413Der "King Kong"-Stoff wurde schon mehrfach ziemlich groß verfilmt.
Na ja, das ist ja nicht gerade die Art Edgar Wallace-Film, um die wir hier diskutieren. Außerdem hat Wallace ja keinen Roman KING KONG geschrieben. Auch wurde sein Name m.W. weder in der 1932er noch in der 76er Produktion erwähnt.
Zitat von patrick im Beitrag #416Im Vorspann der 32er ist er erwähnt.
Oh, das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Ich weiß nur, dass er im 2006er Remake im Abspann erwähnt wird. Trotzdem bleibe ich dabei, das KING KONG kein Wallace-Film ist.
@boris brosowski Hatte ja einen neuen Thread gestartet. Dabei kam ich auch erneut ins Überlegen und habe auch diesen alten Thread noch einmal quergelesen. Joachim hatte ja ursprünglich vier Optionen skizziert: 1. Stoffe, die wegen Themen wie Todesstrafe und Co nur spätestens in den 60ern spielen könnten 2. Stoffe, die sich maximal bis in die 90er-Jahre verlegen lassen (wahrscheinlich, weil Internet, Handys und Co sie zerstören würden ) 3. Stoffe, die sich auch ohne große Verfälschung in der Jetzt-Zeit ansiedeln ließen 4. Markante Figuren wie Artur Milton als Hexer, J.G.Reeder, Redner-Geschichten, Briganten-Geschichten oder Der Preller, die sich auch in Filmreihen- oder gar Serien-Form umsetzen ließen
Joachim hielt Option 3 für die in seinen Augen beste und weil ihm in den Filmen ab "Der Bucklige von Soho" der Wallace-Geist fehlte, hielt er es für unsinnig ausgerechnet diese Herangehensweise als Option 5 anzuführen: Eine "Märchen-England-Welt", die sich an den 60er-Jahre-Filmen orientiert und dort eigene Geschichten ansiedelt, wie es die beiden 90er-Jahre-RTL-Serien versuchten. Diese Serien scheiterten nicht an dieser Prämisse, sondern schlichtweg nicht gelungener Durchführung. Die Bücher waren teilweise wirklich schwach, die Inszenierung holprig, die Besetzung zwischen (teils wirklich noch gut spielenden) Alt-Stars und nicht annähernd ähnlich talentierten TV-Gesichtern unausgegoren und Synthie-Soundtracks und Co taten ihr Übriges. Rein wirtschaftlich, bzw. vermarktungstechnisch finde ich diesen Weg aber auch heute gar nicht so abwegig. Der Schriftsteller Edgar Wallace ist in Großbritannien ohnehin, in Deutschland jedoch ebenfalls "vergessen". Selbst im Hörspielsektor haben ja mittlerweile auch die Adaptionen die Oberhand, die Wallace nur noch als Siegel für eine bestimmte Art von eben diesem "Märchen-England" nutzen oder - sofern sie tatsächlich auf seinen Erzählungen beruhen - diese ein gutes Stück entfremden und mit Action und Co modernisieren. Wenn jemand den Namen "Edgar Wallace" hört, kommen den meisten jüngeren Semestern wohl kaum die roten Goldmann-Einbände in den Sinn, sondern Nebel, Kinski und obskur maskierte Mörder.
Was halten wir denn von einer Mischung aus Option 3 und 5? Die Romane, die Joachim für Option 3 nannte waren DER UNHEIMLICHE, DER ENGEL DES SCHRECKENS, DAS GESICHT IM DUNKELN, DAS GEHEIMNIS DER STECKNADEL, HANDS UP!, GROSSFUSS, DER UNHEIMLICHE MÖNCH, KÄTHE UND IHRE ZEHN, DIE TODESKARTE, DER DERBYSIEGER, TURFSCHWINDEL, DER UNHOLD, A.S.DER UNSICHTBARE, IM BANNE DES UNHEIMLICHEN, DIE BLAUE HAND und DER MANN AUS MAROKKO. Hat jemand diese Romane gelesen und Joachim hier zustimmen? "Das Gesicht im Dunkeln", "Der unheimliche Mönch", "Die blaue Hand", "Im Banne des Unheimlichen" oder "Das Geheimnis der Stecknadel" wären aufgrund der Titel natürlich problematisch, weil Vergleiche (mal gut mal schlecht) zu ihren gleichnamigen Vorgängern gezogen werden würden. Man könnte ja durchaus versuchen den Wallace-Handlungen treu zu bleiben, aber auch den (heutigen) Zuschauer-Erwartungen an Wallace - von wegen Mischung aus Grusel und Humor, Nebel, Maskeraden und Co - entgegen kommen.
Zitat von DanielL im Beitrag #131Es spricht ja für die Fachkentnis der Nutzer wenn ihr euch so ausgiebig über die Frage zerpflückt, inwiefern die Romane bearbeitet werden müssen, damit sie tauglich sind für eine Verfilmung. Nur ist dies meiner Ansicht (und auch nach der Ansicht von Produzenten, mit denen ich mich darüber unterhalten habe) nicht der springende Punkt.
Ich glaube eigentlich nicht, dass 60-70% der heutigen Kinogänger Edgar Wallace überhaupt nicht kennen. Sicher haben 99,9% niemals einen originalen Wallace-Roman gelesen, aber jeder der regelmäßig durch's TV zappt oder im nächstgelegenen Elektronikmarkt hin und wieder durchs DVD-Regal stöbert, wird irgendwie schonmal mit dem Namen in Berührung gekommen sein. Fast Niemand wird einen Mr. Reeder oder einen Alfred Vohrer kennen. Aber sicherlich glauben die allermeisten zu wissen: Wallace? Wartemal... Das sind doch diese alten Krimis mit London, viel Nebel, einem immerzu sterbenden Klaus Kinski, in Schwarz-Weiß usw...
Das ist der springende Punkt. Edgar Wallace ist in Deutschland gebunden an diese Erwartungshaltung. Ob das ein Vorteil oder ein Nachteil ist - darüber wäre interessant zu streiten. Ebenso wie in England seit den späten 60ern im Prinzip keine Wallace Produktionen mehr angegangen worden sind, weil der Name zu fest mit den B-Produktionen der Merton Park Studios verbunden war.
Letztlich wissen doch nur wir Insider, welche Wallace-Stoffe etwas mit dem Schriftsteller Wallace gemein haben. Aber auch für uns ist dies doch nicht der springende Punkt. Wer von uns ist denn schon von Wallace-Romanen auf die Filme aufmerksam geworden? Keiner! Die Filme haben uns fasziniert und Viele haben dann herausgefunden, dass der Autor Edgar Wallace ein nicht weniger spannendes Leben geführt hat und das er tatsächlich lesenswerte Romane vorzuweisen hat. Natürlich ist es Quatsch auf eine völlig moderne Geschichte einfach nur Wallace draufzustempeln - wie Edgar007 schon sagt - hat vermarktungstechnisch eh keinen Sinn, warum also überhaupt, wenns nicht von Wallace ist? Warum aber akzeptieren wir DEN MÖNCH als Wallace? Weil es um die Faktoren geht, die die Faszination Wallace ausmachen:
Bei Wallace sind die Schurken vermummt und nicht im Cityhemd, die Handlung spielt im Moor oder auf'm Schloss und nicht im Neubaugebiet von Kleinhintersdorf, alles ist überspitzt statt so realistisch wie möglich. Ich denke in diesen Schlüsselfaktoren steckt der Reiz und die einzige Chance für eine Neuverfilmung, weil soetwas nicht durch die immergleichen Krimiserien im Fernsehen bedient wird. Wenn man dabei auf Originalstoff zurückgreifen kann, umso schöner. Aber das entscheidet letztlich dann der Bedarf.
Und Daniel hat das, wie ich soeben bemerkte, schon vor 15 Jahren ausformuliert.